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Premiere bei Johann Strauss 2025: Versuchsstation „Zigeunerbaron“

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Roland Schimmelpfennigs schlüssige Überschreibung der Strauß-Operette in einer musikalischen Dekonstruktion der Musicabanda Franui im Museumsquartier.

Dass viele heute eine der besten Operetten von Johann Strauß nicht mehr unter ihrem Originaltitel „Der Zigeunerbaron“ aufführen wollen, mag jeder sehen, wie er will. Roland Geyer, Intendant des Strauß-Jahres, beauftragte einen der meistgespielten deutschen Dramatiker, Roland Schimmelpfennig, mit einer Neudeutung. Eine gute Wahl, wie die Premiere in der Halle E im Museumsquartier jedoch bedauerlicherweise nur erahnen ließ.

Denn Schimmelpfennig machte genau das Richtige. Er übertitelte die Geschichte über Ausgestoßene, Verlorene, die durch Kriegswirren alles verloren haben, als „Lied vom Rand der Welt – ,Zigeunerbaron‘“. Die Texte der Arien belässt er wie im Original, entfernt das „Z-Wort“, zeigt jene Menschen, die von der Gesellschaft verachtet wurden und noch immer werden, als nomadische Stahlarbeiter und lässt in seinem Text jeder einzelne Figur genug Raum, ihr eigenes Elend zu präsentieren.

Regisseur Nurad David Calis zeigt ein Mixtum aus realen Menschen und mystischen Wesen. So sind die Stahlarbeiter anonymisierte Gestalten, die vermummt in phantasievollen Kostümen durchs Geschehen leiden. Saffi, eine türkische Prinzessin, hält sich selbst für eine solche Nomadin, denn sie wird von Czipra, bei Schimmelpfennig, einer undefinierbaren Camperin, großgezogen. Barinkay, der Sohn der ehemaligen Besitzer, die im Krieg alles aufgeben mussten, kehrt als Staatenloser auf das Gut seiner Eltern in einem Sumpfland zurück. Dort herrscht der Schweinezüchter Zsupán, der auf seinem Schlachthof, samt Fleischhauerei Menschen und Schweine ausbeutet.

Das klingt alles logisch. Calis lässt sein Personal auf einer Drehbühne (Anne Ehrlich) agieren. Das Szenario changiert zwischen einem wilden Campingplatz, einer Fleischhauerei und einer Garage, wo Zsupáns Mercedes parkt. Sehr gut, Schimmelpfennigs Wortspielereien mit dem Namen der Automarke.  Der Tiefsinn seines Texts schimmert in der Aufführung jedoch nur höchst selten durch. Etwa in der Szene, wo Homonay auftritt und Soldaten für den Krieg anheuert, drängen sich Gedanken an die Aufrüstungseuphorie in Europa auf. Von dieser Brisanz haben aber nicht mehr etwas mitbekommen, denn einige Besucher haben bereits in der Pause die Vorstellung verlassen.

Die Musik

Dass diese Geschichte sich hier nicht entfalten kann, liegt an der musikalischen Überschreibung. In diesem Fall sollte man besser von Dekonstruktion sprechen. Im Interview mit News erklärte Andrea Schett, Leiter von Franui sein Vorhaben. „Der Staub ist weg, der Brokat ist weg und trotzdem bleibt es in all seiner musikalischen Größe“. Was heißt Staub? Was Brokat? Das muss man mögen.

Schett führt mit Beton auf. Von der Leichtigkeit, der Ambiguität, der immer wieder mitschwingenden Melancholie der Strauß’schen Klänge ist nichts zu spüren. Die Ouvertüre ist gestrichen, die großen Gesangsnummern sind meist zerhackt. Versatzstücke von einer Art Pseudo-Klezmer und Elemente von Brahms drücken wie ein zentnerschwerer Belag auf den Gesang. Dazu kommt noch, dass das Ensemble aus Bläsern, bei denen die Tuba sehr oft über Gebühr laut wird, verstärkt wird. Der Klang der Streicher geht weitgehend unter. Das Sängerensemble auf der Bühne hat es sehr schwer sich trotz Mikroports da durchzusetzen.

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 © Victoria Nazarova

Die Besetzung

Nadja Mchantaf versucht als Saffi, mit Outrieren gegen das Orchester anzutreten. Ob es an der Tonanlage liegt, dass man ihre gesprochenen Passagen nur schwer versteht, werden die Folgeaufführungen zeigen. David Kerber muss den Barinkay als eine Art Kunstfigur zunächst schematisch darstellen. Seine Glanznummer „Ja, alles auf Ehr! … ist nicht schwer“ darf er nur fragmentarisch vortragen. Helene Schneidermann ist eine wortdeutliche Cziffra und kann sich im Geschehen gut durchsetzen. Miriam Kutrowatz intoniert die Partie von Zsupáns Tochter Arsena betörend schön. Sie ist nicht nur der vokale Lichtblick dieser Aufführung.

Tobias Moretti spielt sich im Laufe des Geschehens als Zsupán ins Kraftzentrum. Auch er hat es nicht leicht, wenn er mit Brille und Anzug den zwielichtigen Fleischer darstellen muss. „Das Schreiben und das Lesen“ intoniert er mit einem gewissen Understatement sehr zurückhaltend, demonstriert aber dann seine darstellerischen Qualitäten. Miriam Maertens ergänzt sehr gut als Mirabella. Paul Schweinester lässt als Ottokar erahnen, was er stimmlich unter besseren Bedingungen draufhätte. Otto Katzameier demonstriert als Graf Homonay, der Soldaten für den Krieg anheuert, dass er ein echter Profi seines Fachs ist. Samouil Stoyanov rackert sich als Carnero ab.

Das Publikum reagierte, von einem Buhruf ausgenommen, mit höflichem Applaus.

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Theater- und Opernkritiken

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