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So viel Gift steckt in unserem Alltag

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Wir sehen sie nicht, wir hören sie nicht. Und dennoch sind wir permanent von ihnen umgeben. Tragen sie auf unserer nackten Haut, atmen sie ein. Giftige Chemikalien sind allgegenwärtig. Und haben mitunter gravierende Folgen für unsere Gesundheit.

"Einen Großteil unseres Lebens verbringen wir zuhause", stellt Prof. Hans-Peter Hutter vom Zentrum für Public Health an der MedUni Wien fest. Jenem Ort, der uns Geborgenheit vermittelt, an den wir uns zurückziehen können, um neue Energie zu tanken. Und der vor giftigen Chemikalien möglicherweise nur so strotzt. Denken Sie einmal wortwörtlich an Ihre vier Wände. Womit sind sie gestrichen? Und der Parkett? Ist er mit einer Schicht Lack versehen? Wie steht es um die Arbeitsplatte in Ihrer Küche? Und um Ihre Schränke? Stichwort organische Kohlenwasserstoffe.

Geruch verrät gefährliche Substanzen

Kohlenwasserstoffe dienen unter anderem als Lösungsmittel in Farben und Lacken, werden in Holzfaserplatten ebenso wie in Kunststoffen und Textilien und damit in Einrichtungsgegenständen aller Art eingesetzt. Die von ihnen ausgehenden Dämpfe können Befindlichkeitsstörungen wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen hervorrufen. Darüber hinaus können sie zu Reizerscheinungen an den Augen und den oberen Atemwegen führen. Mögliche Folgen sind gerötete, juckende Augen, Halskratzen bis hin zu allergischen Symptomen und Atemwegsinfekten. Aufgrund der Vielfalt der Symptome ist es meist schwierig, den besagten Stoff als eigentlichen Grund der Beschwerden zu identifizieren.

"Oft ist es ein eigenartiger Geruch", der auf eine mögliche Gesundheitsgefährdung hindeutet. Denken Sie einmal an den Duft, der Ihnen beim Betreten eines Möbelhauses in die Nase steigt. Was Sie hier riechen, ist ein Sammelsurium an flüchtigen Substanzen, wie sie etwa von Möbelstücken abdampfen. Oft ist es auch nur ein diffuses Gefühl des Unbehagens, das uns stutzig machen sollte. Der Gedanke "Irgendetwas stimmt hier nicht". Ob es sich nun um eine Wandfarbe, den Parkettkleber oder um einen Einrichtungsgegenstand handelt, der Facharzt rät: "Überlegen Sie gründlich, bevor Sie etwas kaufen. Investieren Sie genügend Zeit in die Recherche." Gütesiegel helfen uns dabei, ein Produkt zu wählen, das die Gesundheit weniger stark belastet.

Langzeitwirkungen oft unbekannt

Andere in Alltagsgegenständen verarbeitete Stoffe, die wir oft zwar nicht riechen können, die deswegen aber nicht weniger schädlich sind, sind Flammschutzmittel. Wir finden sie in Dämmstoffen ebenso wie in Textilien wie Vorhängen und Polstermöbeln, im Gehäuse von Elektro- und Elektronikgeräten oder in Kabeln. Viele der Flammschutzmittel sind Hutter zufolge nicht ausreichend beforscht. Oft weiß man nicht, wie sie in niedrigen Konzentrationen langfristig auf unsere Gesundheit wirken. Was man dagegen mit Sicherheit sagen kann, ist, dass sie sich nicht nur im Hausstaub, sondern auch in unseren Körperflüssigkeiten wiederfinden. Was uns doch nachdenklich stimmen sollte.

Ebenfalls im Hausstaub reichern sich Biozide an, wie sie in Desinfektions-, Holzschutz- und Insektenvernichtungsmitteln zum Einsatz kommen. "Für uns Erwachsene ist das schon nicht okay", warnt Hutter. Besonders gefährdet sind aber Kleinkinder, da sie sich vermehrt in Bodennähe aufhalten. Die Schadstoffe gelangen über die Hände in den Mund und damit in den empfindlichen kindlichen Organismus. Dass sie zu Reizerscheinungen führen können, ist noch das geringere Übel in Anbetracht der Tatsache, dass sie bei chronischer Einwirkung das Nervensystem, das Hormonsystem und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen können. Darüber hinaus stehen etliche Biozide im Verdacht, krebserregend zu wirken.

Weichmacher - ein bekannter Übeltäter

Seit längerem im Fokus der öffentlichen Kritik stehen die sogenannten Phthalate. Als Weichmacher für Kunststoffe kommen sie in einer Vielzahl verschiedenster Produkte zum Einsatz - vom Kinderspielzeug über Bodenbeläge und Duschvorhänge bis hin zu Kosmetikprodukten. Studien zufolge können sie den Hormonhaushalt beeinflussen und zu Unfruchtbarkeit, Übergewicht und Diabetes führen. Zudem ist nicht auszuschließen, dass sie bei Frauen das Risiko für eine Frühgeburt erhöhen. So viel zu jenen Schadstoffen, die in Gegenständen enthalten sind, die in unserem Alltag oft unverzichtbar scheinen.

Wo der Verzicht hingegen leichter fallen dürfte, sind Räucherstäbchen. Beim Verbrennen der Stäbchen entsteht nicht nur winzigster Feinstaub, es werden auch krebserregende Stoffe wie Benzol freigesetzt, die den feinen Partikeln anhaften und, wenn wir sie einatmen, tief in unsere Lunge vordringen können. Über die Lungenbläschen gelangen die Partikel schließlich in unseren Blutkreislauf und damit in den gesamten Organismus. Auf diese Weise können Räucherstäbchen - je nach Häufigkeit und Dauer unserer Exposition - die Entwicklung von Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen begünstigen, wobei die Bandbreite Letzterer von Asthma bis hin zu Lungenkrebs reichen kann. Nicht zuletzt beeinträchtigt Feinstaub auch unsere geistige Leistungsfähigkeit.

Reinigungsmittel: Weniger ist mehr

Meist nicht verzichten können und wollen wir dagegen auf Reinigungsmittel - den Haushalt ebenso wie die Körperpflege betreffend. Hier gilt allerdings die Devise: Weniger ist mehr. "Man verwendet heute lieber Desinfektionstücher und -sprays, als dass man sich regelmäßig die Hände wäscht und den Raum lüftet", bemängelt der Umwelthygieniker. Antibakterielle Waschlotionen werden sanften Reinigungsmitteln wie der Seife vorgezogen. Reinigungsmittel mit desinfizierenden Substanzen seien aber weder notwendig noch sinnvoll und sollten nur dann eingesetzt werden, wenn vom Arzt angeordnet.

Egal ob in der Bodylotion oder im Waschmittel - ebenso sparsam umgehen sollte man mit Duftstoffen. So viele verschiedene es gibt - dem Experten zufolge bis zu 3.000 an der Zahl -, so wenig weiß man über sie. In vielen Fällen ist nicht erforscht, welche gesundheitlichen Konsequenzen es mit sich bringen kann, wenn sie über Jahre hinweg auf unseren Organismus einwirken. Schon etwas eindeutiger ist da die Datenlage in puncto Antitranspirantien. Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die aufgrund ihres Aluminiumgehalts in Verruf geratenen Schweißhemmer Alzheimer und Brustkrebs fördern. "Wenn auch nur der Verdacht besteht, würde ich es mir angesichts dieser schwerwiegenden Erkrankungen zwei Mal überlegen, ob ich entsprechende Produkte verwende", mahnt Hutter.

Wir wünschen - die Industrie spielt

Und dann wäre da noch die Kleidung. Buntes soll möglichst lang so farbenprächtig bleiben, wie es war, als wir es gekauft haben. Weißes soll auch noch nach dem x-ten Waschgang hell strahlen. Die Bettwäsche sollte bügel- und das Hemd idealerweise knitterfrei sein. Das ist natürlich alles möglich - etwa mit Formstabilisatoren, Weichmachern, Schwermetallen, optischen Aufhellern und speziellen Farben. Die sogenannten Azofarbstoffe als größte Gruppe verwendeter Farbstoffe beispielsweise sind farbstabil. Weder Licht noch häufiges Waschen führen zum raschen Ausbleichen. Dafür aber haben sie krebserzeugendes Potential.

Nun stellen Sie sich die Frage: Ist das alles denn auch tatsächlich notwendig? Zugegeben, ein Leben ganz ohne Chemikalien ist heutzutage nicht mehr denkbar. Doch auch hier gilt: Die Dosis macht das Gift. Was ist also unvermeidbar? Und worauf können wir problemlos verzichten? In den meisten Lebensbereichen haben wir die Wahl. Ob es sich nun um die Wandfarbe, die Couch, das Putzmittel oder das Hemd handelt - der Mediziner appelliert zu einem bewussten Umgang. Schließlich liegt es an uns, den Kontakt mit potenziellen Gefahrenquellen, die tagein, tagaus auf uns einwirken, so gut als möglich zu minimieren und damit Gesundheitsrisiken vorzubeugen.

Physische Gesundheit

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