Ein Hygienespüler für die Wäsche, antibakterielles Reinigungsmittel für Bad und WC und - nicht zu vergessen - das praktische Handgel für Unterwegs. Mit anderen Worten: Wir desinfizieren, was das Zeug hält. Doch tun wir uns damit wirklich etwas Gutes? Die Antwort lautet: Nein!
von
"Viele desinfizieren das Schneidbrett in der Küche, nachdem sie mit Fleisch hantiert haben", weiß die Hygienikerin und Mikrobiologin Prof. Miranda Suchomel. Andere wiederum schreiten, mit entsprechenden Mitteln bewaffnet, auf der Toilette zur Tat. Das Ziel: die Klobrille, auf der es, so die Annahme, von gefährlichen Keimen nur so wimmelt. Ebenfalls gerne desinfiziert werden Türschnallen. Der eine oder andere versucht per Desinfektion auch der Schimmelflecken, die sich im Badezimmer angesiedelt haben, Herr zu werden. "Notwendig ist das alles aber nicht", weiß die Expertin von der MedUni Wien.
Nehmen wir zum Beispiel die Toilette. Hier lautet die Regel: Runterspülen und Hände waschen. Wer darauf achtet, dass die Mikroorganismen dort bleiben, wo man sie abgeladen hat - nämlich in der Kloschüssel -, und sich nach verrichteten Dingen gründlich die Hände wäscht, braucht keine weiteren Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Das Gleiche gilt für die Küche. Wobei Fleisch nicht die einzige potenzielle Gefahrenquelle in Sachen Keime darstellt. "Auf rohem Salat tummeln sich weit mehr Kolibakterien, als wir für gewöhnlich in der Klomuschel finden", erklärt Suchomel. "Und den desinfizieren wir ja auch nicht."
Desinfizieren meist nicht notwendig
Ist der Salat erst einmal gewaschen, sind die Oberflächen dran, mit denen er in ungewaschenem Zustand in Berührung gekommen ist. Desinfektionsmittel ist dabei aber nicht vonnöten. Geschirrspülmittel reicht vollkommen. Dasselbe gilt für das Brett, auf dem rohes Hühnerfleisch geschnitten wurde. Und was den einen oder anderen kleinen Schimmelfleck in den Badezimmerfugen betrifft: "Der wird einem nicht absichtlich ins Gesicht springen". Sprich: Für einen gesunden Menschen stellt er keine Gefahr dar. Wer ihm dennoch zu Leibe rücken will, ist mit einer Bürste, etwas Spülmittel und Wasser gut beraten.
Mehr zum Thema: Die größten Keimfallen im Haushalt
Etwas Anderes ist es, wenn eines der Familienmitglieder gerade an einer starken Durchfallerkrankung leidet. Wer auf Nummer sicher gehen will, desinfiziert Klobrille, Türschnallen und gegebenenfalls auch Hände. Oder wenn man seine vier Wände mit einer immungeschwächten Person teilt. Bei dieser ist das Ansteckungsrisiko von Haus aus größer. Doch muss man deswegen gleich desinfizieren? Die Expertin meint: Nein. Für gewöhnlich reicht es aus, sich gründlich die Hände zu waschen. Nach dem Toilettengang ebenso wie nach dem Schneuzen. Zumal übertriebene Hygiene einer gesunden Person mehr schadet als nutzt.
Darum ist zu viel Hygiene ungesund
"Jedes Mal, wenn unser Immunsystem mit Mikroorganismen oder Erregern konfrontiert wird, lernt es dazu", erklärt Suchomel. Antikörper werden aktiviert und die unerwünschten Eindringlinge abtransportiert. Unsere körpereigene Abwehr wird immer wieder von Neuem angeregt. "Nur so kann man ein gutes Immunsystem aufbauen." In einer sterilen Umgebung dagegen lernt unser Körper nicht, potenzielle Angreifer abzuwehren. Kommt es dann zu einer Konfrontation, ist das Immunsystem unter Umständen völlig überfordert. "Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kontakt in eine Krankheit mündet, ist ungleich größer."
Darüber hinaus vergessen wir nur allzu gerne, dass uns diverse Mikroorganismen nicht zwangsläufig schaden. Im Gegenteil: Viele von ihnen helfen uns dabei, gesund zu bleiben. "Wenn wir sie alle miteinander eliminieren, hat unser Körper keine funktionierende Schutzschicht mehr." Das merkt man allein schon daran, dass Personen, die exzessive Körperhygiene betreiben, verstärkt zu Ekzemen neigen. Zudem steigt mit dem Versuch, die Umgebung möglichst keimfrei zu halten, das Risiko, eine Allergie zu entwickeln. Alles in allem wären "Leute, die übertriebene Hygiene betreiben, à la longue krankheitsanfälliger".
Desinfektionsmittel als Allergieauslöser
Apropos Allergie: Im Super- oder Drogeriemarkt erhältlichen Desinfektionsmitteln sind oft Substanzen beigemengt, die dafür sorgen, dass das Produkt gut riecht oder sich angenehm anfühlt. Die Zusatzstoffe haben allerdings einen gehörigen Nachteil: Sie können Hautausschläge verursachen, Allergien auslösen oder anderweitig schaden. Der Gesundheit ebenso wie diversen Oberflächen, auf denen sie zum Einsatz kommen. Und dann wäre da noch die Sache mit den Resistenzen. "Mit Desinfizieren meinen wir, Mikroorganismen auf ein Maß zu reduzieren, dass von ihnen keine Infektionsgefahr mehr ausgeht", erklärt Suchomel.
Um hier einen Erfolg zu verbuchen, müsse man drei wesentliche Aspekte beachten: Der Wirkstoff muss in einer gewissen Konzentration für eine gewisse Dauer einwirken. "Wobei die Konzentration", so die Expertin, "der Knackpunkt ist." Man könne davon ausgehen, dass sich die wenigsten Personen bei der heimischen Anwendung genau an die Vorgabe, die Relation von Wirkstoff und Wasser betreffend, halten. "Wenn ich Glück habe, habe ich überdosiert. Dann habe ich sämtliche Erreger abgetötet, möglicherweise aber auch die Fläche beschädigt, die ich behandelt habe", erklärt Suchomel. "In den meisten Fällen wird aber unterdosiert."
So macht man Mikroorganismen resistent
Und genau hier liegt das Problem. Verwendet man nämlich eine geringere Konzentration, als für den entsprechenden Wirkstoff vorgesehen, hemmt man die Mikroorganismen nur vorübergehend. "Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätte ich alles abgetötet. Sobald das Umfeld aber wieder geeignete Bedingungen bietet, feucht und warm ist, wachsen die Mikroorganismen fröhlich weiter." Und als wäre das noch nicht genug, entwickeln sie möglicherweise auch Strategien gegen den Wirkstoff. Sprich: Sie werden resistent. Der bis dato eingesetzte Wirkstoff kann ihnen folglich nichts mehr anhaben.
Zwar hielte sich dieses Problem derzeit noch in Grenzen. Man könne aber nicht ausschließen, dass es über kurz oder lang ein gesundheitsgefährdendes Ausmaß annimmt. Fassen wir also zusammen: das Immunsystem geschwächt, das Allergierisiko erhöht und die Gefahr, dass man jene Keime, die man eigentlich unschädlich machen will, geradewegs züchtet. Daraus lässt sich für Personen, die sich (noch) bester Gesundheit erfreuen, eigentlich nur eine logische Schlussfolgerung ableiten: "Besser, man hat so etwas gleich gar nicht daheim." Und wer dennoch nicht auf Desinfektionsmittel verzichten will, für den gilt: Bitte mit Bedacht einsetzen!
Steckbrief
Miranda Suchomel
Miranda Suchomel leitet die Abteilung für Medizinisch-technische Hygiene mit Schwerpunkt Desinfektion am Institut für Hygiene und Angewandte Immunologie der Medizinischen Universität Wien.