News Logo
ABO

Caroline Peters: Heimkehr ins Auge des Sturms

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
12 min

Caroline Peters

©Foto: Mathias Bothor | photoselection
  1. home
  2. Aktuell
  3. Menschen

Mit Anbruch der Direktion Martin Kusejs hatte sich Caroline Peters vom Burgtheater nach Berlin verändert. Von Stefan Bachmann eilends zurückgeholt, feiert sie ihr Zwanzigjahrjubiläum am Haus und erfreut mit dem Romandebüt „Ein anderes Leben“

Und hätte er nichts anderes vorzuweisen als die Rückgewinnung unersetzlicher Abgänger aus der Champions League der Schauspielkunst: Schon allein damit hätte sich der seit September amtierende Burgtheaterdirektor Stefan Bachmann um die Position der Lichtgestalt beworben (jedenfalls im Vergleich zum Vorgänger Martin Kusej, der die Verluste zu verantworten hatte). Zwei, die sich in den kommenden Wochen zurückmelden, sind außerdem noch veritable schauspielerisch-literarische Doppelbegabungen. Wobei Joachim Meyerhoffs Exzellenz als Schriftsteller schon lang unumstritten ist. Caroline Peters, 53, hingegen ist neu im Buchgeschäft.

Ab 15. Februar bestreitet sie in Marius von Mayenburgs teuflischer Komödie „Egal“ ihre erste Neuproduktion am Haus nach fünf Jahren. Zuvor aber stellt sie im Akademietheater ihren ersten Roman vor. Um das Werk mit dem Titel „Ein anderes Leben“ entbrennt auf der Frankfurter Buchmesse gerade ein mittleres Getöse. Wir konnten Caroline Peters davor wesentlich entspannter im Café Prückel treffen.

Heimgekehrt

Hätte sich Bachmann nicht gleich nach seiner Designierung gemeldet, hätte sie selbst angefragt, sagt sie. Wien ist ja doch der Lebensmittelpunkt, seit sie 2004 von Klaus Bachler an die Burg verpflichtet wurde. Sie betreibt mit dem Lebensgefährten, dem Schauspieler Frank Dehner, sogar den feinen avantgardistischen Postkartenladen Ecke Margaretenstraße/ Kettenbrückengasse im 5. Bezirk, so zu Hause ist sie hier.

An die Berliner Schaubühne ist sie ausgewichen, weil sie die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Simon Stone fortsetzen wollte. Gern hätte sie Lorcas „Yerma“ parallel auch an der Burg gezeigt. „Aber das ließ die neue Theater­regierung nicht zu.“ Also: fünf tolle Jahre mit vollem Haus und jungem Publikum in Berlin, und jetzt die Rückkehr, die auch noch mit dem zweiten Leben als Schriftstellerin zusammenfällt.

Und was für ein vertrackter Roman das ist! Auf den ersten Blick handelt es sich um eine verklausulierte Autobiografie: Wie Caroline Peters wächst die Ich-Erzählerin als Akademikerkind in Köln auf, wird Schauspielerin und hat eine Schwester, die hier den nämlichen Beruf ergreift (die reale Schwester Eva Peters ist Immunologin). Aus einem realen Halbbruder wird im Roman ein Mädchen, eventuell eine Anspielung auf Tschechows „Drei Schwestern“.

Die Jüngste erzählt nun die Geschichte der explosiven Befreiung ihrer Mutter, die drei Töchter von drei Vätern geboren und bis zu ihrem Tod ein wildes Patchworkkonstrukt am Einsturz gehindert hat.

„Was weiß ich denn, was ich im Nazi-Reich gemacht hätte? Man kann leicht im Glashaus mit Steinen werfen“

Die unsichtbaren Frauen

Nun ist der dritte der drei Väter gestorben, aber just auf seinem Begräbnis wird seine Tochter von der Erinnerung an Hanna, die Mutter, überwältigt. „In der Nachkriegswelt, in der meine Eltern aufwuchsen, waren viele Frauen das Zentrum eines Clans, weil es keine Männer gab“, erklärt Caroline Peters das

Paradoxon. „Aber es gab keinen Blick dafür. Die toten Männer standen im Zen­trum. Damit wollte ich mich beschäftigen.“

Weiter in der „Ostereiersuche“, wie sie die Suche nach biografischen Übereinstimmungen bezeichnet. Wie Hanna aus dem Roman wurde auch Caroline Peters’ Mutter 1934 in Berlin geboren, aber die Anarchie des Romans ist pure Erfindung. Vielmehr wuchs Tochter Caroline in einem gepflegten, besonders kunstaffinen Akademikerhaushalt auf. Robert Wilsons zwölfstündige „Civil Wars“ im Alter von acht Jahren an der Seite der Mutter waren ein halb traumatisches, halb faszinierendes Erlebnis. Die Mutter, die Slawistin Johanne Peters, starb schon 2003. Vom Vater, dem hoch angesehenen Psychiater Uwe Henrik Peters, musste die Tochter im Vorjahr Abschied nehmen. „Das war wie noch einmal erwachsen werden. Ich hatte nicht damit gerechnet, wie viel das nochmals verändert.“

Ist die einleitende Begräbnisszene des Vaters somit eine Referenz auf den eigenen, realen Verlust? Keine Spur, denn das Buch entstand noch zu seinen Lebzeiten, täglich zwischen zehn und 14 Uhr in der vibrierenden Stille der Nationalbibliothek in Wien. Der Vater wusste noch vom Buchprojekt und ermutigte die Tochter. Hineinlesen konnte er aber nicht mehr, sodass ihm auch seine eigene Begräbnisszene verborgen blieb.

Blurred image background

Gewaltige Zeiten: Tschechows „Onkel Wanja“ mit Nicholas Ofczarek, 2012 in Matthias Hartmanns Regie. Gert Voss spielte da seine letzte Rolle

 © GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com,

Wohin mit dem Theater?

Zurück ins größere Ganze. Das Publikum stöhnt unter dem Diktat der „Postdramatik“ mit den nicht wiederzuerkennenden Klassikern. Das Feuilleton will hingegen nichts anderes sehen. Es gehe, sagt Caroline Peters, um die Vielfalt. Deshalb sei Nikolaus Bachler, der sie an die Burg holte, der beste Intendant ihres Lebens gewesen. Die Meisterpsychologin Andrea Breth und Klaus Maria Brandauers Nathan hatten hier ebenso Platz wie die damals radikale Avantgarde, Christoph Schlingensief und René Pollesch. „Weil Bachler nicht als Künstler, sondern als guter Intendant wahrgenommen werden wollte.“

Jelineks explosives „Burgtheater“

Jetzt geht es für sie an der Burg bald dermaßen ans Eingemachte, dass die zugehörigen Proben schon Monate vor der Premiere begonnen haben: Festwochen-­Intendant Milo Rau konnte sich für eine Koproduktion die Rechte an Elfriede Jelineks Posse „Burgtheater“ sichern. Das Werk wurde von der späteren Nobelpreisträgerin gesperrt, nachdem sich vor der Uraufführung, 1985 in Bonn, ein Medientumult entladen hatte.

Es geht um die Nazi-Verstrickungen des ikonischen Schauspielerpaars Paula Wessely und Attila Hörbiger, um die kleinen Töchter Elisabeth (jetzt verwitwete Orth), Christiane und Maresa sowie um Attilas Bruder Paul. Dessen Enkelin Mavie Hörbiger wird an der Aufführung mitwirken. Sie hat mit Elfriede Jelinek und Regisseur Rau ein Manifest gegen die FPÖ unterzeichnet, so wie auch die anderen Stars des Unternehmens: Birgit Minichmayr und Caroline Peters. Wo Rau, der mit seinen megalomanischen Projekten gegen das soziale Unrecht aller Kontinente aufreibt, das virtuose Werk verorten wird? Unmöglich zu sagen. „Es ist ein riesiger Strom von Ideen, und der bewegt sich auch die ganze Zeit. Afrika kommt manchmal vor, dann wieder nicht, und das Burgtheater an sich. Das Bühnenbild sieht schon einmal toll aus, man kann grandios damit scheitern, aber auch grandios etwas erzählen.“

Blurred image background
 © Stefan Fürtbauer/Picturedesk.com

Alte und neue Skandale

Als das Stück in den Achtzigerjahren entstand, war die Welt eine andere. „Damals jagte man Nazis, die wirklich noch Nazis waren. Wir jagen jetzt etwas anderes, einen Geist von modernem Faschismus, der sich auf der ganzen Welt ausbreitet.“ Vorwürfe an die Familie Wessely-Hörbiger für ihre dröhnende Beglaubigung der Nazi-Kulturindustrie? „Man kann immer leicht im Glashaus sitzen und mit Steinen werfen. Was weiß ich denn, was ich gemacht hätte?“ Der Monolog legt an Dringlichkeit zu. „Wäre mir meine Karriere lieber gewesen? Keine Ahnung. Ich hoffe nicht natürlich. Wäre ich clever genug zu sehen, worauf das alles hinausläuft? Vielleicht waren sie wirklich sehr eitel und wollten nicht verlieren, was sie erreicht hatten. Aber das ist kein schöner Impuls. Also loben kann man sie nicht dafür.“

Zumal es um Dringlicheres geht. „Das Ziel ist: wirklich, wirklich darüber nachzudenken, was passiert denn mit künstlerischen Biografien, wenn sich die Politik ändert? Genau diese Frage stellt sich uns doch im Moment. Was passiert denn, wenn wir jetzt ein Stück aufführen, das so richtig ordentlich stramme FPÖ-Wähler sehen wollen? Aber ich weiß gar nicht, wie so ein Stück aus­sehen würde! Theater“, fährt sie fort, „ist ständig in Gefahr. Das muss man schützen und nicht als Elend beschimpfen. Wir werden sonst alle weggewischt.“

Heißt? „Die FPÖ schreibt in ihrem Parteiprogramm, wenn sie die alleinige Regierung hätten, würden sie so etwas wie die Festwochen sofort streichen. Da ist doch bei einigen Leuten stark die Frage aufgekommen, ob es gerechtfertigt ist, was wir machen, staatlich zu subventionieren. Ich glaube, dass die Gruppe, die Kunst Geldverschwendung nennt, größer und lauter geworden ist. Da muss man sich jetzt mit guten, sachlichen Argumenten wappnen. Es wird immer darüber geredet, wie viel Geld Künstler verdienen oder verschwenden, aber ein Theater wie das Burgtheater hat über 700 Angestellte. Und nur 70 davon sind Künstler. Was ist denn mit den anderen? Sind die egal? Oder was das für eine Stadt wie Wien bedeutet, dass es eine Kulturhauptstadt ist und dafür Gäste aus aller Welt anreisen?“

Fragen über Fragen. Und eine dringlicher als die andere.

Blurred image background
 © Rowohlt

Über die Autoren

Logo
Monatsabo ab 20,63€
Ähnliche Artikel
2048ALMAITVEUNZZNSWI314112341311241241412414124141241TIER