1. Wer darf sich Schuldnerberater nennen?
In Österreich gibt es zehn staatlich anerkannte Schuldenberatungen - in jedem Bundesland gibt es eine, nur in Oberösterreich sind es zwei. Diese Beratungsstellen wurden vom Justizministerium zu staatlich anerkannten Schuldenberatungen erklärt und unterliegen einer strengen Qualitätskontrolle (Zertifizierung nach Qualitätsmanagement Norm "ISO 9001"). "Jeder einzelne Mitarbeiter dieser staatlich anerkannten Schuldenberatungen, darf sich Schuldnerberater nennen. Schuldnerberater durchlaufen zunächst eine zweijährige Ausbildung und bekommen danach eine Zertifizierung", sagt Bernhard Sell von der Schuldnerberatung des "Fonds Soziales Wien" (FSW).
Daneben dürfen laut der Insolvenzordnung nur noch Rechtsanwälte als Schuldnerberater tätig sein. "Am Rande der Legalität gibt es Einrichtungen, die gegen Entgelt auch Schuldenberatungen samt Vertretung bei Gericht anbieten. Damit machen sie sich aber strafbar", sagt Sell. Im Zuge der Pandemie seien solche Anbieter verstärkt aufgetreten, da es leicht sei, aus den Problemen der Menschen Profit zu schlagen, wie der Schuldnerberater mitteilt.
2. Was kostet eine Schuldenberatung?
Staatlich anerkannte Schuldenberatungen sind "immer kostenlos", erklärt der Experte. Das gelte sowohl für die Schulden- als auch für die Budgetberatung. Denn Betroffene sollen sich durch die Beratung nicht noch weiter verschulden. Möglich ist dies durch die öffentliche Finanzierung: Die "asb Schuldnerberatungen GmbH" fungiert als Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich und erhält beispielsweise unter anderem Fördermittel vom Sozial- und Justizministerium.
"Die Richtlinien und Qualitätsansprüche von staatlich anerkannten Schuldenberatungen sehen eine Nachhaltigkeit der Beratung vor", sagt Sell. Beispielsweise werde vor einem etwaigen Insolvenzverfahren geprüft, ob jemand spielsüchtig ist. Bei gewerblichen Anbietern gebe es diese Qualitätskriterien nicht.
3. Ab wann ist eine Schuldenberatung sinnvoll?
Eine Schuldenberatung erachtet der Experte in jedem Fall bei einer sogenannten Überschuldung für sinnvoll. Überschuldet ist man dann, wenn "die Schulden - egal, was sich an der finanziellen Situation in Zukunft verändert - nicht mehr zurückgezahlt werden können", erklärt der Schuldnerberater. Dieser Fall kann eintreten, weil es eine sehr hohe Zahl an Gläubigern gibt oder die Schulden bereits so hoch sind, dass die Zinskostenbelastung mit den möglichen Rückzahlungen nicht mehr abgedeckt werden kann. Für eine überschuldete Person gibt es nur noch eine Möglichkeit: Sie muss in Privatkonkurs gehen. Wichtig zu wissen ist, was Betroffene zum Zeitpunkt der Überschuldung, nicht tun dürfen. "Weiß man das nicht, läuft man Gefahr, sich unter Umständen strafbar zu machen. Als Überschuldeter darf man mit seinen allfälligen Vermögenswerten nicht mehr tun, was man möchte", sagt Sell.
Staatlich anerkannte Schuldnerberater sind de facto jedem Privatkonkursverfahren vor Gericht vorgeschaltet und werden auch vom Gericht empfohlen, da sie eine umfassende Vorprüfung durchführen.
Eine weitere Gruppe stellen Personen dar, die zwar verschuldet, aber noch nicht überschuldet sind. Sie können bei staatlich anerkannten Schuldenberatungen eine ebenfalls kostenfreie "Budgetberatung" in Anspruch nehmen. Diese Art der Verschuldung habe in der Corona-Pandemie zugenommen, wie Sell mitteilt. Für diese Gruppe wird eine genaue Budgetanalyse - eine genaue Analyse der Einnahmen und Ausgaben - und ein Befund mit Handlungsempfehlungen erstellt. Zum Beispiel sollte die betroffene Person bestimmte Versicherungsverträge auflösen oder mit dem Gläubiger reden. "So können die Einnahmen und Ausgaben optimiert werden", teilt Sell mit.
Telefonische Fachauskunft "Fonds Soziales Wien":
Telefon: 01/24 5 24 – 60 100 (Montag bis Freitag 8:00–15:30 Uhr) - auch für singuläre Fragen, wie: Was sind existenzielle Schulden? Was darf der Gerichtsvollzieher?
4. Welche Unterlagen sind notwendig?
Für eine umfassende Beratung braucht der Schuldnerberater einen Gesamtüberblick. Dabei muss der Klient teils intime Einblicke in das Berufs- und Privatleben gewähren. Das ist nicht immer einfach: "Das erste Gespräch erfolgt bei der Schuldnerberatung Wien telefonisch, um die Hemmschwelle abzubauen. Und die Beratung erfolgt unter strenger Wahrung des Datenschutzes", sagt der Schuldnerberater.
Die benötigten Unterlagen reichen von laufenden Miet- und Stromkosten, über Unterhaltszahlungen und Vorstrafen bis hin zu Einsicht in gesundheitliche Unterlagen, wenn diese in Zusammenhang mit den Schulden stehen.
5. Was passiert bei vermögenden Schuldnern?
"Der Begriff Überschuldung hängt mit der Frage zusammen, ob man rasch verwertbare Vermögenswerte hat", sagt Sell. Jemand der viel Geld am Konto habe, sei wahrscheinlich nicht zahlungsunfähig und weniger begeistert davon, dass er zuerst sein Vermögen veräußern soll, um seine Schulden abzubezahlen.
"Wenn jemand deutlich mehr Vermögenswerte als Gesamtschulden besitzt, dort gibt es nur den Weg, das Vermögen möglichst wertbringend zu verwerten", teilt der Berater mit. Um mit den Gläubigern zu verhandeln, ist die Schuldnerberatung als Gesprächspartner oder Vertreter in solchen Fällen oft weniger günstig, da hier signalisiert wird, dass die Person zahlungsunfähig ist und ein Privatkonkurs droht.
Wovor staatlich anerkannte Schuldnerberater eindringlich warnen, ist: Vermögenswerte vor der Insolvenz noch schnell in Sicherheit zu bringen oder gegenüber Gläubigern nicht anzugeben. Das würde strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. "Von einer staatlich anerkannten Schuldenberatung kann man auf keinen Fall Tipps erwarten, wie man Vermögenswerte an einem Konkurs vorbeibringt", stellt Sell klar.
6. Welche Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie?
"Das Jahr 2020 spiegelt in keiner Weise die tatsächliche Entwicklung der privaten Schulden wieder", erklärt der Schuldnerberater. An der Zahl der Beratungen, die aufgrund von Corona häufig telefonisch oder online durchgeführt wurden, hat sich kaum etwas geändert. Die Insolvenzen 2020 sind gegenüber dem Vorjahr sogar gesunken. Allerdings sei der Gerichtsbetrieb eingeschränkt gewesen und auch finanzielle Unterstützungsmaßnahmen im Zuge der Pandemie, wie Miet- oder Kreditstundungen und Unternehmungsförderungen würden laut Sell das Bild verzerren. Die wahren Auswirkungen der Pandemie auf die wirtschaftliche Situation würden daher erst später sichtbar werden.
Der Schuldnerberater stellt außerdem fest: Vor Corona und der Kurzarbeit ist ein bestimmter Lebensstil für viele mittelständische Haushalte durchaus leistbar gewesen - Haushalte mit einer Eigentumswohnung, einem oder zwei KFZ-Leasingverträgen, verschiedenen Versicherungen und diversen anderen Abzahlungsverträgen. Das sei plötzlich nicht mehr leistbar. Diese Personen müssten ihr Haushaltsbudget neu analysieren. "Es ist immer schwer das Leben auf das Lebensnotwendigste zu reduzieren. Das müssen viele Haushalte jetzt leider tun, obwohl sie unverschuldet in diese Situation geraten sind", sagt Sell.