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Die Nacht ist mondhell, der Himmel voller Sterne und unser weißes Schiff, angetrieben von fast 16.000 PS starken Motoren, gleitet geschmeidig die Küste Ecuadors entlang. Dort gibt es ausgedehnte Palmenstrände, die kaum je ein Tourist gesehen hat, mystische, endlose Mangroven-Labyrinthe und im Hinterland weitläufige Kaffee- und Bananenplantagen. Irgendwo da draußen liegt auch Puerto Bolivar, Ecuadors größter Bananenhafen. Rund sechs Millionen Tonnen Bananen für Europa werden hier jedes Jahr verschifft. Praktisch jede ecuadorianische Banane in österreichischen Supermärkten hat ihre Reise hier angetreten.
Die unbekannte Küste
4.100 Kilometer die nördliche Pazifikküste entlang wird uns die Silver Wind von Ecuador bis nach Valparaiso in Chile bringen. Schon unser Ausgangshafen ist eine Stadt, die in Europa kaum jemand kennt. Guayaquil. Man spricht den Namen der 3,5-Millionen-Metropole "Weijakil" aus. Amerikanische Touristen machen daraus gerne "Why you kill?", denn erstens sind manche Viertel für Touristen lebensgefährlich und zweitens liegen sich hier kolumbianische Drogenkartelle und die ecuadorianische Staatsmacht ständig in den Haaren. Aber wenn man als Besucher nicht abends im falschen Viertel naiv und unbekümmert Luft schnappen geht, braucht man hier keine Angst zu haben. Der Flughafen, Zwischenstopp für alle, die auf die Galapagosinseln wollen, ist supermodern und schöner als Schwechat. Und der Kreuzfahrthafen gleicht einem Hochsicherheitstrakt.
Dennoch ist diese Küste für das Seereisegeschäft so etwas wie die dunkle Seite des Mondes. Nach Rio de Janeiro, also auf die andere Küste des Kontinents, sind derzeit 356 Kreuzfahrten buchbar, nach "Why you kill?" nur 18.
Aber gerade das reizt Reisende, die schon viel gesehen haben. Zudem ist schon das Schiff ein Traum, eine elegante Zeitreisemaschine in die Frühzeit des Seereisevergnügens, als Kreuzfahrten noch ein privilegiertes Luxusvergnügen waren und kein Massengeschäft. Das in Italien gebaute und in Polen für die Antarktis verstärkte Schiff gehört der in Monaco ansässigen amerikanischen Reederei Silversea. Die Silver Wind ist gerade einmal für 275 Passagiere zugelassen. Tatsächlich sind auf dieser Reise aber nur 140 Passagiere an Bord. Schlecht für die Betreiber, wunderbar für die Passagiere, die zudem auf dem Luxusdampfer doch ein wenig anders behandelt werden als auf Billigschiffen. Es gibt zum Beispiel nur Suiten und der persönliche Butler bringt auf Wunsch jeden Tag eine kostenlose Dose echten Kaviar. Ja, und sämtliche Ausflüge - außer jene mit Kleinflugzeugen - sind im Preis inkludiert.
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Der Mondtempel
Das erste Ziel, der Hafen von Salaverry an der peruanischen Küste, ist für die meisten Passagiere eine Terra incognita, unbekanntes Land. Und doch lag hier ganz in der Nähe die größte Stadt des alten, vorkolonialen Südamerikas: Chan Chan. Um 1300 gegründet, sollen hier bis zu 100.000 Menschen gelebt haben. Das Volk der Chimu ging zwei Jahrhunderte später im Treibsand der Geschichte unter, als die Inkas übernahmen. Da konnten auch die Chimu-Götter nicht helfen. Der mächtigste darunter war übrigens der Mondgott, was auf der Hand liegt: Der Mond kann schließlich sogar die Sonne verdecken, wenn es darauf ankommt.
Es gibt für die Passagiere an Bord der Silver Wind in der Regel vier Ausflugsoptionen, die man je nach körperlicher Fitness wählt. Wir wollen es etwas anstrengender und jagen dem Mond nach. Die Fahrt führt in das fruchtbare Tal des Moche-Flusses, wo Zuckerrohr und Ananas, aber auch in großem Stil Spargel für europäische Supermärkte angebaut werden. Der Name unseres Ziels wäre ein erstklassiger "Tim und Struppi"-Titel: die Sonnenpyramide und der Tempel des Mondes.
Für einige Zeit sollen diese legendären Adobe-, also Lehmziegelbauten die größten Bauwerke Südamerikas gewesen sein. Am Huaca de la Luna, dem Mondtempel, haben die Moche-Indios jedenfalls ein halbes Jahrtausend lang gebaut. Bewundernswerte Ausdauer. Nichtsdestotrotz: Auch die Moche gingen irgendwann unter.
Dass die Tempelanlagen die goldhungrigen Spanier überstanden, verdanken sie übrigens dem kuriosen Umstand, dass die Kultgegenstände der Moche nur wenig Gold enthielten. Es ist nicht alles Gold, was glänzt, diese Erkenntnis der Spanier hat die beeindruckenden Anlagen gerettet. Die Mühe lohnte sich nicht.
Pisco Sour und Paso-Pferde
Nach so viel Archäologie und Geschichte strebt der Kreuzfahrer nach leichterer Kost. Zum Beispiel dem Besuch einer echten Hacienda mit strahlend weißen Mauern und fesch kostümiertem Personal, so echt wie in den alten Zorro-Filmen. Nur die Pisco-Sour-Cocktails, die hier gereicht werden, kamen bei Zorro nicht vor. Pisco Sour ist in Peru ein Nationalgetränk und besteht aus peruanischem Weinbrand (pisco), frischem Zitronensaft, Zuckersirup, Eis und Angostura. Entscheidend ist das Finish: Obendrauf kommt geschlagener Eiweißschaum. Die Chilenen machen den Pisco Sour übrigens ohne Eiweiß, was Peruaner einfach unmöglich finden.
Die eigentliche Attraktion der Hacienda ist freilich etwas ganz anderes, eine Art Lipizzaner-Vorführung vom Feinsten, allerdings ohne Lipizzaner, sondern mit einer ganz speziellen, nur in Peru vorkommenden Pferderasse: den edlen Paso-Pferden. Wir wollen uns in keine Details für das Magazin "Horse & Hound" verlieren, sondern sagen nur so viel: das Paso-Peruano-Pferd ist so etwas wie der Bentley für Reiter, das bequemste Pferd überhaupt, denn es macht extraweite Schritte und bewegt sich wenig auf und ab, ein Traum also für Reiter mit Rückenschmerzen. Ja, auf einer Kreuzfahrt lernt man eben nicht nur, wie man mühelos zunimmt, sondern auch Essenzielles fürs Leben.
Die Nazca-Linien
Eine der Stationen dieser Reise ist ein Hafen namens Paracas samt einem winzigen Flughafen namens Pisco. Das Städtchen fällt zwar unter die Kategorie "Nie gehört", und doch ist Pisco der Ausgangspunkt für einen rätselhaften Ort, dem wahrscheinlich einzigen UNESCO-Weltkulturerbe, das man nur von der Luft aus sehen kann: die weltberühmten Nazca-Linien. 1.500 riesige Scharrbilder in der Wüste, die meisten von ihnen 2.000 Jahre alt. Für den ehemaligen Schweizer Hotelier Erich von Däniken waren die Nazca-Linien Zeichen für außerirdische Raumschiffe, Landeplätze für die Götter, und mit dieser gewagten These verkaufte er bislang 75 Millionen Bücher. Däniken sah in einem der Wüstenbilder sogar einen Astronauten. Um es vorweg zu nehmen, wir haben keine Aliens getroffen. Dabei hätten wir so gerne mal mit einem einen Pisco Sour getrunken, aber nichts. Doch die geheimnisvollen Botschaften an die Götter sind bis heute eine harte Nuss für Archäologen. Auch für "speibaffine" Touristen stellen sie eine Herausforderung dar, denn ohne kurvenreiche Flüge geht gar nichts.
Wer die Wüstenbilder sehen will, steigt am Flughafen in Pisco in eine Cessna Grand Caravan ein, eine kleine Maschine für maximal zwölf Passagiere. Tatsächlich sind nur sechs Neugierige an Bord, denn jeder Silversea-Luxustourist hat seinen eigenen Fensterplatz. Der Flug dauert insgesamt rund eindreiviertel Stunden, wobei man nur etwa eine halbe Stunde über den gigantischen Wüstenzeichnungen schwebt, der Rest ist An-und Abflug. In dieser halben Stunde versucht unser Pilot, uns möglichst viel zu zeigen, und kurvt entschlossen mal nach links und mal nach rechts. Das braucht gute Nerven und einen stabilen Magen. Aber unvergesslich ist es auf jeden Fall.
In die trockenste Wüste der Welt
Kann man mit einem Schiff an den trockensten Ort der Welt gelangen? Na ja, mit ein wenig Schummeln schon. Man braucht Entschlossenheit und einen Bus. Vom chilenischen Hafen Antofagasta aus starten die unerschrockensten Gäste der Silversea zu einem der magischen Orte auf diesem Planeten: dem Tal des Mondes in der trockensten Wüste der Welt, der Atacama. Es gibt hier Orte, wo es seit Jahrzehnten kein einziges Mal geregnet hat.
Wir haben zwei Gründe, tief in die Atacama fast bis zur bolivianischen Grenze zu fahren: das Tal des Mondes und den nahen Salzsumpf Salar de Atacama mit seinen rosa Wüstenflamingos. In der salzigen Brühe, die für Menschen giftig ist, gedeiht eine spezielle Krabbenart, Leckerbissen für die wunderschönen, anmutigen Flamingos.
Das nahe Valle de la Luna wiederum beflügelt die Fantasie. Es ist eine unwirkliche Landschaft mit Sanddünen und seltsamen Steinformationen, die an die Oberfläche des Mondes erinnern. Und wenn man von einer riesigen Düne aus den Sonnenuntergang bestaunt, fühlt man sich tatsächlich ein wenig schwerelos vor dem Wunder der Natur.
Ganz in der Nähe befindet sich die Oase San Pedro, ein Ort wie aus einem Clint-Eastwood-Western, nur touristischer. Ringsum Wüste und doch leben hier Menschen, und zwar sehr gerne. Zum Beispiel Ricardo, unser Guide. "Ich komme aus Santiago de Chile", erzählt der junge Mann. "Da regnet es von April bis Oktober sehr häufig. Es ist oft kalt und grau dort. Ganz anders hier. San Pedro ist ein kleines, sehr touristisches Städtchen mitten in der Wüste mit vielen Läden und Restaurants. Es gibt keine Kriminalität wie in Santiago, man verdient gut, der Himmel ist strahlend blau das ganze Jahr und überhaupt lebt es sich hier sehr entspannt." Ob er manchmal vom Regen träumt? "Ganz sicher nicht", lacht Ricardo, "aber von einem kühlen Bier!"
Luxuskreuzfahrten
Silversea zählt zu den besten fünf Luxuskreuzfahrt-Reedereien der Welt mit 13 kleinen Schiffen, die meisten mit weniger als 350 Passagieren unterwegs sind. Bei Expeditionsschiffen sind alle Ausflüge im Preis inkludiert. Eine ähnliche Kreuzfahrt wie in unserer Reportage ist im Oktober auf der Silver Cloud buchbar, ab 6.900 Euro inklusive Flug ab Wien.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 24/2023.