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Freunde und Angehörige sollten bei der Planung dieser Programmpunkte jedoch genau hinschauen: Denn was einst lustig war, sorgt heute oft bestenfalls für ein mildes Lächeln - oder gilt als nervig oder gar übergriffig. Hochzeits-Profis stellen ein paar alte Traditionen auf den Prüfstand - und geben Tipps, wie man es besser machen könnte.
"Ein alter Brauch, der sich immer noch hält und bleiben wird" ist Sarah Kiehl als erste Vorsitzende des Bundes Deutscher Hochzeitsplaner, überzeugt. Auch, wenn die wenigsten vermutlich den historischen Hintergrund kennen (oder mögen würden). Denn ursprünglich stammt diese Tradition aus Zeiten, in denen Ehen arrangiert und die Braut quasi gegen "Bezahlung" an die Familie des Bräutigams übergeben wurde.
Davon ist man heute allerdings weit entfernt und längst nicht mehr auf die besondere Rolle des Vaters festgelegt. "Ich habe auch schon Bräute gehabt, die ließen sich vom Bruder, dem Stiefvater oder der Mutter begleiten. Das ist Trend", berichtet Kiehl. Und auch gut so: "Hauptsache, einer der Lieblingsmenschen ist an meiner Seite!"
Es soll ein Symbol für Fruchtbarkeit und Wohlstand sein und natürlich viel Glück bringen. Doch Reis werfen vor der Kirche oder dem Standesamt ist heute out. Nicht nur, weil viele Menschen Lebensmittel nicht einfach zum Spaß verschwenden wollen, sondern auch aus rein rechtlichen und praktischen Erwägungen. "Reis ist zu 99 Prozent bereits überall verboten", sagt Sarah Kiehl. Denn viele Städte fürchten, dass Tauben angelockt werden. Zudem sei Kopfsteinpflaster mit seinen Zwischenräumen schwierig zu reinigen.
"Inzwischen wird der Reis durch umweltfreundlichere Varianten ersetzt", so die Hochzeitsplanerin - zum Beispiel getrocknete oder frische Blütenblätter oder nachhaltiges Konfetti, das aus Blättern gestanzt ist.
Wer auf Hinterlassenschaften auf dem Boden (und auch das Fegen danach) verzichten möchte, sollte lieber Seifenblasen in die Luft blasen. Und damit das besser wirkt, am besten viele Röhrchen besorgen und vorher an die Gäste verteilen.
Oft versperrt den Brautleuten ein dicker Baumstamm den gemeinsamen Lebensweg, der zunächst einmal von beiden zersägt werden muss - schlimmstenfalls vielleicht sogar noch mit einem stumpfen Werkzeug. "Das soll Zusammenarbeit in der Ehe symbolisieren", sagt Sarah Kiehl. Aber: "Es besteht das Risiko, dass das Brautkleid beschädigt wird!" Oder zumindest, dass vielleicht die schönen Handschuhe der Braut oder der teure Anzug des Bräutigams schmutzig werden.
Thomas Sünder, Autor des Trauzeugen-Ratgebers "Wer hat eigentlich die Ringe?", gibt außerdem zu bedenken: "Womöglich ist es an diesem Tag sehr heiß und das Paar gerät bei der körperlichen Anstrengung dann richtig ins Schwitzen." Seine Meinung zu diesem Brauch: "Was soll das bringen?" Er jedenfalls halte nichts davon.
Gleiches gilt für die Kategorie "Herz aus Bettlaken schneiden" - natürlich, um die Mühen des Paares noch zu erschweren, mit einer kleinen Nagelschere. "Eigentlich geht es doch darum, dass man den Brautleuten etwas Gutes tun will an solch einem Tag", sagt Thomas Sünder. "Da fragt man sich schon, was hieran schön oder lustig sein soll."
Der Autor, der als DJ mehr als 500 Hochzeiten begleitet hat, hat auch schon einmal erlebt, dass sich ein Paar auf diesen "worst case" vorbereitet und Freunde beauftragt hatte, eine scharfe Schere mitzubringen. "Um das Prozedere schnell hinter sich zu bringen!" Das sollte Planende nachdenklich machen, denn: "Es kann ja eigentlich nicht sein, dass ich meine Gäste austricksen muss, damit sie mir an meinem großen Tag keine unerwünschten Hürden in den Weg stellen."
Und ob Stamm-Zersägen oder Herz-Ausschneiden, so manche Bräuche haben auch gleich zwei Nachteile: "Sie sind zeitintensiv. Und oft werden solche Sachen, die als lustig gelten, von vielen anderen als langweilig empfunden."
Also: Besser lassen. Oder sich etwas anderes ausdenken: "Eine schöne Alternative könnte sein, gemeinsam eine Tafel zu bemalen oder ein Puzzle zusammenzusetzen", sagt Sarah Kiehl.
"Nein, nein, nein - super klares Nein", sagt Hochzeitsplanerin Kiehl. Sie verweist auch auf die Kritik von Tierschützern, wonach die weißen Tauben speziell nur für diesen einen Zweck gezüchtet werden - und nach dem Auflassen wegfliegen und kläglich verhungern, weil sie nicht in der Lage sind, nach Hause zu finden. Oder aber sie sind durch ihr auffälliges Äußeres eine leichte Beute für Greifvögel.
Hinzu kommt: So manche Braut könne auch Angst um ihr Kleid haben - oder hätte einfach Angst oder keine Lust, einen Vogel in der Hand zu halten. Punktum: "Tauben fliegen zu lassen, ist ein absolutes No-Go."
Aber es gibt ja tierfreundliche Alternativen! Thomas Sünder schlägt vor, dass die Gäste gemeinsam Luftballons in den Himmel steigen lassen. "Das ist zwar nicht neu, aber immer wieder ein schöner Moment, bei dem man auch schöne Fotos machen kann."
Sein Tipp: "Auf jeden Fall vorher ausprobieren, wie so etwas funktioniert, damit ich ein Gefühl bekomme, wie lange ich dafür brauchen werde, 50 Luftballons zu füllen und einzeln zu verknoten."
Sarah Kiehl empfiehlt, bei Ballons auf Naturprodukte umzusteigen. Dafür gebe es einige wenige Anbieter in Deutschland. "Reguläre Ballons und die Schnüre verursachen extrem viel Müll. Und davon rate ich persönlich immer wieder ab." Außerdem kann eine Genehmigung durch die Flugsicherung nötig sein.
Für Thomas Sünder "der schlimmste Brauch überhaupt". Das heißt: Freunde verschwinden mit der Braut heimlich von der Feier, der Bräutigam muss sie finden und meist in einer Gaststätte "freikaufen". Abgesehen davon, dass dies frauenfeindlich sei, sollte man nach Ansicht des Hochzeits-Profis bedenken: "Das Paar plant diesen Tag über Monate oder Jahre im Voraus und hat ganz genaue Vorstellungen. Und dann wird man getrennt von seinen Liebsten, um anschließend in irgendeinem Beisl irgendwelche komischen Trinkspiele zum "Freikaufen" machen zu müssen? Das kann es nicht sein."
Auch ist dieser Brauch sehr zeitintensiv - und die Feiergesellschaft länger ohne Brautpaar. "Das killt die Stimmung immens", bestätigt Sarah Kiehl.
Thomas Sünder kennt Hochzeiten, bei denen dies zu einer sehr unübersichtlichen Situation geführt habe und keiner mehr wusste, was eigentlich los war. Ergo: "Dieser Brauch gehört einfach abgeschafft."
Alles andere als witzig ist es Sünder zufolge auch, wenn während der Hochzeitsfeier die private Umgebung des Paares "umdekoriert" wird. Wenn Freunde etwa einen Haustürschlüssel haben und dann im Zuhause des Paares Stroh verteilen. Da wird der vermeintliche Gag für das Paar beim Nachhausekommen zu einer bösen Überraschung.
"Das Schlimmste, was ich in dem Zusammenhang je erlebt habe, war, dass jemand das Auto der Brautleute mit Styroporkügelchen gefüllt hat", erzählt der frühere Hochzeits-DJ. Das war zum einen nicht lustig und bedeutete zum anderen einen richtigen Sachschaden, weil sich das Dienstfahrzeug nicht mehr komplett davon befreien ließ. Wenn es denn sein soll: Nichts Reinigungsaufwändiges, sondern lieber eine romantische Deko vorbereiten - mit Luftballons beispielsweise.
"Statt bei komischen Spielen wie Braut-Füttern oder mit dem Bobby-Car-Fahren für ein zweifelhaftes Vergnügen zu sorgen, das vielleicht sogar entwürdigend wirkt, wäre es viel schöner, wenn die Gäste gemeinsam etwas für das Brautpaar tun", sagt Thomas Sünder. Zum Beispiel, ein gemeinsames Lied zu singen, das mit dem Brautpaar zu tun hat. "Das sind dann Gänsehaut-Momente."
Ergänzt werden kann so etwas auch noch durch eine besondere Lichter-Zeremonie. "Vor allem, wenn die Trauung am Abend stattfindet, werden Lichter von Gästen gerne eingebunden", so Sarah Kiehl. Auch LED- oder Handylichter könnten zu einem bestimmten Song dann für eine stimmungsvolle synchrone Lichtshow sorgen.
Der relativ neue Brauch, Laternen in den Abendhimmel steigen zu lassen, ist in Deutschland inzwischen aus Sicherheitsgründen verboten. Auch bei Wunderkerzen, die von allen Gästen zeitgleich - etwa beim Eröffnungstanz - angezündet werden, sollte man nach Ansicht von Thomas Sünder vorsichtig sein: "Da gibt es etliche Sicherheitsauflagen."
Aber noch immer, so Sarah Kiehl, spielen Kerzen eine große Rolle bei Hochzeiten, "weil sie für Licht und Wärme in der Ehe stehen". Manche Paare wünschen sich diesen Effekt vor allem in einer freien Trauung - ergänzt um einen besonderen Text zur Geschichte der Kerze und zur Bedeutung für das Paar in der Ehe. Bei der Zeremonie entzünden Braut und Bräutigam dann gemeinsam eine große Kerze. "Häufig mit individuellen Sprüchen oder Verzierungen gestaltet und als Zeichen für ihre Vereinigung", so die Hochzeitsplanerin.
Übrigens: Nicht nur am Tag der Hochzeit kann diese Kerze dann eine besondere Bedeutung haben, sondern im wahrsten Sinne nachhaltig leuchten: Man kann sie am Hochzeitstag, aber manchmal im Laufe der Jahre auch in Krisenmomenten erneut anzünden, um an das Eheversprechen zu erinnern.
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