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Jeanne Drach: Geschichtenerzählen ist ihr Beruf

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Jeanne Drach

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Binnen fünf Jahren hat Jeanne Drach ein Unternehmen geschaffen, das die Podcast-Branche prägt und in die Zukunft denkt. Am Anfang stand eine Job-Absage. Derartiges konnte schon Großvater Albert Drach nicht am Weitermachen hindern.

Steckbrief Jeanne Drach

  • bürgerlicher Name: Jeanne Nickels

  • Künstlername: Jeanne Drach

  • Geboren am:17. August 1986 in Wien

  • Sternzeichen: Krebs

  • Beruf: Podcasterin und Gründerin des Podcast-Unternehmens "Oh Wow", Künstlerin und Sängerin der Band "Kids N Cats"

  • Familienstand: ledig

  • Kinder: keine

Den pinkfarbenen Dekorations-Tüll vom Agenturfest am Vorabend wird Jeanne Drach beim Fotoshooting spontan um ihre Schultern schlingen. Noch verhüllt er das Fenster neben der Podcast-Philosophin, da formuliert sie diesen Vergleich. Sie sitzt auf dem senfgelben Sofa ihrer französischen Oma und versucht, ihren Weg zum Erfolg zu beschreiben: "Es ist ein bisschen wie bei Pippi Langstrumpf."

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WHAT'S NEXT? Jeanne Drach am Tag nach dem 5-Jahres-Fest ihres Unternehmens "Oh Wow"

 © News/Matt Observe

Binnen fünf Jahren hat Jeanne Drach das Podcast-Unternehmen "Oh Wow" großgemacht. Neben eigenen Formaten erzeugt sie für Kunden wie die Post, Münze Österreich oder das Europäische Parlament kreative Geschichten, die ins Ohr gehen. Sie brauchte dafür keine Sprechausbildung oder einschlägiges Know-how. Ihr Weg hat begonnen, als das Leben ihr durch eine Absage die Karriere beim Radio verwehrt hat. Es war im Jahr 2017, als Podcasts in Österreich noch Neuland waren und Drach selbst auf die Beine stellte, was sonst nicht gelingen wollte.

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 © News/Matt Observe

Die Idee: Tolle Frauen als Vorbilder

Mit ihrem Handy bat sie ihren ersten Podcast- Gast im Kaffeehaus zum Gespräch und biegt sich heute lachend und verwundert über den eigenen Mut: "Der Schnitt war eine Herausforderung, weil ich nicht an die Nebengeräusche gedacht habe, die man hört. Ich hatte auch keine Ahnung von Gesprächsführung oder Erfahrung mit Interviews. Ich habe es einfach gemacht."

In der Kreativzentrale von Drachs Unternehmen nahe dem Stadtpark hängen Vulva-Bilder der Künstlerin Daliah Spiegel -sie ist Drachs beste Freundin -über dem Sofa der Oma aus Paris. Auch Spiegel war schon im Podcast zu Gast. Die erste Gesprächspartnerin der Reihe namens "Jeannes Heldinnen", die 2017 startete, war Parvin Razavi vom Restaurant Und Flora im Hotel Gilbert, nunmehr als eine der besten Köchinnen des Landes ausgezeichnet. "Mir haben damals Frauen als Vorbilder gefehlt. Tolle Frauen, die ich brauche, um mir den Alltag zu erleichtern. Vorbilder machen so viel aus", beschreibt Drach ihre Podcast-Idee, mit der alles begonnen hat.

Die Kindheit: immer wieder neu

Im Neu-Anfangen war Jeanne Drach geübt. Als Tochter eines UNO-Mitarbeiters aus Frankreich ist sie in Wien, Algerien, New York und Senegal aufgewachsen, begleitet nebst der Familie nur durch die Konstante des Schulbetriebs in den jeweiligen französischen Schulen. Schnell hat sie gelernt, sich in neuen Ländern jeweils ein gemütliches Zimmer zu gestalten. Ihr Händchen für Dekoration zeugt davon.

"Das Schönste war unterschiedliche Kulturen kennengelernt zu haben und auch die eigene Kultur zu hinterfragen. Das betrifft auch die Frage nach der eigenen Identität", sagt Drach über das Aufwachsen rund um die Welt.

In New York sei es hart gewesen, sagt sie, aber das verrät sie nur auf Nachfragen. Zwischen gestylten, geschminkten Zwölfjährigen sei sie mit einem vergleichsweise kindlichen Wesen angeeckt und Außenseiterin geblieben. Es ist ihrem unbezähmbaren Optimismus geschuldet, dass Drach diese herausfordernde Erfahrung nie an erste Stelle reihen würde.

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 © News/Matt Observe

Die Strategie: alles schaffen wollen

Ihre Hands-on-Mentalität mag den Neuanfängen geschuldet sein. "Ich schmeiß' mich einfach in Dinge rein. Und dann bin ich total megaloman und will alles schaffen. Die Realität zu verdauen, ist manchmal schwierig", beschreibt sie ihre Erfolgs-Strategie. Sieben Jahre lang verdingte sie sich nach der Matura beim Karin Schäfer Figuren Theater, zuerst als Praktikantin, zuletzt als Puppenspielerin auf Tourneen rund um die Welt. Dann zog es sie auf die eigene Bühne: "Ich bin eigentlich lieber auf der Bühne, als dahinter." Mit ihrer Elektronik-Popband Kids N Cats wollte sie berühmt werden. "Das hat nicht geklappt", wischt sie zwei Jahre Tournee durch unzählige Länder vom Tisch, als wäre es nichts. Dann eben Podcasten.

Die Philosophie: Optimismus

Feministischer Optimismus ist der Begriff, mit dem Drach die Stoßrichtung ihrer Idee überschreibt. Im Podcast "Jeannes Heldinnen", dessen Erfolg 2019 in der Firmengründung ihres Unternehmens "Oh Wow" mündete, ging es darum, "den Zusammenhalt zwischen Frauen zu fördern und auch, dass wir milde miteinander und zu uns selbst sind". Drach: "Alle Gesichter des Feminismus sind wichtig. Wir sollten nicht dessen unterschiedliche Facetten gegeneinander ausspielen. Ich möchte nach Gemeinsamkeiten suchen, statt ständig auf Fehler zu schauen." Weitere Podcast-Protagonistinnen fand die Unternehmerin in Finanzexpertin Larissa Kravitz. Mit ihr produziert sie seit fünf Jahren den Podcast "Investorella". Im Jahr 2020 kam Philosophin Lisz Hirn mit ihrer Reihe "Philosophieren mit Hirn" zum Portfolio sowie im selben Jahr der Sexpodcast "Lvstprinzip" mit der systemischen Sexualberaterin Theresa Lachner.

Es war ein organisches Wachstum - ohne Investoren - zum Full-Service-Unternehmen mit Corporate Kunden, mit fünf Angestellten und Freelancern. Neben Gründerin Drach fungiert ihr Freund Milo Tesselaar als Co-Owner. Der Unternehmer, der schon strategischer Kampagnenleiter von Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss und der Liste Pilz war, entwickelt Projekte und die strategische Ausrichtung der Firma.

"Wenn mein Bauchgefühl nicht stimmt, kann ich seinen Rat trotzdem nicht nehmen, auch wenn ich zwei Jahre später draufkommen sollte, dass es gepasst hätte", beschreibt Drach das Leben der beiden Workaholics.

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ON THE JOB. Jeanne Drach, Chief Voice und Gründerin von "Oh Wow", im Podcaststudio nahe dem Stadtpark

 © News/Matt Observe

Die Familie: nach vorne drängend

Die 37-Jährige baut auf die Erfahrungen ihrer weiblichen Vorbilder, Mutter Jenny Nickels- Drach und Großmutter Gertrude Drach. "Darf ich das? Kann ich das? Mag ich. Mach ich", ist Drachs Lebensmotto, das sie der Mutter verdankt, wie sie sagt. Jenny Nickels-Drach hatte frisch die Schule abgeschlossen, als sie als Au Pair nach Frankreich ging, ohne ein Wort Französisch zu sprechen. - Auch, um dem strengen Elternhaus zu entfliehen, sagt die Tochter.

Ich habe einen starken Sinn für Gerechtigkeit, möglicherweise familiär bedingt

Der Großvater, Schriftsteller Albert Drach, der sich selbst gegenüber seiner Biografin als "wütenden Weisen" bezeichnete, war mehr als präsent. Der Schöpfer literarischer Juwele ("Untersuchung an Mädeln"), der 1993 für den Literaturnobelpreis nominiert war, feierte erst im Alter von 62 Jahren seinen Durchbruch mit "Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum". Ein viel zu später Erfolg für ihn, dessen Kränkung im Drach-Hof, wo Jeanne Drach aufwuchs, spürbar war. "Ich war neun Jahre alt, als er gestorben ist, ein Kind, seine Präsenz war enorm. Ich habe einen starken Sinn für Gerechtigkeit, möglicherweise familiär bedingt."

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WE ARE FAMILY. Jeanne Drach (oben Mitte) beim 5-Jahre-Fest mit ihrem Team (v. li. oben): Catharina Ballan, Anna Muhr, Nina Schaefer, Jenny Nickels-Drach, Iris Böhm, King Kong (aka NeffeTheodore), (v. li. unten): Hanna Bergmayr, Livia Heisz, Jana Wiese, Milo Tesselaar

 © Minitta Kandlbauer

Das Motto: Mut machend

Mit Großmutter Gertrude Drach, die nicht nur als Sängerin auf der Bühne stand , sondern auch die Frau hinter dem Schriftsteller war und seine Manuskripte tippte, verbindet Jeanne, wie sie sagt, eine Liebe zum Streit. "Ich will mich nicht bevormunden lassen", gibt die Großmutter im Podcast eine kampflustige Parole aus. Von Mutter Nickels-Drach kommen Fantasie und Freiheit. "Jemand, der keine Träume hat, kann nichts verwirklichen", sagt sie.

Tochter Jeanne Drach ist mit diesen Erkenntnissen weitergezogen. Zum 5-Jahres-Jubiläum schenkte sie "Oh Wow" den neuen Podcast "Jeannes Varieté", der dem jüngsten Trend der Branche huldigt und mit Sounds, Atmosphäre und überraschenden Themen experimentiert.

Die Zukunft: kunterbunt

"Podcasts stecken noch immer in den Kinderschuhen", ist Drach sicher. Den nächsten Wachstumsschub sieht sie im Bereich des aufwendigen Storytellings, gescriptete Podcasts mit Soundkulissen, O-Tönen und Musik. "Sehr aufwendig, was Budget und Zeit betrifft. Großartig anzuhören", schwärmt sie. Zuletzt faszinierte sie die Hörspielserie "Expectant" zur Frage der Familiengründung während der Klimakrise. An Gesprächspodcasts liebt sie die echten Momente, auch die Leisen.

Als Learning aus fünf Jahren Unternehmertum beschreibt Drach die Erkenntnis, nicht nur eine gute Unternehmerin und Chefin, sondern auch gut zu sich selbst sein zu wollen. "Loslassen schafft Ressourcen für Kreativität. Auf meine Grenzen zu schauen, ist das größte Learning. Das bringt Leichtigkeit. Eine Zeitlang dachte ich, ich muss im Sakko zu Business-Meetings!"

Der Tüll und das Oma-Sofa passen freilich besser, wäre auch Astrid Lindgren einverstanden.

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Jeanne Drach mit News-Redakteurin Lisa Ulrich-Gödel

 © News/Matt Observe

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 9/2024.

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