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Von Motto zu Thell: Zurück zum Anfang

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Thell Wien
©Bild: Thell Wien
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Das legendäre Restaurant Motto trägt seit Beginn des Jahres den Namen seines Erfinders Franz Thell

Das Motto ist eine Legende. Und seit Anfang des Jahres Geschichte. Also zumindest namenstechnisch: Seit Anfang des Jahres heißt das Restaurant nämlich nicht mehr Motto, sondern Thell. Für die zahlreichen, zum Teil jahrzehntelangen Stammgäste ändert sich dabei wenig: Team und Location bleiben gleich und der besondere, über die Landesgrenzen hinaus bekannte Vibe erhalten. Und auch die kulinarischen Klassiker müssen nicht von der Speisekarte weichen, wie etwa Thells Hashtag der Stunde #schinkenfleckerlareforever zeigt.

Aber warum dann ein neuer Name? Die Umbenennung machte auf drei unterschiedlichen Ebenen Sinn: rechtlich, emotional und auch zukunftsorientiert. 2011 verkaufte der Gastronom Bernd Schlacher das Motto an seinen langjährigen Mitarbeiter Tom Sampl, inklusive der Nutzungsrechte für den Namen - diese allerdings auf Zeit. Schlacher selbst baute seine Motto Group seither konstant und erfolgreich aus, etwa mit dem Motto am Fluss, dem Motto Hotel und dem Motto Brot. Und das unabhängig vom ursprünglichen, ungebrochen beliebten Stammlokal. Ende 2022 musste Sampl dann eine richtungsweisende Entscheidung treffen. Und die fiel nicht bewusst gegen den etablierten Namen aus, sondern für die schon lange gelebte Unabhängigkeit.

Namensgeber und Erfinder Franz Thell

Warum die Wahl auf Thell fiel? Gerade bei einer Restaurantlegende machte es für Sampl Sinn, etwas zu wählen, das untrennbar mit der langjährigen Geschichte des Lokals verwoben ist. Und ein Name, der diesbezüglich eben immer wieder fällt, ist jener des 2013 verstorbenen Motto-Gründers Franz Thell. 1973 machte der gebürtige Burgenländer und Wirtshaussohn aus einem ehemaligen englischen Pub einen Ort, der zur damaligen Zeit in Wien einzigartig war. Thell prägte den Begriff "Szenewirt"."Das Motto war seiner Zeit voraus und unheimlich innovativ. Würde man es heute in New York aufsperren, wäre es ein totales In-Lokal", schwärmt Schlacher, der das Motto 1990 gekauft hat, von den Anfängen. "Einfach alle sind hingegangen. Schauspieler, Künstler, Kreative." Helmut Berger war genauso Gast wie Rudolf Nurejew. Thells Lebensgefährte, der Modedesigner Helmut Lang, begann in der Küche als Abwäscher und wurde später Kellner, die Wiener Bargröße Marianne Kohn war nicht nur Thells Jugendfreundin, sondern half auch als Garderobiere. "Die Gäste haben halbnackt auf den Tischen getanzt. Man hat sich dort vergessen, jeder Abend war skurril und lustig", erinnert sich Kohn. "Es war im grauen Wien der 1970er-Jahre der bunteste Ort der Stadt, das Zuhause der Beautiful People", sagt NEWS-Redakteur und Motto-Gast Axel Meister.

Franz Thell war ein super Typ und so ein schöner Mann. Ohne ihn wäre es damals in Wien noch fader gewesen

MARIANNE KOHN, Chefin der Loos Bar und Wiener Szene-Ikone

Die damaligen Besucher sind sich noch heute einig: Es war Thells Verdienst, dass das Lokal zu einem solch besonderen Ort wurde. Meister bezeichnet den Gastronomen als bodenständigen, aber betont offenen Menschen. Schlacher nennt ihn einen "wahnsinnig lieben, lustigen Kerl". "Der Franzi hatte den besten Schmäh und sehr guten Stil. Er war ein kreativer Vordenker, ein positiv Wahnsinniger, der auch das Schwulsein schon zur damaligen Zeit, in der das ja völlig unüblich war, offen gelebt hat", sagt Schlacher. "Er hat ein Wohnzimmer für nationale und internationale Schwule geschaffen. Die Menschen konnten sich so geben, wie sie wirklich sind, und brauchten sich nicht zu verstellen.

Kohn beschreibt Thell zudem als außerordentlich guten Gastgeber, der aber auch Grenzen hatte. "Ein super Typ, ein so schöner Mann. Ohne ihn wäre es in Wien noch fader gewesen. Aber wenn er jemanden gar nicht gewollt hat, dann konnte er richtig gemein sein. Ähnlich wie ich wahrscheinlich", meint die Chefin der Loos Bar. Unvergessen ist nicht nur Thells Tischsystem (die Tische wurden nach berühmten Diven wie Édith Piaf benannt), sondern auch sein Kartensystem. Anfangs kam man etwa mit einer Clubkarte ins Motto, die Stammgäste konnten lange Zeit mit einer eigenen, speziell geprägten Aluminiumkarte bezahlen. "Das war eine Art Scheckkarte, am Ende des Monats hat man dann die gesammelte Rechnung zugeschickt bekommen", erzählt Sampl. Auch wenn solch ein Service fortschrittlich gewesen sein mag und Kreditkarten vorausgegriffen hat: Als guter Geschäftsmann wird Thell trotzdem von niemandem bezeichnet. "Er konnte überhaupt nicht mit Geld umgehen und hat immer gedacht, Umsatz sei gleich Gewinn", sagt Marianne Kohn. Auch Schlacher erinnert sich ähnlich: "Er hat einfach viel mehr ausgegeben als eingenommen. Und durch seine großzügige Art ist das Geld so locker gesessen, dass er seinem Personal sogar Rolex-Uhren zu Weihnachten geschenkt hat."

Florale Leidenschaft im Motto

Kaum verwunderlich also, dass das Motto 1989 trotz großer Beliebtheit in Konkurs gehen musste und für ein Jahr geschlossen war, bevor es von Schlacher wiedereröffnet wurde. Auch wenn es Thell schwer gefallen sein soll, dass er das Motto verloren hatte: Mit seinem Nachfolger verband ihn ein überaus freundschaftliches Verhältnis. Und nachdem Thells erneuter Gastronomieversuch mit dem Café im Hundertwasserhaus ebenfalls gescheitert war, lebte er bis zu seinem Tod als Schlachers Mitarbeiter eine seiner großen Leidenschaften aus: jene für opulente Blumenarrangements, mit denen er das Motto am Fluss, aber auch das Motto dekorierte. "Er hat für die Gestecke bis an die Decke Unsummen ausgegeben, aber hatte einfach ein irrsinniges Gespür, was gut ist", so Schlacher.

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Vom ausschweifenden Wandbild (siehe oben) bis zur opulenten Blumendekoration: Im Motto finden sich zahlreiche Details, die eine Hommage an Franz Thell sind

 © Thell Wien

Die Liebe zu Floralem war auch das Bindeglied zwischen Sampl und Thell. "Wir sind öfter gemeinsam auf den Großgrünmarkt gefahren, um Blumen zu kaufen. Im Auto hat er dann immer Geschichten von früher erzählt. Und er hat mir natürlich viele Tipps rund um Florales gegeben. Quasi einen Crashkurs in Sachen Blumenschneiden." Mit Thells Schweizer Messer, das er Sampl bei einem ihrer letzten Zusammentreffen geschenkt hat, schneidet dieser bis heute die Blumen zurecht, die das Thell als Hommage an den Gründer schmücken.

Übrigens: Auch wenn viele der jüngeren Besucher Thell nicht persönlich gekannt haben, so kommt die Umbenennung laut Sampl bisher durch die Bank gut an. Auch Schlacher kommentiert die Sache positiv: "Das Motto war mein Baby. Ich bin sehr glücklich, wenn es gut rennt, auch unter anderem Namen." Und Marianne Kohn sieht es wie viele Besucher aus Thells Zeit, die immer noch regelmäßig vorbeischauen: "Der Franzi war für mich das Motto. Deshalb ist es schon gut, dass es jetzt Thell heißt."

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 03/2023 erschienen.

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