Douglas Wilson schickt den Wahlbriten Paddington in seiner CGI-Realverfilmung auf Reisen in sein Herkunftsland: „Paddington in Peru“ ist britisches Actionkino mit Südamerika-Flair. Der schottische Star-Autor Martin Walker erklärt für News, warum das charismatische Tier ungebrochen fasziniert und was die Welt von ihm lernen soll.
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Die Queen empfing ihn anno 2023 anlässlich ihres Thronjubiläums im Buckingham-Palast zum Tee. Herzogin Kate ließ sich mit ihm ablichten: Paddington Bear. der Unwiderstehliche mit dem großen Hut und dem blauem Dufflecoat, benannt nach Londons bedeutendstem Bahnhof, betört seit Ende der 50er-Jahre Generationen auf der ganzen Welt.
1,2 Millionen frequentierten im November die Kinos im Vereinten Königreich, um „Paddington in Peru“ zu sehen. In diesen Tagen erreichte Douglas Wilsons CGI-Realverfilmung des Bilderbuchhelden Österreichs Kinos. Anlass genug, die über Jahrzehnte ungebrochene Faszination von Paddington Bear zu ergründen. Am besten fragt man da einen Briten von annähernd gleicher Prominenz. Einen, der ebenfalls die Welt kennt und den die Welt kennt.
Martin Walker über Paddington
Also den gebürtigen Schotten und Wahlfranzosen Martin Walker. Bevor er den liebenswerten Dorfpolizisten Bruno Courreges im Perigord erschuf, war Walker als Korrespondent für den britischen Guardian aktiv. Erreicht haben wir den Weltläufigen in Florida, USA, wo er Vorlesungen über Europa hält.
„Paddington Bear“, holt der Vielgefragte aus, „gehört zum Besten, was das britische Empire hervorgebracht hat. Er hat beste Manieren, er liebte die Königin, und auch sie mochte ihn sehr.“
Dass auch Menschen im vorgerückten Alter sich dem Charme des wohlerzogenen Wesens nicht entziehen wollen, erstaunt den 78-Jährigen nicht. „Er gibt uns die Möglichkeit, uns wieder wie Kinder zu fühlen. Er hat verstanden, dass es eine gewisse Ordnung im Leben geben muss und wir nicht völlig leichtsinnig agieren können. Aber“, kommt Walker auf das überlebensnotwendige Quantum Trost, „er zeigt uns auch, dass die Welt ein relativ sicherer Ort ist, wenn wir uns richtig verhalten. Ich bin mir sicher, dass er durch seine Art auch Einfluss auf Kinder hat. Ich denke, dass Paddington das Beste in uns zum Vorschein bringt.“
Bevor er wieder in den Hörsaal eilt, holt Walker zu einem kompakten Diskurs über die aktuelle Weltpolitik aus. „Putin wäre ein ganz anderer Mensch, wenn er mit Paddington Bear aufgewachsen wäre. Und wenn Paddington Bear in China bekannt wäre, wäre das Land meiner Meinung nach viel schöner. Und wenn Paddington Einfluss auf Leute wie Herrn Kickl bei Ihnen in Österreich hätte, wäre der sicher ein viel angenehmerer Mensch.“
Fehlen unter den gerade aktuellen Schrecknissen noch Trump und Elon Musk.
Die Stimme am anderen Ende der Leitung über dem große Teich klingt gleich amüsiert, als beide Namen fallen. „Ich fürchte, dass Donald Trump die Art Person ist, die den Paddington-Bären wahrscheinlich essen würde, wenn sie nur die geringste Chance dazu hätte. Und Elon Musk würde den armen, alten Bären ins All schicken, ohne ihn jemals zurückkommen zu lassen.“ Im besten Fall, setzt der weise Mann fort, hätten ihn die beiden Weltenlenker gar nicht erst ins Land gelassen, denn Paddington kommt aus Südamerika, konkret aus dem „dunklen Peru“, wie er selbst seine Herkunft beschreibt. „Er ist der drittberühmteste Migrant nach Julius Cäsar und Wilhelm dem Eroberer. Mit dem Unterschied, dass er die besseren Manieren hat.“
„Putin wäre ein anderer Mensch, wenn er mit Paddington Bear aufgewachsen wäre“


Martin Walker über Michael Bonds Geschöpf
© GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.comWie alles begann
Wie es dazu kam, dass Paddington überhaupt zu dem wurde, was er heute ist, liest sich selbst wie ein verstörendes Märchen mit bitterem Hintergrund.
Es beginnt am Weihnachtsabend des Jahres 1957. Ein Ehemann namens Michael Bond sucht nach einem Geschenk für seine Frau. Sein Auskommen findet er als Kameramann bei der BBC. Irgendwann hat er Schriftsteller werden wollen, während des Kriegs veröffentlichte er eine Kurzgeschichte, doch weiter gelangte er nicht.
An diesem Weihnachtsabend hat er sich allerdings mit Näherliegendem zu beschäftigen, denn in wenigen Stunden schließen die Geschäfte. Dann beginnt es auch noch zu schneien, blickt er später in einem Interview mit der BBC auf den Tag seines Lebens zurück. Er sucht Schutz bei Selfridges – da entdeckt er in einem fast leeren Regal einen einsamen Teddy. Der Kleine ist der Letzte seiner Art. Wenige Stunden noch, dann hat der Bär keine Chance mehr, als Geschenk unter einem Christbaum einem Kind Freude zu bereiten. Noch Jahrzehnte später wird sich Bond an den Anblick des kleinen Bären erinnern: Er beschließt, ihn zu „retten“, und macht ihn seiner Frau zum Geschenk. Da die Bonds in der Nähe von Paddington Station wohnen, benennen sie ihn entsprechend und richten ihm auf dem Kaminsims ein Zuhause ein.


In bester Gesellschaft: Paddington mit seinem Schöpfer Michael Bond (1926–2017) .
© Rebecca Reid / Eyevine / picturedesk.comKinder auf der Flucht
Paddington habe ihn dann mit seinen runden Augen angeblickt, als würde er ihm seine Geschichte erzählen wollen, schildert Bond im BBC-Interview. Und da seien ihm plötzlich andere, bedrängendere Schicksale vor Augen getreten: an Kinder, die von ihren Eltern in Züge gesetzt worden waren, damit sie nicht der Mordmaschinerie der Nazis zum Opfer fielen. 10.000 Kinder aus jüdischen Familien waren so nach England gelangt. Die meisten von ihnen haben ihre Eltern nicht wieder gesehen.
Zwei Wochen nach Weihnachten ersann Bond die Geschichte des kleinen Bären, der in Afrika seine Eltern verloren hat und mit einem Rettungsboot nach England flüchtet. Harper & Colllins verlegte das Buch. Dass Bond die Herkunft seines kleinen Helden von Afrika nach Peru verlegen musste, hatte im pragmatischen Großbritannien einen plausiblen Grund. In Afrika gibt es keine Bären.
Am 13. Oktober 1958 trat der Migrant mit einer Schwäche für Orangenmarmelade im Buch auf. Ob er heute auch so liebevoll empfangen würde, kann jeder für sich selbst entscheiden.


Der Film
Paddington hat einen britischen Pass bekommen. Jetzt will er seiner englischen Familie, den Browns, seine Tante Lucie in Peru vorstellen. Douglas Wilson CGI-Realverfilmung ist herzzerreißendes Action-Kino für die Jüngsten. Mit Hugh Bonville, Olivia Coleman, Antiono Banderas.
Derzeit im Kino
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr.06/2025 erschienen.