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Daniel Kehlmann: „Eine Welle von Angst gefährdet die Demokratie“

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Sein Roman „Die Vermessung der Welt“ verschaffte dem ­deutsch-österreichischen Weltschriftsteller Daniel Kehlmann ein Millionenpublikum. Zum 50er legt Zsolnay sein Debüt „Beerholms Vorstellung“ wieder auf. Kehlmann lebt derzeit in New York und kennt die Gefahren von rechts diesseits und jenseits des Atlantiks

Arthur Beerholm ist 29 und blickt auf sein erst kurzes, aber intensives Leben zurück. Von der Mutter als Neugeborener zur Adoption freigegeben, bringt er es als Meister der Illusion mit seinen Zaubertricks zu Weltruhm. Die Kunst der Täuschung und Selbsttäuschung treibt er bis zum Äußersten. Auch den Sprung von der Spitze eines Fernsehturms schließt er nicht aus.

Dieser junge Mann namens Arthur ist der erste Held des deutsch-österreichischen Weltschriftstellers Daniel Kehlmann und zentrale Figur von dessen Romandebüt „Beerholms Vorstellung“. 18 Jahre später hat es Kehlmann selbst zu einem Millionenpublikum gebracht. Sein Roman „Die Vermessung der Welt“ rückte Kehlmann in die erste Liga der Gegenwartsliteratur. Anlässlich seines 50. Geburtstags am 13. Jänner legt der Zsolnay Verlag Kehlmanns Erstling neu auf. Ein guter Anlass für ein Gespräch mit dem Schriftsteller und Amerika-­Kenner – Kehlmann lebt derzeit in New York – über die Magie des Schreibens, die Last des Erfolgs, Donald Trump, Sahra Wagenknechts Chancen und die Erfolge von AfD und FPÖ.

Wie kam es dazu, dass Ihr erster Roman ausgerechnet zu Ihrem 50. Geburtstag neu aufgelegt wird?

Es ist wohl ein glücklicher Zufall. Zu meinem 50. Geburtstag, so nehme ich an, ist das ein Zeitpunkt, an dem man sich gerne zurückblickend fragt: Was habe ich eigentlich gemacht? Und da liegt der Gedanke nahe, einen alten Text neu aufleben zu lassen. Der Roman gehört für mich zu einer Lebenszeit, die längst vorbei ist. Und diese Art von Nostalgie, die er hervorrufen könnte, ist faszinierend. Es ist das Spiel mit der Erinnerung, die uns ja selbst irgendwann nur noch wie ein wenig zauberhaftes Märchen vorkommt.

Was bedeutet Ihnen dieser Geburtstag?

Er ist kein besonders erhabener Moment, wenn ich ehrlich bin. Ich empfinde den 50. Geburtstag nicht als einen Wendepunkt oder als etwas, das sich wie ein Rad über mein Leben schiebt. Eher als eine Gelegenheit, eine gewisse Bilanz zu ziehen.

Diese kann bei Ihnen, dem Autor des meistgelesenen Romans „Die Vermessung der Welt“ und einem der erfolgreichsten Schriftsteller heute, doch nur mehr als erfreulich ausfallen. Beklemmend aber klingt, was der Entfesselungskünstler Alvarez in Ihrem ersten Roman sagt: „Blamieren oder sterben“. Das heißt, wer die Erwartungen nicht erfüllt, ist erledigt. Sehen Sie das auch so?

Ja, in gewisser Weise. Erfolg erzeugt Erwartungen – und diese Erwartungen lasten schwer auf einem Künstler, einem Politiker, einem Unternehmer. Die Möglichkeit zu scheitern wird immer weniger akzeptiert. „Blamieren oder sterben“ ist eine drastische, aber zutreffende Beschreibung dieser Dynamik. Wer erfolgreich ist, lebt unter dem ständigen Druck, diesen Erfolg zu wiederholen und zu steigern. Das ist die dunkle Seite des Erfolgs. Aber gleichzeitig bleibt die Möglichkeit bestehen, sich von dieser Erwartung zu befreien, indem man das Spiel einfach auf andere Weise spielt – auf die eigene Weise.

Im Nachwort schreiben Sie, dass Sie selbst ein ambitionierter Amateurzauberer waren. Hat Sie das auf Arthur Beerholms Geschichte gebracht oder war es umgekehrt?

Das war durchaus ein gegenseitiges Spiel. Meine eigenen Erfahrungen mit der Zauberei, dieser seltsamen Welt der Illusion und des Unmöglichen, haben mit Sicherheit das Thema beeinflusst. Aber es war nicht direkt die Zauberei, die mich inspirierte, sondern die Frage, was es bedeutet, wenn man ein Geheimnis hat, das niemand versteht. Beerholm, der Zauberer, der in einer Welt lebt, in der Magie auf Rationalismus trifft, ist irgendwie das Produkt meiner eigenen Faszination für das Unwirkliche und das Unkontrollierbare.

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Ihr Ich-Erzähler Arthur Beerholm denkt zu Beginn über den Begriff „Magie“ nach. Ich zitiere: „Was bedeutet Magie? Sie bedeutet schlicht, dass der Geist dem Stoff vorschreiben kann, wie sich dieser zu verhalten hat, dass ihm dieser gehorchen muss.“ Könnte man „Magie“ durch „Schreiben“ ersetzen?

Ja, absolut. Da gibt es in der Tat viele Parallelen. Der Akt des Schreibens ist ähnlich wie Magie – nur dass wir als Schriftsteller versuchen, eine gewisse Ordnung aus dem Chaos zu schaffen, in dem sich die Gedanken verlieren. Man könnte sagen, Magie ist die Kontrolle über das Unkontrollierbare, das Schreiben eine Versuchsanordnung, um das Chaos zu bändigen. Da gibt es also eine sehr enge Verbindung, und ich habe immer versucht, diese Parallelen zu verstehen.

Inwieweit ist ein Schriftsteller eine Art Magier?

Ein Schriftsteller, der es ernst meint, hat die Aufgabe, eine Realität zu erschaffen, die mehr ist als nur eine Ansammlung von Wörtern. Und genau das tut ein Magier: Er schafft etwas, das der Realität entgleitet, aber sich gleichzeitig in ihr verankert. Als Schriftsteller haben wir mit den gleichen Gesetzen der Täuschung zu tun wie ein Zauberer. Wir erzeugen Illusionen, in die der Leser eintritt, und im besten Fall bleibt der Leser eine Weile in diesem „Zauberzustand“.

Manche Szenen erinnern an den legendären Magier Uri Geller, der mittels angeblicher telepathischer Fähigkeiten Löffel verbiegen konnte. Hat er Sie inspiriert?

Uri Geller hat mich auf jeden Fall beschäftigt. Diese Mischung aus Mystifikation und persönlicher Überzeugung hat mich sehr fasziniert. Aber seine Kunst war für mich immer auch ein Spiegel für die Gesellschaft: Was sind wir bereit zu glauben? Was gibt es, das wir so dringend als wahr annehmen wollen, dass wir sogar den Beweis dafür ignorieren? Diese Fragestellung war für mich interessanter als die Frage, ob er wirklich Löffel verbiegen konnte.

„Trump ist ein Produkt der modernen

Gesellschaft, das mit einem schillernden

Mix aus Populismus, Narzissmus und Realitätsverweigerung erfolgreich Politik macht“

Gab es sonst auch noch Magier, die Sie zum Roman inspiriert haben?

Nicht im klassischen Sinne, aber ich habe mich viel mit der Geschichte von Magie beschäftigt – auch mit den großen Täuschern der Geschichte, mit den „Magiern“ aus der Zeit der Renaissance, die Wissenschaft und Magie miteinander verbanden. Ihre Faszination lag weniger im Trick, sondern mehr in der Möglichkeit, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Und vielleicht ist auch das ein bisschen die Aufgabe eines Schriftstellers.

Wie kamen Sie auf die Namen Ihrer Figuren wie Beerholm?

Namen sind immer eine Mischung aus Intuition und Spielerei. Bei Beerholm war es eine Kombination aus etwas leicht Fantastischem und zugleich Gewöhnlichem. „Beerholm“ klingt, als könnte es ein ganz normaler Name sein – jemand, den man überall treffen könnte – und gleichzeitig suggeriert er etwas Abstraktes, etwas „Magisches“. Der Name ist so ein wenig ein Vorbote der Figur selbst: Sie ist in der Welt, aber nicht ganz Teil davon.

Ist Pater Fassbinder eine Anspielung auf den Filmemacher Rainer Werner Fassbinder?

Nicht direkt. Es geht vielmehr um das Bild eines Menschen, der die Welt mit einer gewissen Härte, ja mit einer Art pessimistischer Magie betrachtet. Fassbinder – der Pater in meinem Buch – ist der Typus eines Einzelgängers, der sich mit seiner eigenen Sicht auf die Welt abfindet und dabei fast eine andere Realität erschafft. Und natürlich hat der Name eine gewisse ironische Schärfe.

Das Spiel mit Täuschung setzen Sie auch in anderen Romanen fort. Ganz deutlich in „Ruhm“. Was fasziniert Sie daran?

Täuschung ist ein Werkzeug, um das menschliche Bewusstsein herauszufordern. Wir glauben immer, die Welt sei eindeutig, klar, stabil. Aber das ist sie nicht. Alles, was wir sehen, alles, was wir hören, ist oft nur eine Projektion, eine Fassade. Das Spiel mit Täuschung zeigt uns, wie fragil unser Gefühl von Realität ist. In „Ruhm“ geht es mir da­rum, das Bild, das wir von uns selbst haben, zu hinterfragen – und die Möglichkeiten, wie leicht dieses Bild zerbrechen kann. Das Faszinierende daran ist, dass Täuschung die Tür zu unzähligen Wahrheiten öffnen kann.

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 © IMAGO/54° / Felix Koenig

Im Nachwort zur Neuauflage beschreiben Sie die politische Lage zur Zeit, als Sie den Roman geschrieben haben: Bill Clinton war amerikanischer Präsident, Franz Vranitzky österreichischer Kanzler, in Deutschland regierte noch Helmut Kohl. Man könnte auch sagen, damals war die Welt noch in Ordnung. Sie leben derzeit in New York. Hat sich Amerika seit Trumps Wahlsieg etwas geändert?

Ja, es hat sich natürlich vieles geändert – aber nicht im magischen Sinne, wie man es vielleicht erwarten würde. Es gibt keine plötzlichen Wunder, keine schnelle Lösung für die Unsicherheit und das Chaos. Es hat sich vielmehr eine neue Art von Unsicherheit etabliert, die in vielerlei Hinsicht aber ebenso alt ist wie die Geschichte selbst. Trump hat eine Reaktion auf eine tief sitzende Unzufriedenheit hervorgebracht, die keineswegs durch politische Parteien oder Systeme erklärt werden kann. Das Land, das wir früher als Beispiel für eine geordnete Demokratie sahen, hat sich zu einem zunehmend fragmentierten, polarisierten Ort entwickelt.

Trump behauptet, er hätte Ansprüche auf Grönland. Wie bedrohlich ist er für Europa?

Er ist in der Tat eine Bedrohung – nicht nur für Europa, sondern für die Welt. Das Besondere an Trump ist, dass er keine Idee von langfristiger Strategie hat.

Können Sie sich vorstellen, dass er seine Drohungen gegenüber Dänemark, Panama und auch Kanada wahrmacht?

Die Frage ist weniger, ob er es könnte, sondern, ob er es versuchen würde. Es ist schwer vorstellbar, dass diese Länder ernsthaft in die geopolitische Strategie eines ehemaligen US-Präsidenten fallen – aber in einer Welt, in der das Unvorstellbare immer häufiger Realität wird, ist es eine beunruhigende Möglichkeit. Trump lebt von der Provokation und seinem Drang, sich als der „stärkste Mann“ zu präsentieren. Er hat schon früher international mit Drohungen gespielt, aber ob er wirklich eine Nation wie Dänemark, Panama oder Kanada in den Ruin treiben würde, das bleibt unklar. Was viel besorgniserregender ist, ist der Umstand, dass solche Drohungen ohne echte Konsequenzen ausgesprochen werden – und auch darin liegt eine gefährliche Unberechenbarkeit.

Nach seiner ersten Amtszeit war Trump der Präsident, der keinen Krieg mit einem anderen Land begonnen hat. Wird sich das ändern?

Interessanterweise hat Trump mit dieser „Kein-Krieg-Politik“ tatsächlich ein Alleinstellungsmerkmal in der modernen amerikanischen Präsidentschaft gesetzt. Doch man darf nicht vergessen, dass er nicht etwa aus pazifistischen Motiven keinen Krieg geführt hat – es war vielmehr eine Frage seines persönlichen Stils und seiner mangelnden Neigung, sich in langfristige militärische Konflikte zu verstricken. Aber, und das ist der Punkt: Trump versteht sich selbst als Macher, als jemand, der die Dinge „nach seinen Regeln“ umsetzt. Es gibt eine aggressive Rhetorik, die jederzeit wieder auf militärische Eskalation hindeuten könnte. Wenn er wieder Präsident ist, könnte er sich geneigt sehen, diese Linie fortzusetzen, vor allem, wenn er das Gefühl hat, dass es ihm politisch nutzt. Aber ob er wirklich in einen offenen Krieg zieht, ist noch nicht gesagt. Der politische Nutzen eines Kriegs für ihn ist längst nicht so klar wie der von innenpolitischen Konflikten.

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Das Buch

Ein faszinierendes Spiel mit Täuschung und Selbsttäuschung. „Beerholms Vorstellung“, der erste Roman von Daniel Kehlmann, neu aufgelegt bei:

Zsolnay, € 25,70

 © Zsolnay

Ist Trump wirklich ernst zu nehmen?

Es kommt darauf an, was man unter „ernst zu nehmen“ versteht. Trump ist sicherlich ernst zu nehmen, wenn man von einer politischen Karriere spricht, die auf Manipulation von Wahrnehmung und einer gezielten Mobilisierung von Ängsten beruht. Aber seine „Politik“ ist oft unberechenbar und von egoistischen Interessen geprägt. Man könnte ihn eher als eine Art kulturelles Phänomen betrachten – ein Produkt der modernen Gesellschaft, das mit einem schillernden Mix aus Populismus, Narzissmus und Realitätsverweigerung erfolgreich Politik macht. Die Frage, ob er als Führer einer Nation „ernst zu nehmen“ ist, hängt mehr davon ab, wie viel Macht ihm zugestanden wird.

Wie beurteilen Sie die Situation in Österreich, wo nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen jetzt Kickl eine Regierung bilden soll?

Die politische Lage in Österreich ist bedauerlich in ihrer Zerrissenheit. Als ich vom Scheitern der Koalitionsverhandlungen hörte, hatte ich das Gefühl, dass es symptomatisch für die Krise der politischen Repräsentation ist – ein Land, das zunehmend zwischen verschiedenen Lagern zerfällt, ohne dass ein Konsens über die grundlegenden Prinzipien des Zusammenlebens gefunden werden kann. Die Tatsache, dass die FPÖ derzeit stärkste Partei ist, ist natürlich alarmierend, weil sie nicht nur eine politische Alternative darstellt, sondern auch ein kulturelles Signal für den Zustand der Gesellschaft ist. Die rechtsextreme Tendenz in vielen europäischen Ländern ist eine der gefährlichsten Entwicklungen der letzten Jahre. Das hat weniger mit rationaler Politik zu tun als mit einer breiten Welle von Ängsten und Ressentiments, die zu einer ernsthaften Gefahr für die Demokratie werden können.

Wie blicken Sie auf die Wahlen in Deutschland?

Deutschland befindet sich in einer Phase des Umbruchs, wie viele westliche Demokratien. Die politische Landschaft dort ist inzwischen ebenso zersplittert wie in vielen anderen Ländern. Die AfD hat zweifellos an Bedeutung gewonnen, aber die Frage ist, wie viel davon ernst zu nehmen ist und wie stark ihre radikalen Positionen langfristig die Gesellschaft beeinflussen werden. Es gibt eine Entfremdung zwischen dem Establishment und einem Teil der Bevölkerung, der sich von der Politik im traditionellen Sinne nicht mehr vertreten fühlt. Gleichzeitig ist die politische Mitte in Deutschland immer noch stark genug, um diese Kräfte in Schach zu halten, aber ob das auf Dauer so bleibt, wird sich zeigen. In Deutschland, wie anderswo, gibt es derzeit einen Kampf um die Deutungshoheit der politischen Ordnung.

Wie sehen Sie es, dass Elon Musk mit der Chefin der rechten AfD, Alice Weidel, auf X diskutiert hat?

Elon Musk als „Lumpenmilliardär“, um Slavoj Zizek zu zitieren, scheint sich zunehmend von traditionellen politischen Kategorien zu lösen, was in gewisser Weise typisch für die heutige Zeit ist: die Verbindung von Tech-Eliten und Populismus. Diese Art von Diskussionen ist nicht nur ein furchterregendes Phänomen, sondern ein Alarmzeichen. Es zeigt, wie der Dialog über politische Themen zunehmend von jenen bestimmt wird, die nicht für die Gesellschaft im klassischen Sinn verantwortlich sind. Das Problem dabei ist, dass viele dieser Diskussionen keinen wirklichen Austausch bieten, sondern vielmehr Plattformen für Radikalisierungen sind.

„Dass die FPÖ derzeit stärkste Partei ist, ist alarmierend, weil sie nicht nur eine politische Alternative darstellt, sondern auch ein kulturelles Signal für den Zustand der Gesellschaft ist“

Hat die AfD eine Chance? Und was ist mit Sahra Wagenknecht?

Die AfD hat zweifellos eine Chance, sich weiter zu etablieren, vor allem, wenn die politische Mitte in Deutschland weiterhin Schwierigkeiten hat, mit den Sorgen der Menschen umzugehen. Populismus lebt von der Wahrnehmung von „Eliten“ und von der Angst, dass der eigene Platz in der Gesellschaft gefährdet ist. Sahra Wagenknecht ist eine interessante Figur, die mit ihrem populistischen Ansatz aus der Linken heraus ebenfalls einen Widerstand gegen den politischen Mainstream verkörpert. Sie könnte durchaus einen Einfluss ausüben, vor allem wenn sie es schafft, eine breitere Wählerschaft anzusprechen, die sich von der etablierten Linken nicht mehr vertreten fühlt.

Lassen Sie uns noch über die Josefstadt sprechen. Haben Sie die Vorwürfe gegen Direktor Herbert Föttinger verfolgt?

Es ist eine sehr schwierige Situation, in der die Kulturinstitutionen in Österreich durch solche Skandale in Mitleidenschaft gezogen werden. Es zeigt auch, wie Institutionen – besonders die künstlerischen – in einem Spannungsfeld zwischen Macht, Einfluss und künstlerischer Freiheit stehen. Die Vorwürfe selbst müssen gründlich untersucht werden, und die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, Klarheit zu bekommen. Andererseits zeigt sich auch, wie schwer es ist, in der Kultur eine Balance zu finden zwischen den oft unangreifbaren Persönlichkeiten und den kritischen Fragen zu Machtstrukturen.

Einige Ihrer Romane werden heute in der Schule gelesen. Stört es Sie, wenn Schüler ihre Arbeiten darüber mit ChatGPT schreiben, statt Ihre Geschichten selber zu lesen?

Ich finde es bedenklich, wenn Schüler ihre Arbeiten nicht mehr selbstständig verfassen und stattdessen eine KI zu Hilfe nehmen. Es ist ein gewisses Missverständnis von „Arbeit“ und „Lernen“, das hier auftritt. Natürlich ist es faszinierend, mit einer KI zu arbeiten, aber sie kann nicht die Erfahrung ersetzen, die man durch das persönliche Lesen und Durchdenken eines Textes gewinnt. Letztlich ist es die persönliche Ausei­nandersetzung mit einem Werk, die einen langfristigen Lernprozess auslöst. Wenn das durch eine KI ersetzt wird, geht viel von diesem Gewinn verloren.

Wie sehen Sie es, dass eine KI angeblich schon vor Erscheinen eines Romans beurteilen kann, ob er ein Bestseller wird?

Das ist ein interessantes, wenn auch erschreckendes Phänomen. KI-Systeme können Muster erkennen und Vorhersagen treffen, aber sie sind niemals in der Lage, die tatsächliche Magie eines Textes zu erfassen. Bestseller sind nicht nur ein Produkt aus „Daten“ oder „Formeln“. Sie entstehen oft aus einer Mischung von kulturellen Gegebenheiten, Zufällen und einem gewissen „Momentum“, das mit Zahlen nicht wirklich erfasst werden kann. Es ist eine Mischung aus Kunst, Marketing und der Zeit, in der ein Buch erscheint. KI kann vielleicht Trends erkennen, aber sie wird nie die emotionale Tiefe eines Werks messen können, die einen Bestseller wirklich ausmacht.

Wann kommt ihr nächster Roman?

Ich arbeite daran, aber ich mag es nicht, mich selbst zu sehr in Terminen und Deadlines zu verlieren. Der Roman wird dann erscheinen, wenn er bereit ist, seine eigene Geschichte zu erzählen. Aber natürlich: irgendwann in den nächsten Jahren. Ich hoffe, dass er die Zeit findet, die er braucht, und dass die Welt dann noch ein bisschen neugierig darauf ist.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr.03/2025 erschienen.

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