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Im Dunkeln

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Blackout: Streichholz brennt im Dunkeln
©Bild: Getty Images
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Immer mehr Experten warnen vor einem Blackout. Der Großteil der Bevölkerung ist auf einen großflächigen Stromausfall nicht vorbereitet. Ein Wiener zeigt, wie er sich er in seinem Keller für den Ernstfall gerüstet hat.

Wenn heute Nacht in Europa der Strom ausfällt, steht Jakob kurzfristig im Dunkeln. Er wird sich in seinen Keller hinuntertasten, dort eine Edelstahlkiste aus dem untersten Regal seiner Speisekammer ziehen und eine Lampe herauskramen. Er wird daran einen Hebel zur Seite klappen und kurbeln, bis das Licht leuchtet. Das integrierte Radio würde einen Ton von sich geben, und Jakob wüsste Bescheid, ob es sich um einen Blackout handelt. Damit wird ein länger dauernder, großflächiger Stromausfall bezeichnet, der mehrere Staaten gleichzeitig betreffen kann.

Vor einem Blackout warnte Anfang Mai die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Angesichts des Krieges in der Ukraine rief sie die Bevölkerung dazu auf, sich Vorräte an Lebensmitteln, Medikamenten und Sanitätsmaterialien zuzulegen. Das österreichische Innenministerium hält sich bedeckter, stuft einen Blackout allerdings als ein realistisches Szenario ein. Einiges deute darauf hin, dass die Gefahr steige. Der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge (GfKV), Herbert Saurugg, rechnet fest damit. "Möglicherweise schon im nächsten Winter."

Der schlechte Ruf der Prepper

Menschen, die sich für den Ernstfall rüsten, werden als Prepper bezeichnet, abgleitet vom englischen "to be prepared", also "vorbereitet sein". Diese Gruppe habe einen schlechten Ruf, sagt Herbert Saurugg. Impfgegner, Verschwörungstheoretiker und rechtsextreme Typen fände man in der Szene. Diese wenigen würden den gesamten Bereich der Vorsorge in Verruf bringen.

Jakob bezeichnet sich nicht als Prepper. Er lebt mit Freundin und Katze Coco in einem selbstgebauten Haus in einer Kleingartensiedlung im zehnten Wiener Gemeindebezirk. Der 36-Jährige will es mit der Vorsorge nicht übertreiben. Aber: "Haben ist besser als Brauchen", laute sein Motto. Zehn bis 14 Tage könnte er seine Familie versorgen, ohne einkaufen zu gehen. Das entspricht einer Empfehlung des österreichischen Bundesheeres.

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IN DER SPEISEKAMMER. Der 36-jährige Jakob sorgt für den Ernstfall vor. Neben gefriergetrockneten Gerichten hat er auch ein Kurbelradio mit LED-Lampe © Matt Observe/News

Die Gefahren für das Verbundnetz

Das europäische Verbundnetz reicht von Portugal bis in die Osttürkei und von Sizilien bis nach Dänemark. Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft, wenn es um die Versorgungssicherheit bei Strom geht. Es gäbe zwar Sicherheitsmechanismen, die verhindern sollen, dass bei einer Störung in Deutschland auch in Österreich das Licht ausgehe. Aber die Anforderungen an das Energiesystem würden seit Jahren systematisch steigen, sagt Christoph Schuh von Austria Power Grid (APG), die das österreichweite Übertragungsnetz betreibt. "Daher müssen einerseits die Instrumente zur Krisenvermeidung weiterentwickelt werden und andererseits längst übernotwendige zusätzliche Netzkapazitäten geschaffen werden", sagt Schuh.

Der Experte für die Krisenvorsorge Herbert Saurugg hält die Stromversorgungslage für derart angespannt, dass eine kleine Störung irgendwo in Europa ausreichen könne, um einen großflächigen Stromausfall zu verursachen. Ein Problem sieht der Experte in Deutschland. Phasenweise könne dort fast der gesamte Bedarf aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind und Sonne gedeckt werden. Aber es käme häufig vor, dass diese Quellen nicht ausreichten. Daher würden weiterhin Gas-, Kohle- und Atomkraftwerke zum Ausgleich der Lücken benötigt werden. Letztere sollen jedoch bis Ende des Jahres stillgelegt werden. Gaskraftwerke hätten das eigentlich auffangen sollen, erklärt Saurugg. Das sei zumindest der deutsche Plan vor dem Ukraine-Krieg gewesen. Ähnlich sehe die Situation in Frankreich aus, wo gerade die Hälfte der Atomkraftwerke vom Netz sei. "Das alles führt zu der instabilen Lage", sagt Herbert Saurugg. Wenn jetzt auch noch Cyberangriffe russischer Hacker oder eine Hitzewelle dazukämen, sei ein Blackout möglich.

Wenn nichts mehr geht

Jakob ist ein drahtiger Mann mit kurzen Haaren. Er trägt Jeans und Poloshirt. Sein Nachname und sein Beruf, sagt er, tue nichts zur Sache. Sein Interesse für die private Vorsorge habe im Jahr 2014 begonnen, als er das Buch "Blackout" von Marc Elsberg gelesen habe. In dem Roman beschreibt der Autor, wie es durch einen Hackerangriff von Terroristen auf sensible Punkte der Stromversorgung zu einem großflächigen Stromausfall kommt. Die Nahrung wird knapp. Deshalb kommt es beinahe zu einem Bürgerkrieg. Seuchen breiten sich im Thriller aufgrund mangelnder Hygiene aus. Es herrscht Chaos. Jakob habe sich nach der Lektüre gefragt, wie er auf so eine Situation vorbereitet wäre. Seine Antwort damals: "gar nicht".

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Tatsächlich bricht bei einem überregionalen Stromausfall die komplette Versorgung zusammen, das prognostiziert das österreichische Bundesheer. Telefone, Handys, Internet, Bankomat, Zahlsysteme funktionieren nicht mehr. Supermärkte, Apotheken und Tankstellen schließen. Tunnel werden gesperrt. Züge, U-Bahnen und Aufzüge stehen still. Vereinzelt müsse auch mit Problemen bei der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung gerechnet werden. Das österreichische Innenministerium bereite sich schon "seit längere Zeit intensiv" auf so eine Situation vor, heißt es auf Anfrage. "Dazu werden laufend Workshops, Übungen und Projekte durchgeführt und dabei Maßnahmen entwickelt, um im Ernstfall den Kernbetrieb möglichst lange aufrechterhalten zu können", sagt BMI-Sprecher Harald Sörös.

In Wien ist die Versorgung zu 95 Prozent gewährleistet, weil das Wasser durch das natürliche Gefälle fließt

Wien hat, was die Wasserversorgung angeht, eine Sonderrolle. "Hier ist die Versorgung zu 95 Prozent gewährleistet, weil das Wasser durch das natürliche Gefälle in die Wohnungen fließt", sagt Dominik Zeidler von dem Zivilschutzverband "Die Helfer Wiens". Nur bei den oberen Stockwerken in höheren Gebäuden wie dem DC Tower könne es zu Problemen kommen. Der Experte rät: "Fragen Sie bei Ihrer Hausverwaltung nach, ob es eine Notstromversorgung gibt."

Die Krise nach dem Blackout

Als Jakob vor zwei Jahren sein Haus baute, ließ er sich ein Notstromaggregat einbauen. So habe er im Ernstfall Licht oder könne die Jalousien herunterlassen. Außerdem richtete er sich im Keller eine Speisekammer ein. Darin hortet er unter anderem: Mehrere Liter Wasser, Konservendosen mit Suppen und Eintöpfen, Nudeln, Reis, eingelegte Gurken, Mehl, Marmelade, Öle und Reiswaffeln. Er lagert sogenannte Powerriegel, die für Kalorien sorgen sollen, und eine Zehn-Tage-Ration mit gefriergetrockneten Gerichten. Darunter Eierspeise und Bolognese, die noch bis 2030 hält.

Wie lange ein Blackout dauert, darüber herrscht Uneinigkeit. In Österreich geht die APG davon aus, dass der Netzwiederaufbau innerhalb von zwölf bis 24 Stunden hochgefahren werden kann. Was sich kurz anhört, hat aber langfristige Auswirkungen. "Die Krise beginnt nach dem Blackout erst so richtig", sagt Herbert Saurugg. Das prognostiziert auch das Bundesheer: "Bis danach Handy, Festnetz und Internet wieder funktionieren, werden nochmals mehrere Tage vergehen." Erst dann könne die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern wieder breit anlaufen, schreibt das Bundesheer auf seiner Internetseite zum Thema Blackout. Auch dort zu finden ist eine Umfrage aus dem Jahr 2019. Die ergab, dass mehr als die Hälfte der Menschen in Österreich schlecht bis sehr schlecht auf einen Krisenfall vorbereitet ist. Nur zwölf Prozent gaben an, sehr gut vorbereitet zu sein. 74 Prozent der Einwohner:innen gehen außerdem davon aus, dass das Bundesheer sie bei einem Blackout unterstützen wird.

Wir haben völlig falsche Erwartungen, weil man nicht wahrhaben will, wie verwundbar wir sind

"Wir sind überhaupt nicht vorbereitet", sagt Saurugg. Es reiche nicht, dass sich einzelne Organisationen für den Blackout rüsten. Es sei unrealistisch, zu glauben, diese könnten im Ernstfall neun Millionen Menschen gleichzeitig helfen. "Wir haben völlig falsche Erwartungen, weil man nicht wahrhaben will, wie verwundbar wir sind." Man müsse sich vorstellen, dass es in Österreich nach einer Woche ohne Strom mehrere Millionen hungernder Menschen gäbe, die sich im Überlebenskampf befinden würden. Darunter wären auch Bedienstete von Einsatzorganisationen oder Menschen, die die Produktion wieder hochfahren müssten. "Wenn es deren Familien schlecht geht, werden sie nicht arbeiten gehen", prognostiziert Saurugg.

Deshalb fährt er durch das Land und hält Vorträge vor unterschiedlichen Organisationen, berät Gemeinden, Städte, Krankenhäuser und Unternehmen und predigt immer wieder den gleichen Satz: "Jeder Einzelne muss sich vorbereiten."

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KRISEN-KISTE. Vor acht Jahren begann der Wiener seine Kiste mit Dingen zu füllen, die er im Ernstfall benötigen könnte. "Haben ist besser als Brauchen", laute sein Motto © Matt Observe/News

VORSORGE

Eine Kiste, gefüllt für den Krisenfall

Ausrüstung. Zivilschutzverbände raten dazu, sich mit Lebensmitteln, Medikamenten und Sanitätsmaterialien einzudecken. Darüber hinaus sei es sinnvoll Dinge im Haus zu haben, die das Leben im Krisenfall erleichtern. Ein Wiener präsentiert seine Ausrüstung:

  • 10 Stk. Dauerbrennerkerzen
  • Kurbelradio/-taschenlampe mit Solarpanel und USB-Anschluss
  • Staubschutzoverall
  • FFP3- Maske
  • Brille und Regenüberwurf für 2 Personen
  • Klebeband
  • Leatherman/Messer
  • Klappspaten/Säge
  • Anzünder/Zündhölzer
  • Fernglas
  • Kompass
  • Campinggeschirr/Besteck/Dosenöffner
  • Paracord-Kugel (4m) mit Nähzeug, Notangel-Ausrüstung, Sicherheitsnadel
  • 2 x faltbare Wasserkanister
  • Wasserfilter und Tabletten zur Wasserkonservierung
  • Gaskocher mit 4 Reservekartuschen
  • Notkochstelle mit 5 Brennpasten
  • Espressokocher
  • Thermosflasche
  • Gefriergetrocknete Fertignahrung im Beutel für zehn Tage (ca. 1.800 kcal pro Tag)
  • 5 Pkg. Notverpflegungsriegel (Komplettnahrung inkl. Vitamine und Mineralstoffe)

Der Wiener hat außerdem eine Packliste vorbereitet, sollte er gezwungen sein, das Haus zu verlassen. Darauf steht: Dokumentenmappe, Outdoorbekleidung, Straßenkarten, Rucksack, Erste-Hilfe-Ausrüstung, Notfallmedikamente.

Kurbelradios sind ausverkauft

Tatsächlich scheint das Interesse für Notfallhilfe und Selbstschutz angesichts des Krieges in der Ukraine zu steigen. Der Zivilschutzverband Oberösterreich betreibt seit 2018 ein Geschäft im Linzer Industriegebiet, in dem man alles für den Krisenfall kaufen kann. Der Shop vertreibt seine Produkte großteils über das Internet, weshalb der Verkaufsraum eher klein ausfällt. Es ist eine Art Büro mit einem Beratungspult und einer Glasvitrine. Darin liegen Kurbelradios, Taschenlampen, Kochstellen mit Brennpasten und ein Buch mit dem Titel "Kochen im Katastrophenfall". Josef Lindner, Geschäftsführer vom Zivilschutzverband OÖ, leitet den sogenannten Zivilschutz-Shop. Der Mühlviertler führt ein handbetriebenes Kurbelradio vor: "Senderempfang, Taschenlampe, Handy laden -alles völlig autark." Für 41,90 Euro sei das Teil sein Verkaufsschlager. Seine Kunden würden es zu Geburtstagen oder zu Weihnachten verschenken. Zurzeit sei es allerdings ausverkauft.

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IM ZIVILSCHUTZ-SHOP. Josef Lindner betreibt das Geschäft, in dem man alles für den Krisenfall kaufen kann © Matt Observe/News

Die Zahl der Klicks auf der Shop-Homepage sei von Lockdown zu Lockdown kontinuierlich angestiegen, sagt Lindner. Nachdem der Bundeskanzler im vergangenen Herbst eine Pressekonferenz zum Thema "Vorsorge der Polizei" gegeben hatte, hätte sich vor dem kleinen Büro eine meterlange Schlange gebildet. "Danach haben sich unsere Verkaufszahlen verzehnfacht", sagt er. Das Bewusstsein in der Bevölkerung habe sich geändert, aber die Menschen würden immer erst reagieren, wenn ein Ernstfall passiere. Linder erklärt, dass man bei der Risikobewertung unterscheiden müsse. Es gäbe Ereignisse, die häufig eintreffen, wie Verkehrsunfälle. Dann könnte es eben Situationen wie einen Blackout geben. "Der sei zwar noch nie passiert, betrifft aber alle gleichermaßen." Josef Lindner will keine Panik schüren, aber im Ernstfall selbst handlungsfähig zu bleiben, das sei ihm das Wichtigste.

Im Ernstfall handlungsfähig sein

Jakob räumt jetzt all die Dinge zurück in die Edelstahlkiste, die er zuvor präsentiert hat: Dauerbrennkerzen, Kurbelradio, Klappspaten, Messer und Klebeband und noch vieles mehr. Das alles könnte er auch zum Campen benutzen, sagt er. Habe er aber noch nie. Für wahrscheinlicher hält er die Situation, dass irgendwann mal die Hauptwasserleitung für ein paar Stunden gesperrt wird. Das passiere häufiger in Wien, meint er. Dann kann Jakob einen seiner beiden faltbaren Wasserkanister aus seiner Kiste nehmen, ihn ausklappen und Wasser abzapfen, bevor die Leitung blockiert ist. Im Ernstfall kann er sich dann einen Tee kochen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 4/2022 erschienen.

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