Jacinda Ardern wurde mit 37 Jahren Premierministerin von Neuseeland und 2020 mit großem Erfolg wiedergewählt. Nun, im Jänner 2023, gab sie überraschend ihren Rücktritt bekannt. Dabei machte die progressive Politikerin in ihrer Karriere vieles anders als die meisten PolitikerInnen; sie blieb nicht nur menschlich und empathisch, sondern nutzte diese Eigenschaften auch als Schlüssel zum Erfolg. Und auch mit ihrem Rücktritt setzte sie erneut ein positives Beispiel.
Jacinda Ardern: Vom Aufstieg bis zum Rücktritt
Ein Job in einem Fischimbiss. Das ist die einzige Arbeit, die Jacinda Ardern jemals abseits der Politik hatte. Schon früh steigt die Tochter von Mormonen, der Vater Polizist, in die Politik ein, mit 17 wird sie Mitglied der Labour-Partei. Mitgegeben wird ihr vom Elternhaus ein starkes Wertesystem, das auf Fairness basiert. Gerade darum sagt sie sich auch von der durchaus prägenden Religion der Eltern los, da sie mit der Haltung dieser gegenüber Homosexuellen nicht einverstanden ist.
In der Politik arbeitet Ardern etwa für die neuseeländische Premierministerin Helen Clark sowie in London für den ehemaligen Premier Tony Blair bevor sie 2008 selbst ins neuseeländische Repräsentantenhaus einzieht. Dass sie neun Jahre später, 2017, Premierministerin wird, ist eher ein Zufall: Im Sommer vor den Wahlen liegt ihre Partei weit abgeschlagen hinter den Konservativen und Labour-Parteichef Andrew Little wirft das Handtuch. Ardern übernimmt knapp vor der Wahl den aussichtslos scheinenden Kampf. Und Neuseeland begeistert sich für die junge Frau, die so gar nicht wirkt wie eine Politikerin. Zeitungen rufen die "Jacindamania" aus und Ardern wird mit Justin Trudeau oder Emmanuel Macron verglichen.
Premierministerin
Im Endeffekt werden die Sozialdemokraten trotzdem Zweite, doch durch eine Eigenheit des Wahlsystems wird eine Kleinpartei zum Zünglein an der Waage und wählt überraschend die Labour-Partei zum Koalitionspartner – und Arden damit zur Premierministerin. "Wir mussten uns zwischen einem Status quo oder einem Wandel entscheiden", erklärt der Parteichef der populistische Kleinpartei "New Zealand First" die Entscheidung.
Und Ardern steht definitiv für eine moderne progressive Politik, setzt sich für Klimaschutz ein oder ein Steuersystem zugunsten von Familien.
Auf die Frage nach ihrem Kinderwunsch bei ihrem Amtsantritt kontert sie, dass es nicht akzeptabel sei, Frauen im Zusammenhang mit ihrem Arbeitsplatz danach zu fragen. Es folgt eine breite Diskussion und die Mehrheit gibt Arden Recht. Als sie 2018 Mutter wird, ist sie die erst zweite gewählte Regierungschefin eines Landes, die im Amt ein Kind bekommt.
2020 wird Ardern trotz schlimmen Krisen in ihren ersten drei Jahren ihrer Amtszeit (Vulkanausbruch, Terroranschlag, Corona) bzw. gerade wegen der erfolgreichen Bewältigung dieser mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt.
Rücktritt
2023 gibt Jacinda Ardern im Jänner überraschend ihren Rücktritt bekannt. "Für mich ist es Zeit" sagte sie bei einer Veranstaltung ihrer Partei. Mit 7. Februar 2023 will sie ihr Amt übergeben. Als Grund für ihren Rücktritt sagte sie, dass sie nicht mehr genug Kraft habe. Im Oktober 2023 stehen in Neuseeland Parlamentswahlen an. Bei ihrer Rede kämpfte Ardern sichtlich mit den Tränen. Sie meinte, sie glaube, dass es andere besser machen können. Außerdem habe sie ihrer Tochter (4) versprochen, bei deren Einschulung dabei zu sein. Mit ihrem Rücktritt wolle sie auch ein Vorbild sein dafür, zu wissen, wann es Zeit ist, zu gehen.
Jacinda Arderns Meilensteine zum Erfolg
2017
Ardern wird neue Vorsitzende der Labour-Partei und fährt gleich darauf einen völlig überraschenden Wahlsieg aus der Opposition heraus ein – und wird mit nur 37 Premierministerin.
2019
Ein Terroranschlag in Christchurch erschüttert Neuseeland. Ardern brilliert als Krisenmanagerin, trifft den richtigen Ton und findet damit weltweit Anerkennung und Lob. Das „Time“-Magazin hebt sie als Lichtgestalt auf die Titelseite.
2020
Die Corona-Pandemie trifft die Welt. Ardern agiert schnell und führt Neuseeland gut durch die Krise. Zudem stellt sich Ardern gegen die Spaltung, die die Pandemie in der Gesellschaft vorantreibt, ruft stets zur „Freundlichkeit“ auf und appelliert an den Zusammenhalt. Die Begeisterung der Neuseeländer schlägt sich bei der Wahl im Oktober in Form einer absoluten Mehrheit (die erste seit Jahrzehnten) nieder.
2023
Wenige Monate nach ihrem Rücktritt wird Jacinda Ardern im Juni 2023 von König Charles III. in den persönlichen Adelsstand erhoben und mit dem Titel "Dame Grand Companion" ausgezeichnet. Es handelt sich dabei um eine der höchsten Ehrungen des Commonwealth. Ardern gibt an, sie sei zunächst "zwiegespalten" gewesen, nahm die Ehrung letztlich aber an, denn es sei eine schöne Möglichkeit, ihrer Familie, ihren Kolleg:innen, sowie ihren Unterstützer:innen Danke zu sagen.
Was Jacinda Ardern auszeichnet
Was so vielen Politikern der Welt zu fehlen scheint, sie hat es: Jacinda Ardern demonstriert nicht Stärke, sondern zeigt Mitgefühl.
In Krisen ist sie einfühlsam, findet die richtigen Worte, trifft den richtigen Ton.
Etwa als sie nach dem Attentat von Christchurch, bei dem ein islamfeindlicher Rechtsterrorist 51 Menschen tötet, Muslime umarmt, mit Hinterbliebenen spricht und mit Kopftuch Reden hält. Und: Die richtigen Worte findet; Mit Blick auf die 40.000 Muslime im Land prägt sie den titelgebenden Satz “They are us” und schafft so Solidarität statt Spaltung. Dem rechtsextremen Attentäter verweigert sie zudem das Rampenlicht, indem sie kein einziges Mal seinen Namen ausspricht.
Auch als die Corona-Pandemie die Welt und auch Neuseeland trifft, setzt Ardern auf Solidarität und Kollaboration ihres "Fünf-Millionen-Teams", wie sie das Volk gern nennt. "Seid stark, seid freundlich", lautete ihr Schlagwort im Kampf gegen das Virus.
Arderns Stil sind also vielmehr Mitgefühl und Freundlichkeit sowie eine positive Sicht auf die Welt, statt Galle. Etwas, das in Zeiten des Populismus und wachsendem Extremismus besonders hervorsticht.
Ihre Superpower: Zuhören
Eine effektive Führungskraft zu sein, bedeutet nicht, sofort alle Antworten parat zu haben. Ein Fehler, den viele Führungskräfte machen, indem sie in schwierigen Zeiten vielmehr darauf setzen, ihre Meinungen zu äußern, denn sie zu suchen.
Nicht so Ardern, die Zuhören als wertvolles Gut erkannt hat. Sie hört sich gerne viele verschiedene Meinungen und Expertisen zu einem Thema an, um sie dann in Entscheidungen einfließen zu lassen.
So etwa lädt sie regelmäßig zu Facebook-Live-Sessions ein, um BürgerInnen die Möglichkeit zu geben, mit ihr zu sprechen, ihre Meinungen kund zu tun. Dabei sitzt das Staatsoberhaupt ganz gemütlich in legerer Kleidung zuhause auf der Couch und schafft so eine ungezwungene Atmosphäre, in der sie einerseits zuhört und Informationen aufnimmt, aber im Gegenzug auch etwa harte Botschaften - stets mit Rücksicht und Empathie - auf geschicktem Weg überbringt.
Was man von Jacinda Ardern lernen kann
Richtige Kommunikation: Wählen Sie Ihre Sprache sorgfältig.
Worte sind genauso wichtig wie Handlungen und Kommunikation ist definitiv ein Schlüssel zum Erfolg. Das hat Jacinda Ardern verinnerlicht und perfektioniert. Sie trifft stets den richtigen Ton und setzt ihre Sprache geschickt ein, um Dinge zu erreichen, harte Botschaften zu überbringen oder Anweisungen zu geben. Sie balanciert ihre Worte stets behutsam aus und begrenzt das Risiko, dass sich Menschen etwa überfordert fühlen oder umgekehrt die Regierung die Tragweite eines Themas nicht unterschätzt, wie etwa die Leadership-Expertin Suze Wilson analysierte.
Aktives, schnelles Handeln – und kommunizieren
In der Corona-Pandemie reagierte Ardern schnell (und hart) und brachte das Land so gut durch die Krise. Auch nach dem Terroranschlag von Christchurch verlor Ardern keine Zeit und ließ die Bevölkerung im Unsicheren, sondern kommunizierte sofort und bestätigte, dass der Terroralarm im Land hoch sei. In eine Krisensituation kommt es also nicht darauf an, sofort alle Antworten parat zu haben, sondern das Geschehene umgehend zu benennen und zu zeigen, dass man da ist und handelt.
Angriffe in Erfolge ummünzen
Es war definitiv kein übliches Bild, als Jacinda Ardern, eine junge Frau mit 37 Jahren die Führung eines Landes übernahm. Doch Ardern stand drüber und als das Thema eine möglichen Kinderwunsches aufkam, nahm sie den Angriff volley auf, um ihn selbst als Treffer zu versenken: Sie konterte, dass diese Frage für eine/n ArbeitgeberIn illegal sei. In der folgenden Debatte gab ihr die Mehrheit recht. Treffer versenkt!
Zum richtigen Zeitpunkt aufhören
Jacinda Ardern gab am 19. Januar 2023 ihren Rücktritt bekannt. Doch auch wenn dieser für viele zu diesem Zeitpunkt überraschend kam, so können sich wohl ebenso viele daran ein Beispiel nehmen: Nämlich zu gehen BEVOR es zu spät ist. "Schneller zu sein als der Burnout" betitelte es etwa David Gutensohn in der "Zeit" und findet "Führungskräfte sollten von ihr lernen", denn "indem sie präventiv zurücktritt, bestärkt sie all diejenigen, die vor allem seit der Pandemie anders über Arbeit nachdenken. [...] Sie sollten, statt ihre Überforderung zu überspielen und die Anderer zu ignorieren, einfach Mensch bleiben."