Im Oktober attackierte ein 35-jähriger "Schwarzkappler" der Wiener Linien einen Mann, der in der Linie U4 ohne Fahrschein unterwegs gewesen war. Nach einem Wortgefecht versetzte er dem 20-jährigen Schwarzfahrer einen Kopfstoß. Nun wurde er dafür zu drei Monaten bedingter Haft verurteilt. Zugleich häuften sich in letzter Zeit laut Verkehrs- und Justizminister offenbar auch Übergriffe gegen die Kontrollore, weshalb sie strafrechtlich besonders geschützt werden sollen. Eine geplante Novelle sieht vor, dass ein Angriff auf "mit der Kontrolle oder Lenkung eines Massenbeförderungsmittels betraute Organe" (wie schon bisher bei Polizisten) künftig mit höherer Strafe bedroht ist.
"Festhalterecht" seit 2008 geklärt
Dass "Kopfstöße" gegen Schwarzfahrer oder umgekehrt Attacken auf die Kontrollore natürlich verboten sind, ist klar. Aber was dürfen die Ticket-Kontrollore wirklich, und wie steht es um die Rechte der Fahrgäste? Darum ranken sich viele Mythen. Lange Zeit ungeklärt war etwa, ob die Schwarzkappler einen vor ihnen flüchtenden Fahrgast auch festhalten dürfen. Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz erweckte 2008 den Eindruck, dass sie das nicht dürfen. Sie sprach Kontrolloren der Linzer Verkehrsbetriebe dieses Recht ab. Anlass dafür war ein Mann, der auf der Flucht zwei Kontrollore verletzt hatte. Es sei zu prüfen, ob er dabei sogar nicht in Notwehr handelte, meinte das Gericht. Ein "Anhalterecht" für jedermann gebe es nach der Strafprozessordnung nämlich nur bei Straftaten, Fahren ohne Fahrschein ist aber bloß eine Verwaltungsübertretung.
Doch der Oberste Gerichtshof löste die Frage anders und schuf damit in diesem Bereich Klarheit. Zwar wäre das strafrechtliche Anhalterecht nicht anwendbar, es gebe aber auch ein zivilrechtliches "Selbsthilferecht": Wenn behördliche Hilfe zu spät käme und es auch keine andere Möglichkeit gibt, dürfe daher "maßvoll" Gewalt angewendet und Schwarzfahrer auch kurzfristig festgehalten werden. Das solange, bis die Polizei seine Identität feststellen kann. Weist sich der Fahrgast gleich aus oder bezahlt die Strafe, darf er natürlich nicht angehalten werden. Was zur nächsten Frage führt: Ja, laut den Beförderungsbedingungen des Verkehrsverbunds Ost (VOR), zu dem auch die Wiener Linien gehören, darf von Schwarzfahrern tatsächlich ein Ausweis verlangt werden, wenn die Strafe (103 Euro) nicht sofort bezahlt wird.
Kinder zahlen keine Strafe
Wann genau wird man eigentlich zum "Schwarzfahrer"? Muss ein Jahreskartenbesitzer, der seine Karte zuhause vergessen hat, auch Strafe zahlen? Grundsätzlich ja. In den Bedingungen aller großen Verkehrsbetriebe Österreichs ist vorgesehen, dass der Fahrschein immer mitzuführen ist. Machen Kontrollore bei Jahreskartenbesitzern "eine Ausnahme", ist das im Grunde also wirklich nur Nachsicht. Bei den Wiener Linien ist es aber möglich, dass der Kontrollor mit seinem Mobilgerät überprüft, ob auf einen bestimmten Namen eine Jahreskarte ausgestellt ist. Dazu muss man sich aber wiederum zumindest ausweisen können. Hat man "die Geldbörse vergessen", fällt also auch diese Möglichkeit weg.
Nicht bezahlt werden muss im Übrigen die Strafe für Kinder, wenn sie ohne Fahrschein unterwegs sind. Denn die vereinbarte Pönale ist Teil der jeweiligen Beförderungsbedingungen. Und in diese können Kinder, da sie nicht geschäftsfähig sind, gar nicht einwilligen. Dennoch versuchen Verkehrsbetriebe immer wieder, "schwarzfahrenden" Kindern (meist wurde nur das Schülerticket vergessen) Erlagscheine mitzugeben, die die Eltern bezahlen sollen. In Graz ist das laut "Standard" seit Jahren üblich. Beriefen sich Eltern auf die Rechtslage, wurde die Strafe stets "aus Kulanz" erlassen. Und wie sieht es mit echter Kulanz seitens der Kontrollore aus? Die ist ihnen durch die meisten Betriebe sehr wohl gestattet. In "begründeten Einzelfällen" kann ein Auge zugedrückt werden.
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