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Opernpremiere: „Iolanta“ an der Wiener Staatsoper

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Sonya Yoncheva als Iolanta

©Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
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Ein zurecht bejubeltes Märchen: Die Neuproduktion von Tschaikowskys „Iolanta“ an der Wiener Staatsoper überzeugt szenisch durch Evgeny Titovs Regie und musikalisch durch Tugan Sokhievs Dirigat.

Dass eine Opernneuproduktion einhellig akklamiert wird, kommt heute selten vor. Bei der Premiere von Tschaikowskys „Iolanta“ an der Staatsoper war das der Fall. Der junge kasachische Regisseur Evgeny Titov setzt die Geschichte der Prinzessin Iolanta, der verschwiegen wird, dass sie seit der Geburt blind ist, schlüssig, pointiert als modernes Märchen in Szene. Das Einheitsbühnenbild (Rufus Didwiszus), ein grüner, mit Blumen bepflanzter Hügel, auf dem Iolanta mit ihren Freundinnen weilt, würde sich ideal als Venusberg in Wagners „Tannhäuser“ oder als Schauplatz für den zweiten Aufzug von „Parsifal“ eignen.

Titov hat aber mehr zu bieten als schöne Bilder. Vor allem eine kluge Personenführung. Ritter sind Tramper, die aus der Gegenwart in eine Märchenwelt geraten, eine mystische Comic-Figur als Arzt, ein König, der, flankiert von zwei Bodybuildern, die wie Fafner und Fasolt, die Riesen aus Wagners „Rheingold“, auftreten, erinnert an einen Oligarchen.

Der Blick in die Seelenabgründe der Figuren

Titov, der bei den Salzburger Festspielen Peter Eötvös‘ „Drei Schwestern“ inszenieren wird, demonstriert seine Gabe, Geschichten so zu erzählen, dass sie über die Zeiten gültig sind. Er geht dabei ganz nach der Partitur vor. Das Szenario ändert sich während der 90 Minuten dauernden Aufführung nicht, dennoch schaut man gebannt zu. Immer wieder lässt das Szenische an Richard Wagner denken. Etwa, wenn Vaudémont sich Iolanta  wie Siegfried der schlafenden Brünnhilde nähert.

Ob sich Titov als Regisseur des nächsten „Rings“ qualifiziert? Interessant wäre das. Er blickt in die Seelenabgründe seiner Figuren. Iolanta kann geheilt werden, wenn sie selbst den Wunsch hat, das Licht zu erblicken. Doch sie weiß gar nicht, dass es das gibt. Denn ihr Vater René hat sie von der Welt abgeschlossen. Er wollte ihr so viel Leid ersparen. Erst Graf Vaudémont, der sich in sie verliebt, erklärt ihr, was es heißt, sehen zu können. Als sie am Ende dann tatsächlich das Licht erblickt, sieht sie auch die dunkle Seite der Welt. Die Palastmauern, die sie beschützt haben, fallen, im Hintergrund taucht eine devastierte Stadt auf. Menschen im Elend werden sichtbar. Assoziationen zu den Bildern, die uns täglich aus der Ukraine erreichen, liegen nahe.

Die Besetzung

Sonya Yoncheva stellt Iolanta mit Hingabe dar. Ihr Sopran verfügt über ein sattes Timbre, betörend intoniert sie die lyrischen Passagen, expressiv die dramatischen, am Ende aber mit einem Hang zu schrillen Tönen in den höheren Lagen. Herausragend agiert und singt Boris Pinkhasovich als Herzog Robert und trumpft mit seinem kernigen Bariton auf. Er hätte Iolanta heiraten sollen. Diese Ehe hatten die Eltern bereits beschlossen, als Robert und Iolanta noch Kinder waren. Robert hat sich aber einer anderen Frau zugewandt. Mathilde heißt diese. Köstlich, wie Titov das ins Spiel bringt. Robert schleift eine Bodybuilderin auf einem gigantischen, erlegten Stoffstier auf die Bühne. Ivo Stanchev ist ein vokal solider René. Tenor Dmytro Popov lässt als Vaudémont Glanz und Durchschlagskraft vermissen. Monika Bohinec ist eine vorzügliche Marta. Die kleinen Rollen sind gut besetzt. Maria Nazarova als Brigitta und Daria Shushkova harmonieren als Brigitta und Laura.

Wesentlichen Anteil am Erfolg dieser Produktion hat Dirigent Tugan Sokhiev. Er generiert mit dem sehr gut disponierten Orchester ein fesselndes kammermusikalisches Vorspiel, dramatische Passagen, prächtige Klangfarben und hält durchgehend die Spannung. 

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