Im Gegensatz zu FSME gibt es gegen Borreliose keine vorbeugende Impfung. Wie gefährlich eine Infektion mit Borrelien ist und was man im Falle des Falles tun sollte.
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Was ist Borreliose?
"Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Infektionskrankheit in der gemäßigten Klimazone", erklärt Prof. Stefan Winkler, Leiter der Borrelioseambulanz der MedUni Wien. Ausgelöst wird sie durch spiralförmige Bakterien, genauer gesagt durch Borrelien, von denen es in den verschiedenen Regionen verschiedene Spezies gibt. Während in den USA Borrelia burgdorferi vorherrscht - "Benannt nach einem der Entdecker, dem Herrn Burgdorfer" -, sind in Mitteleuropa vor allem die Arten Borrelia afzelii und Borrelia garinii verbreitet. Je nach Erreger zeigen sich unterschiedliche Symptome. So manifestiert sich eine Infektion mit Borrelia afzelii in erster Linie in der Haut, eine mit Borrelia burgdorferi dagegen eher im Gelenk.
Wie häufig tritt die Krankheit auf?
Da es sich bei Borreliose um keine meldepflichtige Erkrankung handelt, gibt es, was die Häufigkeit der Fälle anbelangt, nur Schätzungen. Winkler zufolge könne man jährlich von einigen Tausend in Österreich ausgehen. Verlässliche Daten hierzu gebe es allerdings nicht.
Wie wird Borreliose übertragen?
Wie bereits eingangs erwähnt, erfolgt die Übertragung über den Zeckenstich. Ja, Sie haben richtig gelesen! Die Zecke beißt nicht, sie sticht. Wobei natürlich nicht alle Zecken Borrelien in sich tragen. Voraussetzung für die Übertragung ist, dass die Zecke eine Zeitlang saugt. "Untersuchungen haben ergeben, dass bei unter zwölf Stunden Saugen in der Regel keine Infektion mit Borrelien erfolgt", konkretisiert Winkler. Anders sieht die Sache bereits bei einer Dauer von rund 20 Stunden aus. "Daher auch die Empfehlung, dass man, wenn man in einem Gebiet, in dem es viele Zecken gibt, in der Wiese war, gleich danach den ganzen Körper absucht. Wenn die Zecke rasch nach dem Stich entfernt wird, besteht keine Gefahr, Borreliose zu bekommen."
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Woran erkenne ich Borreliose?
Drei bis 30 Tage nach der Infektion tritt die sogenannte Wanderröte auf. Dabei handelt es sich um eine Hautrötung, die sich kreisförmig um die Einstichstelle herum ausbreitet. Während der äußere Rand gleich einem Ring in der Regel deutlich sichtbar ist, kann die direkt dahinter liegende Region etwas abblassen. Selten, aber doch können sich auch mehrere solcher Flecken bilden - allesamt verursacht durch ein und denselben Stich. Mitunter tritt die Wanderröte abseits der Einstichstelle auf. Auch das kommt allerdings nicht allzu oft vor.
Begleitet wird die Wanderröte meist von leichtem Unwohlsein. Muskel- und Gelenkschmerzen sowie Lymphknotenschwellungen sind möglich. Fieber dagegen trete als Symptom einer Infektion nur selten auf. "In mehr als 90 Prozent der Fälle ist die Wanderröte die einzige klinische Manifestation", erläutert der Experte. Zeigt sich die Rötung übrigens unmittelbar nach dem Aufenthalt im Freien, so handelt es sich möglicherweise um eine Reaktion auf einen Spinnenbiss, einen Mückenstich oder Ähnliches. Mit Sicherheit aber nicht um eine Wanderröte, tritt diese doch stets mit besagter zeitlicher Verzögerung auf.
Wie erfolgt die Diagnose?
Die Diagnose wird in erster Linie klinisch gestellt. In den meisten Fällen lässt die Begutachtung der Hautmanifestation einen eindeutigen Schluss zu. Ein Bluttest ist hierfür nicht notwendig, betont der Leiter der Borrelioseambulanz. Zum einen, weil ein Fünftel bis ein Viertel der Bevölkerung aufgrund eines früheren Kontakts mit Borrelien ohnehin über entsprechende Antikörper verfügt. Zum anderen, weil sich die Antikörper, sollten bis dato keine vorhanden sein, erst einige Wochen bis Monate nach der Infektion bilden. Zum Zeitpunkt des Auftretens der Wanderröte sind jedenfalls keine vorhanden. "Darum bringt es anfangs überhaupt nichts, das Blut zu untersuchen."
Sinnvoll sei eine Blutuntersuchung erst im Zusammenhang mit möglichen Folgekomplikationen. Doch auch hier müssen stets andere mögliche Ursachen in Betracht gezogen werden. "Ein positiver Antikörperbefund heißt nicht automatisch, dass ich an Borreliose erkrankt bin", schildert Winkler die Gefahr einer Fehldiagnose. Eine solche könne zum Beispiel dann zustande kommen, wenn der Patient über geschwollene Gelenke klagt und der Arzt nach einem positiven Blutbefund vorschnell auf Borreliose tippt, ohne die Möglichkeit einer rheumatoiden Arthritis zu erwägen, deren Symptome denen einer durch Borrelien verursachten Arthritis ähneln.
Immer wieder käme es vor, dass ein Patient "den Stempel Borreliose" aufgedrückt bekomme, obwohl eine ganz andere Erkrankung hinter seinem Leid stecke. Dabei lasse sich Borreliose, umsichtig betrachtet, doch sehr gut diagnostizieren. Zu wissen, ob es einen Zeckenstich gab, ist für die Diagnose letztlich natürlich hilfreich, nicht jedoch zwingend notwendig. "Manche Menschen haben den Zeckenstich gar nicht bemerkt", weiß Winkler aus der Praxis. Am Rücken oder in der Kniekehle könne er, wenn man nicht genau schaut, leicht übersehen werden.
Wie wird die Infektionskrankheit behandelt?
Behandelt wird Borreliose mit Antibotika. Zum Einsatz kommen dabei in erster Linie Doxycyclin und Penicillinpräparate wie zum Beispiel Amoxicillin. Natürlich sollte so früh wie möglich mit der Therapie begonnen werden. Dennoch brauche man sich nicht allzu große Sorgen machen, sollte der Therapiestart nicht unmittelbar nach der Infektion erfolgen. "Die Therapie ist auch dann noch sehr effektiv, wenn sich die Wanderröte schon so stark ausgebreitet hat, dass sie zum Beispiel den ganzen Bauch betrifft", beruhigt der Mediziner.
Die Dauer der Behandlung richtet sich nach den jeweiligen Symptomen, die wiederum einen Hinweis auf den Fortschritt der Erkrankung geben. So wird ein Patient, bei dem sich die Borreliose in Form der Wanderröte manifestiert, zehn bis 14 Tage lang behandelt. Im Falle von Folgekomplikationen wie der Neuroborreliose, die in der Regel etwas später auftritt, wird die Medikation für bis zu drei Wochen verschrieben. Alles, was über diesen Zeitraum hinausgeht, ist medizinisch nicht begründbar. "Manche Patienten bekommen drei Monate lang Antibiotika. Das ist nicht notwendig", sagt der Experte mit Nachdruck.
Wie gefährlich ist Borreliose?
"Wird die Borreliose behandelt, passiert sicher nichts. Wird sie nicht behandelt, passiert meistens auch nichts", skizziert Winkler das mit der Erkrankung einhergehende Risiko. Trotzen die Erreger dem Immunsystem und bleibt auch eine medikamentöse Therapie aus, kann es allerdings sehr wohl zu Komplikationen kommen. Wenn auch eher selten, wie der Experte betont, der in diesem Zusammenhang von der Neuroborreliose spricht. Sie tritt bei rund zwei, drei Prozent der Patienten im mitteleuropäischen Raum auf und gilt damit als häufigste möglicher Folgekomplikationen.
Die Neuroborreliose entsteht dann, wenn die Borrelien das Nervensystem befallen. Zutage tritt sie etwa in Form einer Gehirn- bzw. Gehirnhautentzündung oder des sogenannten Bannwarth-Syndroms. Letzteres geht mit brennenden Schmerzen - vor allem nachts - in Segmenten des Körpers einher, die von einer Entzündung der Nervenwurzeln herrühren. "Man hat da auch immer wieder Nervenausfälle", konkretisiert Winkler die Symptome des Bannwarth-Syndroms, zu deren unter anderem die Gesichtslähmung, auch Fazialisparese genannt, zählt.
Als weitere mögliche, in unseren Breiten jedoch ausgesprochen seltene Folgekomplikation nennt der Mediziner die Arthritis, also die Gelenkentzündung. Sie tritt vorrangig in den USA auf, wo man von der Lyme-Borreliose - benannt nach dem Ort, an dem es gehäuft zu Fällen kam - spricht. Während sich die Neuroborreliose in der Regel einige Wochen nach der Infektion zeigt, können bis zum Auftreten der Arthritis rund sechs Monate vergehen. Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis sind bei der durch Borrelien ausgelösten lediglich ein oder einige wenige Gelenke betroffen, diese dafür umso stärker geschwollen.
In seltenen Fällen könne die Infektion auch das Herz betreffen. Die sogenannte Borrelien-Myokarditis ist aber, so Winkler, "eine absolute Rarität", tritt doch nur alle zehn, zwanzig Jahre ein entsprechender Fall auf. In rund einem Prozent zieht die Borreliose eine Acrodermatitis chronica atrophicans nach sich. Sie zeigt sich Monate bis Jahre nach der Infektion in Form einer dunkelbläulichen Verfärbung der Haut, die in weiterer Folge ganz dünn wird. Zu derartigen Komplikationen käme es dem Mediziner zufolge aber nur ganz selten. Zudem könne man sie allesamt "sehr gut diagnostizieren und ausgezeichnet behandeln".
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Wie kann man einer Infektion vorbeugen?
"Wenn man nackt in der Wiese liegt, ist die Wahrscheinlichkeit eines Zeckenstichs natürlich größer, als wenn man etwas anhat", veranschaulicht Winkler die Möglichkeit, sich mittels langer Kleidung und geschlossenen Schuhwerks zu schützen. Nach dem Aufenthalt im Freien gilt es, den Körper so gründlich wie möglich nach Zecken abzusuchen. Das Gewand sollte kräftig ausgebeutelt und im Idealfall auch gleich gewaschen werden. Eine vorbeugende Impfung gegen Borreliose gibt es nicht. Doch: "Wenn man gleich nach dem Ausflug nach Zecken sucht und sie entfernt, kann nichts passieren", entwarnt der Experte.