Nicht jede medizinische Leistung wird von der Krankenkasse - seit Anfang 2020 Österreichische Gesundheitskasse genannt - gedeckt. Oft sind es gerade besonders teure Behandlungen, deren Kostenübernahme abgelehnt wird. Die Ablehnung der ist für den Patienten meist ein harter Schlag - doch nicht der Weisheit letzter Schluss. Welche Möglichkeiten man in so einem Fall hat, erklärt die Wiener Rechtsanwältin Dr. Maria-Luise Plank gegenüber der Online-Plattform "selpers.com".
Stefan H.* hat chronische Hepatitis C. Sein Allgemeinzustand ist schlecht. Jederzeit muss er mit einer Infektion rechnen. Ein bestimmtes Medikament könnte dieses Risiko deutlich senken oder Ansteckungen sogar ganz verhindern. Der Haken an der Sache: Die Sozialversicherung will die Kosten für das Medikament nicht übernehmen. Es sei zu teuer und schließlich könne man, wenn es zu einer Infektion komme, diese auch mit Antibiotika behandeln, die wesentlich billiger seien. Das wollte Stefan H. nicht hinnehmen. Er zog bis vor den Obersten Gerichtshof - und bekam Recht gesprochen. Es sei nicht mit seiner Würde als Patient zu vereinbaren, dass er das Risiko einer Infektion hinnehmen müsse. Die Sozialversicherung musste die Kosten übernehmen.
Stefan H. ist kein Einzelfall. Immer wieder kommt es vor, dass die Kostenübernahme einer medizinischen Leistung seitens der Gesundheitskasse verweigert wird. "Viele Patientinnen und Patienten haben das Gefühl, dass sie gegen die Krankenkasse nicht ankommen können. In Wirklichkeit können sie aber einiges tun, wenn eine Leistung abgelehnt wird", weiß Dr. Iris Herscovici, Gründerin von "selpers.com". Lesen Sie hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was tun, wenn die Gesundheitskasse die Kostenübernahme ablehnt?
Plank rät, in einem ersten Schritt Rücksprache mit dem behandelnden Arzt zu halten. Gibt es vielleicht eine alternative Behandlung, deren Kosten die Gesundheitskasse übernimmt? Wenn nicht, empfiehlt es sich, bei Letzterer noch einmal nachzuhaken. "Oft liegt eine Ablehnung an mangelnder Information oder an Missverständnissen", weiß die Rechtsanwältin. Sollte all das nicht den gewünschten Erfolg bringen, kann der Patient von der Gesundheitskasse einen Bescheid anfordern. Anhand dieses Bescheids kann man die Entscheidung vor Gericht überprüfen lassen.
Wie fordere ich einen Bescheid an?
Ein formloses E-Mail oder ein Brief mit der Bitte um Ausstellung des Bescheids reichen für dessen Anforderung. Führen Sie an, um welche Therapie es sich handelt. Zudem empfiehlt es sich, die zuvor erhaltene Ablehnung dem E-Mail anzuhängen bzw. dem Brief beizulegen. Ist all das erledigt, fehlen nur noch Datum und Unterschrift.
Was ist das weitere Prozedere?
Die Gesundheitskasse muss innerhalb von 14 Tagen den Bescheid schicken, in dem sie die von ihr getroffene Entscheidung begründet. "Ich habe auch schon Fälle erlebt, bei denen das bloße Anfordern des Bescheids dazu geführt hat, dass die Sozialversicherung ihre Entscheidung überdacht und die Therapie schließlich bewilligt hat", erzählt Plank. Ist das nicht der Fall, so muss sich der Patient überlegen, ob er weitere Schritte in die Wege leiten will. Vom Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids an hat er vier Wochen Zeit, um bei Gericht Klage einzubringen. Dabei ist zu beachten, dass die Vier-Wochen-Frist bereits mit der Hinterlegung des Schriftstücks bei der Post beginnt.
Wer unterstützt mich bei der Klage?
Es gibt mehrere Anlaufstellen, bei denen sich Betroffene Rat und Hilfe holen können. Da wäre einmal die Arbeiterkammer für Angestellte und die Wirtschaftskammer für Selbständige. Von diesen kann man sich beraten und unter Umständen auch gerichtlich vertreten lassen. Lediglich eine beratende und ausgleichende Funktion hat die Patientenanwaltschaft. Wer sich dafür entscheidet, einen Rechtsanwalt zu konsultieren, sollte im Vorfeld abklären, ob die Rechtsschutzversicherung - so vorhanden - diese Form der Beratung deckt. Selbstverständlich kann man die Angelegenheit auch selbst in die Hand nehmen und die Klage alleine einbringen.
Was ist bei einer Klage zu beachten?
Der Klage, die schriftlich wie mündlich bei Gericht oder beim Sozialversicherungsträger eingebracht werden kann, muss der negative Bescheid von der Gesundheitskasse beigelegt werden. Zudem empfiehlt es sich, vorhandene Gutachten und ärztliche Atteste mitzuschicken. Um die Erfolgschancen zu erhöhen, sollte man "die Unterlagen entsprechend ordnen und alles möglichst nachvollziehbar, vollständig und korrekt darstellen", rät die Rechtsexpertin.
Was tun, wenn das Gericht gegen mich entscheidet?
Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass die für die Therapie anfallenden Kosten nicht von der Sozialversicherung übernommen werden müssen, so heißt das noch lange nicht, dass Sie den Kampf verloren haben. In einem solchen Fall können Sie Berufung einlegen, sprich eine Instanz weiter gehen und die Entscheidung des Erstgerichts vom Oberlandesgericht überprüfen lassen. Auch hier können Sie sich von der Arbeiter- bzw. Wirtschaftskammer oder der Patientenanwaltschaft unterstützen lassen. Wird die Klage auch in zweiter Instanz abgewiesen, können Sie zum Obersten Gerichtshof gehen.
Welche Kosten fallen für mich an?
Die Arbeiter- und die Wirtschaftskammer stellen, so wie auch die Patientenanwaltshaft, ihre Dienste kostenlos zur Verfügung. Um allen Versicherten die Möglichkeit zu bieten, gegen eine von der Sozialversicherung getroffene Entscheidung vorzugehen, wird das Gerichtsverfahren aus Steuermitteln finanziert. Von finanzieller Seite spricht also nichts gegen eine Klage. Lediglich wer sich einen Rechtsanwalt nimmt, muss unter Umständen mit Kosten rechnen. Zwingend notwendig ist dies aber erst, wenn Sie mit der Klage vor den Obersten Gerichtshof ziehen.
Indem sie umfangreiches Informationsmaterial zur Verfügung stellt, unterstützt die Online-Plattform "selpers.com" chronisch kranke Personen und deren Angehörige, die Krankheit besser zu verstehen und mit der geänderten Lebenssituation besser umzugehen.
*Name von der Redaktion geändert