Lena Schilling ist eines der Gesichter der Wiener Klimabewegung. Die "Lobau Bleibt"-Bewegung machte sie landesweit bekannt, ihr freiheitsliebendes Herz schlägt violett, für Meidling und ihre Katzen. Im Juni 2024 trat die Klimaaktivistin und Kolumnistin als Spitzenkandidatin für die Grünen bei der EU-Wahl an.
Steckbrief Lena Schilling
Name: Lena Schilling
Geboren: 2001 in Wien-Meidling
Ausbildung: Studium der Politikwissenschaften an der Uni Wien
Beruf: Klimaaktivistin und Autorin
Kinder: keine
Lena Schilling war in Österreich die einzige weibliche Spitzenkandidatin einer chancenreichen Partei bei der EU-Wahl. Die Grünen, die mit der Klimaaktivistin und Kolumnistin als Spitzenkandidatin in die EU-Wahl gehen, sicherten ihr volle Unterstützung des Bundesvorstands und aller Länderspitzen zu. Lena Schilling sei, wie Werner Kogler betonte, eine der wichtigsten Stimmen für Klimaschutz und Jugend. Fünf Jahre lang sei sie mit ganzem Herzen als Klimaaktivistin aktiv gewesen, nun stelle sie sich einer neuen großen Herausforderung: "Ich freue mich sehr, mich als grüne Spitzenkandidatin zu bewerben."
Der EU-Wahlkampf der Grünen wurde aber rasch von einem Skandal rund um die Spitzenkandidatin Lena Schilling überschattet. Sie war mit schweren Vorwürfen in Medienberichten konfrontiert. Ihr wurde von unterschiedlichen Personen manipulatives Verhalten und ein problematisches Verhältnis zur Wahrheit vorgeworfen. Im Interview mit News erklärte sie, warum sie ihre Chatnachrichten "nicht arg" findet, wenn man den Zusammenhang kennt, und wie sie weiterhin für "laute, goscherte" Klimapolitik kämpfen will.
Lesen Sie hier das Interview mit Lena Schilling: "Menschen machen Fehler, und da bin ich keine Ausnahme"
Eine Aktivistin wolle sie trotz Kandidatur bleiben: "Ich bin auch morgen nicht eine geschniegelte Politikerin." Es gehe nicht nur ums Klima, "meine Kandidatur ist auch eine Kampfansage gegen Rechts". Sie stehe für ein klimagerechtes Europa, in dem Frauen und Männer gleich viel verdienten und wo für Hass und Hetze kein Platz sei. Dass sie die Grünen in der Vergangenheit oft auch hart kritisiert hat, sah sie nicht als Hindernis für ihr Antreten. Vielmehr sei es ein gutes Zeichen, dass genau das möglich sei. Und: "Welche Partei steht mehr für Klimaschutz?" Dass die Grünen eigentlich zunächst die Ministerinnen Leonore Gewessler oder Alma Zadić ins Rennen schicken wollten, stört Schilling nicht. "So eitel bin ich dann doch nicht", meinte sie. Es sei eine extreme Ehre, mit 23 Jahren gefragt worden zu sein.
Aufgewachsen in Wien-Meidling
Lena Schilling wurde im Jahr 2001 in Wien-Meidling geboren. Sie ist Mitbegründerin des Jugendrats, dessen Wurzeln in der "Fridays for Future"-Bewegung liegen. Inzwischen hat sie Bagger besetzt, den Opernball gecrasht, ist in zahlreichen Talkshows aufgetreten und hat außerdem ein Buch geschrieben.
Ganz schön viel los. Kommt sie da auch mal zur Ruhe? Lena Schilling hat zwei Katzen. "Und die zwingen mich immer wieder, zwischen den ganzen politischen Sachen nach Hause zu fahren. Und das ist sehr gut", sagt sie im Gespräch mit News.at.
Links zu Lena Schilling:
Zuhause. Wo ist das für Lena Schilling?
Zuhause ist Lena Schilling im Wiener Arbeiter:innenbezirk Meidling, über den sie sagt: "Es gibt wenig andere Bezirke, in denen ich lieber wohnen würde. Hier bin ich die normale Lena. Ich kann mit Jogginghose und verkatert rausgehen, und es ist allen egal. Hier bin ich in den Kindergarten und zur Schule gegangen. Hier ist mein Kinderzimmer, mein Lieblingslokal, der Copyshop mit sehr lieben afghanischen Menschen, die alles für mich machen. Sie sind großartig. Es ist ein Arbeiterbezirk. Es gibt für mich nichts Schöneres, als am Bahnhof Meidling anzukommen. Auf Meidling muss man einfach stolz sein." Im Alter von 17 Jahren ist sie für kurze Zeit von hier weg. Mit 21 kam sie wieder und blieb.
Ausgezogen mit 17? Das spricht für einen großen Unabhängigkeitsgeist. Lena Schilling war zwölf Jahre alt, als ihre Eltern sich trennten. Sie lebte dann bei ihrer Mutter. "Das war sehr gleichberechtigt", sagt sie. "Allerdings musste ich früh Verantwortung für mein Leben übernehmen." Also ging sie mit 16 das erste Mal arbeiten. Auf eigenen Beinen stehen zu können, war ihr also schon früh wichtig: "Ich bin sehr freiheitsliebend", so Schilling.
Woher kommt Lena Schillings Freiheitsliebe?
Vielleicht vom Fußballplatz. Lena Schilling ist drei Jahre alt, da nimmt ihr Papa sie das erste Mal zu einem Fußballspiel mit ins Stadion. Der Vater ist da noch Student, "meine Eltern haben mich jung bekommen", erinnert sie sich. Mittlerweile ist er manchmal schon spießig, verrät sie: "Mein Vater sammelt West Ham Gartenzwerge". Jedenfalls ist es jener Zeit zu verdanken, dass Lena Schilling heute eine bekennende Austrianerin ist. Das erste Spiel sah sie gegen Salzburg. Acht Jahre ging es regelmäßig ins Stadion. Heute herrscht fußballtechnisch leider Durststrecke. Der politische Alltag fordert seinen Tribut. "Ich war viel zu lange nicht mehr im Stadion. Aber die Austria ist mein Geburtsrecht", so Schilling.
Was ist Lena Schillings Brotberuf?
Lena Schilling gab bis dato Tanzunterricht. Im Interview sagt sie: "Ich habe schon immer gerne getanzt, war im Alter von 14 bis 15 auch auf Meisterschaften. Mein Lebenstraum war immer, zu den Dancing Stars zu gehen. Natürlich ironisch. Jetzt bin ich sehr dankbar für diese Möglichkeit, denn der Politalltag lässt eigentlich keinen Raum für Sport". Anfang Juni 2023 startete sie außerdem als Krone-Kolumnistin.
Eine Klimaschützerin bei der Krone. Wie das?
Tatsächlich hat die Krone im Lauf ihrer Geschichte immer wieder populistisches Gespür bewiesen. Etwa als sie den Bau des Atomkraftwerks Zwentendorf ablehnte oder indem sie sich hinter die Besetzer:innen in der Hainburger Au stellte. Der Krone sagte Lena Schilling über ihre neue Kolumne: "Nur wenn wir miteinander reden und einander wieder zuhören, können wir gemeinsam unsere Gesellschaft gestalten."
Schillings Kolumne trägt den Titel "Streitbar". In der ersten Ausgabe ging es gegen die SPÖ und deren Blockade von Klimaschutzgesetzen im Nationalrat. Lena Schillings Analyse: "Damit passiert wieder einmal, was uns überhaupt so tief in die Klimakrise hineingeritten hat: Schnapsen um Wählerstimmen. Das Thema Teuerung soll das Thema Klimakrise stechen. Aber Politik ist kein Spiel, sondern entscheidet darüber, ob und wie wir leben können." Und sie stellt gleich eine ihrer wichtigsten politischen Positionierungen zur Diskussion: "Die Klimakrise trifft die Menschen mit dem geringsten Einkommen am meisten. Also die, die auch am wenigsten zu der Krise beigetragen haben. Die reichsten zehn Prozent in Österreich stoßen fast die Hälfte der Teibhausgasemissionen aus."
Ihre Arbeit für die "Krone" will die politische Quereinsteigerin mit ihrer Kandidatur für die EU-Wahl nun aber beenden.
Klassenkämpferischer Aktivismus
Spiegeln diese klassenkämpferischen Töne auch den Aktivismus von Lena Schilling wieder? Der von Lena Schilling gegründete Jugendrat ist eine "goscherte" Truppe, wie Lena Schilling sagt. Das Selbstverständnis ist klar antikapitalistisch. "Eine gerechte und soziale Welt kann nicht in einem kapitalistischen System erreicht werden", heißt es in der Selbstdarstellung. "Daher brauchen wir einen Systemwechsel." An anderer Stelle ist zu lesen: "Nur in einer Gesellschaft, in der es keine Unterdrückung gibt und die Chancengleichheit für alle herrscht, kann die Klimakrise erfolgreich überwunden werden. Denn Umwelt- und soziale Problematiken hängen immer zusammen und müssen im Gesamten betrachtet und gelöst werden."
Was hat es mit dem Buch von Lena Schilling auf sich?
Eigentlich war Lena Schilling ja ursprünglich gegen das Veröffentlichen neuer Bücher auf Papier: "Ich habe vor ein paar Jahren gesagt, die Leute sollen weniger Bücher schreiben, sondern Wälder schützen." Doch im Laufe der Zeit hat sich ihre Einstellung zu diesem Thema verändert. Der Grund seien Gespräche mit anderen Menschen gewesen, erzählt sie: "Leute fragen mich immer: Was soll ich tun? Wie kann ich was erreichen? Da habe ich beschlossen, ich schreibe ein Buch, weil ich will, dass die Leute die Welt mit mir verändern. All das, was in der Welt passiert, geht doch letztendlich von Menschen aus. Das Miteinander ist so wichtig. Das wollte ich vermitteln."
Radikale Wende: Weil wir eine Welt zu gewinnen haben
Im Werbetext für das Buch mit dem Titel: "Radikale Wende: Weil wir eine Welt zu gewinnen haben", wird denn auch ein wütender, entschlossener und optimistischer Ton angeschlagen. Dort heißt es, Lena Schilling erzähle "die Geschichte einer Selbstermächtigung der Jugend, warum Tausende Menschen politisch aktiv werden und die Praxis des Protests für eine klimagerechte Welt leben, warum und wie das politische System in unserem Land grundlegend umgebaut werden muss. Wenn Entscheidungsträger:innen 20 Jahre lang verabsäumen, Änderungen einzuleiten, während die Klimakrise voranschreitet, braucht es radikale Antworten auf Probleme, die wir als Gesellschaft an ihrer Wurzel packen müssen. Weil wir eine Welt zu gewinnen haben."
Gehen Lena Schillings Eltern auch auf Demos?
Ja. Die erste Demonstration, auf der Lena Schilling gemeinsam mit ihren Eltern war, war gegen Schwarz-Blau. Lena Schillings Mama war auch beim "Lobau Bleibt"-Camp dabei. "Meine Mama hat am ersten Tag der Besetzung am Camp übernachtet und war die Erste, die gegen das Alkoholverbot verstoßen hat", erzählt Lena Schilling, nicht ganz ohne Stolz in der Stimme. "Sie hat Journalist:innen betreut und war stabil auf der Blockade. Und sie hat sich dabei bei den Journalist:innen immer über das Rauch- und Trinkverbot aufgeregt."
Lobau: Der Kampf gegen die Stadtstraße
Apropos "Lobau Bleibt". Was bleibt von der Bewegung, jetzt wo die Bagger für die Stadtstraße rollen? "Der abgesagte Lobau-Tunnel bleibt von 'Lobau Bleibt'", ist sich Lena Schilling sicher. "Der Kampf gegen die Stadtstraße, das war der Moment, wo sich die Klimabewegung an einem lokalen Kampf verbündet hat. Alle haben an einem Strang gezogen. Wir haben die Debatte verändert. Wir haben gesagt, wenn Blödsinn passiert, setzen wir uns vor Bagger. Vor 'Lobau Bleibt' war die Klimabewegung hierzulande sehr brav. Jetzt reden wir über die Rolle von Konzernen bei der Klimakrise, über Mobilität, über die Profite, die Haselsteiner und die STRABAG mit dem Bau der Stadtstraße machen. Das ist sehr wertvoll."
Durch "Lobau Bleibt" hat es zwischen der Klimabewegung und der Wiener Stadtregierung ziemlich gerappelt. Wie ist das Verhältnis heute? "Ich hatte seit 'Lobau Bleibt' keinen Kontakt mehr zur Stadt Wien", sagt Lena Schilling zu diesem Thema. Aber eine Anekdote kann sie erzählen: "Ich war gemeinsam mit Mobilitätsstadträtin Ulli Sima auf der 40-Jahre-Global-2000-Geburtstagsfeier. Ich wollte ihr die Hand geben. Sie ist einfach kommentarlos weggegangen."
Eine große Auseinandersetzung der deutschsprachigen Klimabewegung war die Räumung der besetzten Ortschaft Lützerath im rheinischen Kohlerevier durch die Polizei, um die Ausdehnung eines Braunkohletagebaus zu ermöglichen. Tausende demonstrierten dagegen. Auch Lena Schilling war dabei. Welche Eindrücke hat sie mit nach Hause genommen? Es war zweifellos eine intensive Erfahrung.
"Das Camp in Lützerath war wahnsinnig beeindruckend. Da waren Tausende Menschen, die sich auf diesem Zeltplatz organisieren. Da war ein gemeinsames Leben. Küche für alle. Und das hat für Tausende Menschen funktioniert. Es gab viele bunte Zelte. Die ganze Zeit hat es geregnet. Um einen herum lauter vermummte Leute, mit denen man sich verbunden fühlt, weil man für eine gemeinsame Sache einsteht." Auch die Polizeigewalt während der Demonstration rund um Lützerath ist Lena Schilling im Gedächtnis geblieben. "Das sind Bilder, die ich aus Österreich so nicht kenne", sagt sie. "Eine Freundin, die ist nur 1,50 Meter groß, hat eine Faust von einem Polizisten ins Auge bekommen. Das ist eine wahnsinnige Dystopie. Diese Gewalt macht etwas mit einem."
Klimabewegung sorgt für Polarisierung
Aktivisten und Aktivistinnen der Klimabewegung sehen sich mit einer zunehmenden gesellschaftlichen Polarisierung konfrontiert. Trifft das auch Lena Schilling? Ja. "Die Anzahl gegen mich, und gegen uns, als Klima-Aktivist:innen, ist wahnsinnig gestiegen. Es gibt Gewaltdrohungen, Morddrohungen, es ist alles dabei", erzählt sie. "Ich frage mich schon, was findet da statt? FPÖ und ÖVP haben durch ihre Politik und ihre Polemik gegen Klima-Aktivist:innen eine Atmosphäre geschaffen, in der Menschen ermuntert werden, gewaltsam zu werden."
Lena Schillings politische Klima-Forderungen in ihren eigenen Worten:
Eine Mobilitätswende, runter mit Autos, bessere Raumplanung.
Energiewende, raus aus fossilen Brennstoffen: ein Energiesystem, das nicht auf Diktaturen beruht.
Die Klimafrage ist eine Frage gesellschaftlicher Macht. Wir brauchen eine umfassende Demokratisierung der Gesellschaft.
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