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Abschied von den alten Meistern

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©Sebastian Reich/Trend
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Die letzte Ausstellung als Direktorin des Kunsthistorischen Museums widmet Sabine Haag dem Niederländer Rembrandt und seinem Schüler Hoogstraten. Mit News sprach sie über ihre Sorge um die Freiheit der Kunst, die Gefahr von Nationalismus, Vorwürfe, sie sei konservativ, und was von ihr bleiben soll

Harmenszoon van Rijn (1606–1669), einer der bedeutendsten Künstler des Barock, beherrschte die Kunst, mit seiner Malerei das Auge zu täuschen, das heißt, Personen so darzustellen, als wären sie in Bewegung, und Gegenstände, als wären sie tatsächlich greifbar. Sein Schüler Samuel van Hoogstraten (1627– 1678) verblüffte mit der Abbildung des Wiener Burghofs sogar Kaiser Ferdinand III.

Dass einem der bedeutendsten Maler des Barocks noch keine eigene Ausstellung in Kunsthistorischen Museum gewidmet war, wollte Direktorin Sabine Haag vor Ende ihrer Amtszeit am 31. Dezember noch ändern. 28 Arbeiten des Niederländers Rembrandt sind 29 Gemälden seines Schülers Samuel van Hoogstraten gegenübergestellt. Da das Haus selbst nur wenige Objekte dieser Künstler in seiner Sammlung hat, war man auf Leihgaben angewiesen. Dass das KHM die gewünschten aus anderen Museen ausleihen konnte, sei vor allem der Bonität des Hauses zuzuschreiben.

Dass sie erst jetzt aus dem Amt scheidet, war von der Politik nicht vorgesehen: 2019 sollte der Deutsche Eike Schmidt das Haus übernehmen, doch gab er kurz vor Antritt bekannt, lieber doch in den Uffizien von Florenz bleiben zu wollen, wo er um Verlängerung gepokert hatte. Das degoutante Manöver hat sich auf längere Sicht nicht gelohnt: Schmidt wollte im Juni als Kandidat einer Rechtsallianz Bürgermeister von Florenz werden und fiel durch. 2019 wurde Sabine Haag auf Knien zurückgebeten. Nun ist es tatsächlich Zeit für das Abschiedsinterview.

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Selbstporträt des 60-jährigen Rembrandt

 © English Heritage/KHM

Was verstehen Sie unter Bonität? Die finanzielle Lage des Hauses?

Das, wofür das KHM steht. Das Kunsthistorische Museum ist eine Institution von Weltrang. Sie ist zwar nicht so groß wie der Louvre oder das Metropolitan Museum, die enorme Bedeutung unserer Sammlungen hingegen ist anerkannt. Egal, wo ich hinkomme, wenn ich sage, ich komme vom Kunsthistorischen Museum, dann glitzern die Augen, dann wird der rote Teppich ausgerollt.

Schmerzt da nicht der Abschied?

Nein. Das ist ein Abschied, den ich erstens selbst autonom bestimmen wollte und zweitens ganz bewusst auch gesetzt habe. Natürlich geschieht das Abschiednehmen nicht leichten Herzens, aber die Freude darüber, dass ich ein sehr gut aufgestelltes Haus an meinen Nachfolger übergeben kann, über Erfolge, das wachsende Publikum, das Gelingen von Ausstellungen, wie „Rembrandt – Hoogstraten“ jetzt, überwiegt.

Empfanden Sie Genugtuung, dass Eike Schmidt jetzt als Rechtspolitiker durchgefallen ist?

Ich kenne das Wort Genugtuung für mich nicht. Sein plötzliches Nichtantreten bei uns habe ich als Ungeheuerlichkeit dem Haus gegenüber gefunden. Aber ehrlich gesagt, ist Herr Eike Schmidt schon lange kein Thema mehr für mich.

Haben Sie Sorgen um die Zukunft des Hauses in diesen politischen Zeiten?

Das jetzige Wahlergebnis fordert besondere Aufmerksamkeit für die Kulturszene. Es ist sehr wichtig, dass die befürchtete Nationalisierung, die Einengung auf Volkskultur, wie vielfach befürchtet wird, sich nicht durchsetzt, sondern die Vielfalt erhalten bleibt. Für uns ist ganz wichtig, dass das, was Staatssekretärin Andrea Mayer für uns verhandelt hat, an Mitteln, an Präsenz, an wichtigen Themen, fortgeführt werden kann. Wir befinden uns tatsächlich in einer Umbruchsituation, aber das ist für die Menschheit nichts Neues. Wir haben großes Vertrauen, dass der Bundespräsident jetzt besonnen und klug die Gespräche initiiert und auch von den Vertreterinnen und Vertretern der Parteien einfordert, an die Zukunft Österreichs zu denken. Das beinhaltet notwendigerweise dringender denn je einen gesicherten Platz für Kunst und Kultur in ihrer vielfältigen Weise.

Wir haben natürlich Sorge vor Nationalismus, vor Orbanisierung, dass es möglicherweise nur mehr Volkskultur gibt. Die Vielfalt ist diese Stärke, die Österreich als Kulturnation ausmacht, ich möchte das jetzt wirklich hier betonen, wir müssen für die Freiheit der Kunst kämpfen.

Sabine HaagGeneraldirektorin KHM

Sind Zustände wie in der Slowakei, in Italien oder in Ungarn zu befürchten?

Wir haben natürlich Sorge vor Nationalismus, vor Orbanisierung, dass es möglicherweise nur mehr Volkskultur gibt. Die Vielfalt ist diese Stärke, die Österreich als Kulturnation ausmacht, ich möchte das jetzt wirklich hier betonen, wir müssen für die Freiheit der Kunst kämpfen.

Extrem betrachtet, müsste man im Fall einer Nationalisierung fast das ganze KHM ausräumen?

Ich betone darum immer wieder, das Kunsthistorische Museum ist nicht das Nationalmuseum Österreichs, wir sind ein international agierendes Haus mit immer schon internationalen Sammlern, die international agiert haben, aber auch internationale Künstler gesammelt haben. Wenn Sie durch unser Haus gehen, dann durchschreiten sie Europa, ohne Barrieren zu finden, gehen Sie nahtlos von Italien nach Spanien, von Deutschland nach Flandern in die Niederlande und so weiter und so weiter. Das ist augenfällig gewordene Europapolitik.

Was die Freiheit der Kunst anlangt, höhlt sich diese Kunst nicht selbst aus durch Canceln? Jetzt wird über Gauguin diskutiert.

Das Problem bei diesen Cancel-Culture-Themen ist, dass sie eine Betrachtung nicht aus dem historischen Kontext heraus in den Vordergrund stellen, sondern die Kunst nur mit heutigen möglichen erlaubten Fragestellungen, Moralvorstellungen, Haltungen und Ethos beurteilen. Museen sind Gedächtnisspeicher per se, Orte, wo Kulturgut aufbewahrt wird, und ganz wichtig ist, sie sind ein Ort der Begegnung, der Auseinandersetzung, der Diskussion. Durch Wegsperren, durch Reduktion, durch Zensur ist das alles nicht mehr möglich. Der Schlüssel ist, miteinander iGespräch zu bleiben, nicht durch gegenseitiges Ausschließen oder gar, dass man seine Meinung nicht mehr sagen darf. Das führt in eine Sackgasse.

Die fünf Jahre Ihrer Verlängerung waren eine harte Zeit, erst die Pandemie, dann der Krieg in der Ukraine. Ist Ihr Haus auch davon betroffen?

In der Pandemie mussten wir uns wirtschaftlich vollkommen neu erfinden. Wir haben nicht den Kopf in den Sand gesteckt und gesagt, als Bundesmuseum wird uns schon der Staat retten. Wir haben eine Strategie entwickelt, wie wir durch kluge Personalpolitik, kluge Ausstellungsprogrammierung, kluge Publikumsansprache die Verluste minimieren. Als Russland die Ukraine überfallen hat, haben wir den Kolleginnen und Kollegen unsere Hilfe angeboten. Asyl, das heißt Schutz für Objekte, die in Sicherheit gebracht werden müssen, aber auch unsere digitalen Datenbanken, dass man die Objekte in den ukrainischen Museen einfach auch auf unsere Server überspielen kann, dass sie zumindest auch im digitalen Raum gesichert sind. Und die russischen Museen waren immer schon wichtige Partnermuseen. Kooperationen mit der Eremitage, die uns in Struktur, in Geschichte, in der Vielfalt der internationalen Meister ähnlich ist, oder mit dem Puschkin-Museum mussten von einem Tag auf den anderen gestoppt werden. Auch die Kontakte mit den Kolleginnen und Kollegen, die wissenschaftlichen Projekte, Kooperationen. Das ist ein Verlust, gar keine Frage. Es wird sicherlich noch lange dauern, bis hier wieder eine Änderung und Normalisierung eintreten kann.

Hatten Sie bei Kriegsausbruch etwas nach Russland verliehen?

Nein, aber das hätten wir sofort zurückgefordert.

Was entgegnen Sie jenen, die Sie als konservativ kritisieren?

Jeder kann Kritik äußern, wie er möchte. Ich habe gewisse konservative Werte, zu denen stehe ich, aber in meiner Museumsarbeit habe ich immer versucht, innovativ zu sein. Aber wir sind ein Haus der alten Meister. Das mag vielleicht ein bisschen konservativ erscheinen, weil wir keine moderne und zeitgenössische Kunst sammeln und das auch nicht tun werden, die zugegebenermaßen offensichtlich sehr oft als „more hip“ wahrgenommen wird. Aber wir haben sehr wohl begonnen, uns ganz intensiv auf eine kluge, für uns passende Art und Weise mit der zeitgenössischen Kunst auseinanderzusetzen.

Der Hollywood-Regisseur Wes Anderson hat eine Ausstellung gestaltet.

Viele andere Museen hätten sich gewünscht, dass sie diese Ausstellung auch erfunden hätten. Mir ging es immer auch darum, die DNA des Kunsthistorischen Museums in eine Zukunft zu führen und auszuloten: Was geben unsere Sammlungen an innovativen Ideen und Möglichkeiten und Auseinandersetzungen her? Wenn man anschaut, was wir alles gemacht haben, ist das von konservativ weit weg, ich würde es als innovativ bezeichnen, als zeitgemäß, als anregend, als schon auch generationenübergreifend.

Mit der nächsten Ausstellung, „Arcimboldo – Bassano – Bruegel“, haben Sie Ihrem Nachfolger Jonathan Fine einen Blockbuster aufgelegt. Was planen Sie für Ihre Zukunft?

Die bestmögliche Übergabe an meinen Nachfolger gewährleisten, der ja schon als Direktor des Weltmuseums so quasi im Haus ist. Das Schöne in meinem Beruf ist, dass man den nicht beendet, indem man ein Museum verlässt. Ich bin ausgebildete Kunsthistorikerin und Anglistin und Präsidentin der österreichischen UNESCO-Kommission, habe verschiedene andere Aufsichtsratsmandate und Aufgaben.

Was soll von der Direktion Haag im Gedächtnis bleiben?

Mein sicherlich großes Verdienst und auch mein wirklich persönlich großes Projekt war die Neuaufstellung der Kunstkammer. Ich habe mit dem Motto begonnen, wir werden zu den alten Meistern zurückkehren und es wird ein Fortschritt sein. Das ist uns, glaube ich, in diesen 16 Jahren wirklich gut gelungen und, wenn ich das jetzt sehr selbstbewusst sagen darf, eine Steilvorlage für meinen Nachfolger.

16 Jahre im Amt: Sabine Haag, 62, seit 2009 Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums, übergibt am 31. Dezember an den New Yorker Jonathan Fine Der alte Meister und sein Schüler: Selbstporträt des 60-jährigen Rembrandt (links) und so sah sich sein Schüler Samuel van Hoogstraten als 18-Jähriger. Zu sehen in der Ausstellung „Rembrandt – Hoogstraten“ bis 12. Jänner 2025, www.khm.at

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