Für die einen ist die Kärntner Künstlerin Kiki Kogelnik eine Ikone der Pop-Art, für die anderen die Schöpferin schöner Glasköpfe und Wegbereiterin einer weiblichen Kunst. Das Kunstforum der Bank Austria würdigt sie mit einer Großausstellung (ab 2.2 2023).
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Als Andy Warhol 1964 die Arbeiten der jungen Österreicherin Kiki Kogelnik kommentieren sollte, tat er das mit einem einzigen Wort: "great". Das habe er allerdings in 25-facher Ausführung aufgeschrieben, berichtete Stephen Hepworth, Direktor der New Yorker Kiki Kogelnik Foundation, anlässlich einer Ausstellung in Wales 2020.
Heute verbinden viele mit dem Namen der 1997 in Wien verstorbenen Künstlerin vor allem ovale, ausgefranste Köpfe aus Murano-Glas, die posthum noch jahrelang produziert wurden, wahrscheinlich sogar immer noch hergestellt werden. Für andere ist sie die Pionierin weiblicher Pop-Art. Mit keiner dieser Zuschreibungen werde man der Künstlerin indes gerecht, konstatiert die Direktorin des Kunstforums der Bank Austria, Ingried Brugger. "Man reduziert Kiki Kogelnik immer nur auf dieselben Arbeiten."
Wie umfassend und vielfältig dieses Werk tatsächlich ist, zeigt ab 2. Februar 2023 die Ausstellung "Kiki Kogelnik -Now Is the Time". Die 180 Arbeiten, Gemälde, Skulpturen und Objekte, werden danach im Kunsthaus Zürich und im Kunstmuseum Brandts in Odense, Dänemark, gezeigt.
Kiki Kogelnik: Fokus auf weibliche Kunst
Warum jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Würdigung dieser Künstlerin ist? "Weil man jetzt die Chance hat, eine große Künstlerin zu entdecken, die man in Wirklichkeit nur unter einem Aspekt gesehen hat, und zwar auf ihrem Weg, sich als Frau durchzusetzen", erklärt Brugger.
"Noch dominieren am Markt Männer", setzt die Direktorin fort, "aber die Zeit ist im Begriff, das zu revidieren. Das geht nicht von heute auf morgen, es wird noch Jahre dauern, bis sich das ändert. Aber es ist auf dem Weg."
Kogelnik bei der Biennale
Die Biennale in Venedig verlegte im Vorjahr ihren Schwerpunkt auf weibliche Kunst und präsentierte in der Hauptausstellung "The Milk of Dreams" auch Arbeiten Kiki Kogelniks aus den 1960er-Jahren. Die Biennale habe damit gezeigt, dass es tolle Künstlerinnen gibt, sagt Brugger. "Das war notwendig und wichtig wie in anderen Bereichen auch. Aber ich weiß nicht, ob es hundertprozentig produktiv war. Man kann doch jetzt aufhören, Kunst von Frauen explizit unter diesem Aspekt zu betrachten." Denn: Kogelniks Kunst ständig unter diesem einen Aspekt zu betrachten, greife zu kurz.
Kiki Kogelnik: Kindheit und Elternhaus
1935 als Sigrid Kogelnik in Graz geboren, wuchs sie mit ihren beiden Brüdern in der Kärntner Kleinstadt Bleiburg auf. Der Vater war im Verlagswesen tätig, die Mutter Lehrerin. Der Künstlervorname Kiki ist ein Produkt der Kindertage, der große Bruder nannte die Schwester so. Die Mutter unterstützte die künstlerischen Ambitionen der Tochter, die nach der Matura an der Angewandten in Wien beim Bildhauer Hans Knesl und bei den Malern Albert Paris Gütersloh und Herbert Boeckl studierte.
Wiener Gruppe
Die Kunst-Avantgarde dominierte damals die Wiener Gruppe um H.C. Artmann und Oswald Wiener. Kiki Kogelnik hatte es nicht leicht, sich gegen den Männerbund durchzusetzen. "Sie kam in das Platzhirschentum der Wiener Gruppe, für die Frauen allerhöchstens Gefährtinnen gewesen sind, auch wenn sie Künstlerinnen waren", beschreibt Ingried Brugger. "Sie wurde als bunt und lustig abgetan, aber man hat nie anerkannt, dass sie Kunst produziert, die so ganz anders ist als die österreichische. Dass sie internationale Kunst produziert."
1958 finanziert Kiki Kogelnik mit einem Stipendium ihre Reise durch die Kunststädte Europas, Rom, Paris, London, Dublin bis nach Norwegen. In Paris lernt sie den Künstler Sam Francis kennen, der ihr in New York ein Atelier zur Verfügung stellt.
Erste Ausstellung und Freundschaft mit Andy Warhol
1961 widmet ihr die Galerie nächst St. Stephan in Wien die erste Einzelausstellung. Ein Jahr danach zieht Kogelnik nach New York um, richtet wenige Häuserblocks vom legendären Chelsea Hotel entfernt ihr Atelier ein und zählt bald zum Freundeskreis von Andy Warhol. Die Pop-Art-Künstler nehmen sie in ihren Kreis auf. Claes Oldenburg nennt sie wegen ihrer extravaganten Bekleidung ein "wandelndes Kunstwerk", der Komponist Morton Feldman "eine Love Goddess of Pop-Art". Aber Kiki Kogelnik wollte all das nie sein, wollte sich nicht kategorisieren, nicht vereinnahmen lassen. Sie ging ihren eigenen Weg, fand eigene Mittel des künstlerischen Ausdrucks.
Kiki Kogelnik: Ihre Kunst
Anders als Warhol ist Kiki Kogelnik nicht an Konsumgütern wie Heinz-Tomatensuppe oder Coca-Cola interessiert, sondern an Technik und Raketen. Wie sie in einem Interview 1966 erklärt, lasse sich das als künstlerische Distanzierung von Warhol und seinen Boys verstehen: "Mir bedeutet Coca-Cola nichts Mich interessiert die technische Schönheit von Raketen, Menschen, die ins All fliegen, und Menschen, die zu Robotern werden. Wenn man aus Europa kommt, ist das alles so faszinierend wie ein Traum von unserer Zeit. Die neuen Ideen sind hier, das Material ist hier, warum soll man es nicht verwenden?"
Das setzt sie konsequent um. Mit authentischem Material baut sie die Gestalt von Bomben nach, setzt sie als Kunstwerke zum Protest gegen den Krieg in Vietnam ein.
Als der ORF 1969 stundenlang von der Landung der Apollo 1 und Neil Armstrongs ersten Schritten auf dem Mond berichtete, lud Kogelnik zu einer Performance in die Galerie nächst St. Stephan. Parallel zum Geschehen im All betrieb sie ihr eigenes "Moonhappening" und fertigte 500 Siebdrucke zu diesem Ereignis.
In dieser Phase der "Space-Art" beschäftigt sich Kogelnik auch mit dem Phänomen der Roboter. Schablonenhafte Figuren, für die sie medizinische Stempel einsetzt, zeigt sie als gemalte Cyborgs. Später, in den 1970er-Jahren, wird die Schere für sie zum immer wichtigeren Werkzeug. Kogelnik fertigt "Cuttings" an: Freunde und Kollegen wie Claes Oldenburg und Roy Lichtenstein drapiert sie auf einem großen Stück Packpapier, zeichnet deren Umrisse nach und schneidet diese aus. Damit verfügte sie über die Formen der Körper, die sie auf ihren Bildern und für ihre "Hangings" verwendete. Das sind aus buntem Kunststoff ausgeschnittene Figuren, die sie auf Kleiderbügeln und einer Handgarderobe aufhängt.
Im Katalog zur Ausstellung schreibt Ingried Brugger: "Mit explosiver Lust und Kreativität verleiht Kiki Kogelnik der Botschaft von Freiheit und Gleichheit Ausdruck: für Frauen und Männer, für Menschen und Maschinen."
Ausstellung im Kunstforum
Die Kunstwerke, die demnächst im Kunstforum zu sehen sind, zeigen Kiki Kogelniks Schaffen in all seiner betörenden Vielfalt. Großformatige Gemälde zeigen Porträts von stolzen, tanzenden, schwebenden Frauenfiguren. Ein idealer Ort fürs Fotoshooting. Das Gespräch wendet sich den praktischen Dingen zu, den Besucherzahlen. Hat sich ihr Haus von den langen Schließzeiten während der Lockdowns erholt? Da hat die Direktorin Beruhigendes mitzuteilen: mehr als 100.000 Besucher alleine für die Ausstellung des Fotokünstlers Helmut Newton. Noch heute zeigt sich die Direktorin von den Tränen einer Besucherin bewegt, die nach einem Lockdown endlich wieder Kunst im Museum erleben konnte und vor den leeren Landschaften Gerhard Richters stand. "Da sieht man, was Kunst bewirken kann." Richter habe dem Haus zudem sehr geholfen und eine Reihe von Drucken zum Verkauf gespendet, was eine beträchtliche Summe eingebracht habe.
Culture Cancelling
Im nächsten Jahr soll hier Paul Gauguin ausgestellt werden. Das klingt nach einem nächsten Blockbuster. Aber bei Weitem genüge es nicht mehr, große Namen zu rekrutieren und deren Schaffen an die Wand zu hängen. Das sei vorbei. "Es geht darum, mit Kunst mehr zu zeigen, Hintergründe aufzuzeigen."
In Kanada und in den USA sei gerade eine Diskussion über den "alten weißen Mann" Gauguin entstanden. Der französische Wegbereiter des Expressionismus sei derzeit in den USA und in Kanada verpönt, weil er eine Verbindung mit einer 13-Jährigen einging und mit ihr ein Kind zeugte. "Man muss sich vorstellen, was man da cancelt, einen der größten Maler des 20. Jahrhunderts, einen der Väter der Moderne", kommentiert Brugger den woken Stumpfsinn. "Es geht mir nichts mehr auf die Nerven, als eine falsch verstandene #Metoo-Debatte oder dieses ständige Culture Cancelling."
Womit das Gespräch bei aktuellen Zensurversuchen gegen russische Kultur eingetroffen ist. Sie selbst, sagt die Direktorin, sei derzeit mit ihrem Haus nicht direkt betroffen, weil sie keine einschlägigen Ausstellungen geplant habe. "Aber russische Kunst zu verbieten, das ist der Gipfel der Lächerlichkeit. Wenn sich ein Künstler mit einem Aggressor arrangiert, dann sollte man allerdings überlegen, ob man den engagiert. Ich weiß nicht, ob in England ein Freund von Adolf Hitler dirigiert hätte. Dass man die russische Kultur unter Quarantäne stellt, ist dennoch eine große Dummheit. Russland ist Europa und war immer an Europa orientiert und vice versa. Selbst in der Stalin-Zeit war das so. Da ist für lange Zeit Pause. Aber", fügt Ingried Brugger hinzu, "Krieg ist immer eine Sondersituation, man kann nur hoffen, dass sie nicht lang dauert."
Ob sie sich vorstellen könne, an ein anderes Haus zu wechseln? Womöglich in die Albertina, die Klaus Albrecht Schröder Ende 2024 verlässt? Auch der Vertrag von Sabine Haag im Kunsthistorischen Museum läuft dieses Jahr aus. Beides, sagt Ingried Brugger, sei für sie kein Thema. "Man hat mich wieder für vier Jahre verlängert. Ich bin dem Kunstforum verbunden, ich bin froh, dass ich das Kunstforum führen kann, wo ich es hingeführt habe."
Das kann man bestätigen.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 4/2023.