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Vegan essen: Welche Rolle Fleischersatzprodukte künftig spielen werden

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15 min
Veganismus: Fleischersatzprodukt

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Sojawürstel, Schinken aus dem Labor und gedrucktes Steak: Hunderte Forscher versuchen, den perfekten Fleischersatz herzustellen, laufend kommen neue Produkte auf den Markt. Veggie-Experte Godo Röben über die Zukunft unserer Ernährung.

© Torsten von Reeken

Steckbrief

Godo Röben

Zur Person

Der heute 53-jährige Deutsche studierte "Management im Handel". Als Marketingleiter des Wurstherstellers Rügenwalder Mühle war er maßgeblich an der Einführung der Fleischlos-Linie des Konzerns beteiligt. 2021 schied er aus dem Unternehmen aus und beteiligt sich seither an Start-ups, die u. a. vegane Eier herstellen. Zudem ist er Vorstand des Verbands "Alternative Proteine" und berät das Land Niedersachsen zur "Ernährung der Zukunft".

Sie sind an mehreren Start-ups beteiligt, die sich mit der Entwicklung von Fleischersatzprodukten beschäftigen. Was essen Sie eigentlich so an einem Tag?
Ich bin Flexitarier, so wie die meisten unserer Kunden. Ich esse hauptsächlich Fleisch- und Wurstersatzprodukte aus Pflanzen, aber ab und zu esse ich auch Fleisch.

Was schmeckt Ihnen am Fleisch, dass Sie nicht ganz darauf verzichten wollen?
Es ist einfach der Geruch, die Röstaromen, der Biss, das ganze Drumherum. Es gibt schon viele Alternativprodukte - sowohl bei Milch als auch bei Fleisch -, die sind bei 80 Prozent, aber die letzten 20 Prozent an Geschmack und Textur fehlen noch. Deswegen esse ich ab und an noch das echte tierische Produkt.

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Die Zahl der Ersatzprodukte steigt rasant. Gibt es darunter welche, von denen Sie selbst sagen, sie schmecken Ihnen nicht?
Ja, das sind noch einige. Einige Ersatzprodukte sind wunderbar, wie beispielsweise Nuggets oder Mortadella. Da ergibt es keinen Sinn mehr, die tierischen Produkte zu essen. Die Alternativprodukte haben weniger Kalorien, keine tierischen Fette und erhöhen die Cholesterinwerte nicht, was für mich persönlich sehr gut ist. Und da schmeckt man auch keinen Unterschied. Grauslich finde ich hingegen beispielsweise vegane Leberwurst oder veganes Steak. Da habe ich noch kein Produkt gefunden, von dem ich gesagt habe, es ist nah dran. Kochschinken wiederum gibt es noch gar nicht.

Es ist also noch viel zu tun, um einen vollwertigen Fleischersatz anbieten zu können ...
Es ist wie bei der Elektromobilität. Zunächst sind es noch Brückentechnologien, aber nachher ist es besser. Da sind wir bei den Fleischersatzprodukten gerade. In zwei bis drei Jahren wird der Punkt kommen, an dem es keine Produkte mehr gibt, von denen die Konsumenten sagen: "Puh, die sind noch nicht gut." Aber egal ob Fleisch, Fisch, Ei oder Milch: Der Markt der Alternativprodukte hat aktuell wahnsinnige Wachstums raten und wird in den nächsten Jahrzehnten explodieren. Große Firmen wie Nestlé stoßen aktuell ihre Fleischsparten ab und investieren total in den Bereich der Ersatzprodukte. Dazu haben sie Hunderte Forscher, die an Geschmack und Textur experimentieren.

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Das heißt, aus Ihrer Sicht werden die Menschen kein Fleisch mehr konsumieren?
Aus meiner Sicht wird es eine Wende geben, wie die Energie- und Mobilitätswende. Das dauert 50 Jahre. Die Energiewende fing in den 1980ern mit "Atomkraft? Nein danke" an. Jetzt sind wir in Deutschland so weit, dass wir 2045 auf 100 Prozent erneuerbare Energien umsteigen werden. Bei der tierischen Wende wird es so kommen, dass auf dem Markt 80 Prozent Alternativprodukte sein werden und die restlichen 20 Prozent von Tieren stammen, die wirklich genügend Auslauf haben und glücklich sind.

Hunderte Forscher experimentieren an Geschmack und Textur

Godo Röben

Sie glauben also, weltweit werden sich die Menschen von Fleischersatzprodukten ernähren?
Zunächst wird das in den reichen Ländern der Fall sein, später auch in den Schwellenländern. Aber ja, in 100 Jahren wird es überall auf der Welt so sein.

Aber warum benötigen wir überhaupt so viele Ersatzprodukte, warum nicht einfach ganz verzichten?
Das ist genau der Punkt: Warum gibt es Elektromobilität? Die Leute könnten auch einfach aufs Auto verzichten. Nein, die Menschen haben sich ans Auto gewöhnt und haben jetzt keine Lust, morgens den Bus zu nehmen. Doch wenn man diesen Leuten sagt, nimm ein Elektroauto, machen sie mit. Verbietet man ihnen das Auto aber ganz, machen sie nicht mit. Und genauso funktioniert es mit den Ersatzprodukten. Sagt man: "Verzichtet doch, das wäre gut fürs Klima", sagen sie: "Nein, ich bin übellaunig, wenn ich morgens nicht mein Wurstbrot oder mittags mein Schnitzel esse. Ich habe keine Lust auf ausschließlich Gemüse." Aber wenn man ihnen erklärt, du kriegst deine Wurst, sie ist zwar aus Pflanzen, aber sie schmeckt genauso, machen alle mit.

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Nun stellen sich manche Menschen aber die Frage, warum dieser ganze Aufwand betrieben wird, um aus dem Fleischkonsum auszusteigen.
Das ist ein ganz einfaches Rechenbeispiel, wenn man sich die Bevölkerung anschaut: Wir sind seit 200.000 Jahren auf der Erde, und es hat fast die gesamte Zeit bis 1800 gedauert, bis wir eine Milliarde Menschen waren. Von 1800 bis 1960 sind 2,5 Milliarden Menschen dazugekommen, und in den vergangenen 60 Jahren weitere 4,5 Milliarden. Wir merken jetzt, dass es wunderbar ist, alles effizienter zu machen: Autos, Medikamente, aber dass es bei Lebewesen unethisch wird, wenn so viele Menschen ernährt werden müssen. Aktuell töten wir 150 Milliarden Tiere jährlich - wir brauchen bis 2050 die doppelte Menge, da Schwellenländer anfangen, mehr Fleisch zu essen, und die Bevölkerung auf zehn Milliarden Menschen anwachsen wird. Bei so vielen Menschen auf dieser kleinen Erde kann man es sich nicht leisten, so viele Tiere zu produzieren. Dann natürlich ist es wegen des Klimawandels wichtig. Nur die Energie- und Mobilitätswende werden nicht reichen. Aber ich stelle immer gern die Gegenfrage: Was ist denn so schlimm daran, Pflanzenwurst zu essen? Das ist gut für deine Gesundheit, für die Tiere, für die Umwelt und gut für die Figur, weil es wenige Kalorien hat.

In zehn Jahren wird ein 3-D-Drucker in jedem Haushalt Fleischersatz herstellen

Es wird viel über die Inhaltsstoffe der Ersatzprodukte diskutiert. In einigen ist beispielsweise Soja aus Brasilien enthalten. Das ist ebenfalls nicht gerade klimafreundlich. Dazu kommen viele Zusatzstoffe, um den gewünschten Geschmack zu erhalten.
Natürlich ergibt es keinen Sinn, Produkte aus Südamerika zu importieren, wenn wir etwas gegen den Klimawandel unternehmen wollen. Mit einem der Unternehmen, das ich in Deutschland vermarkte, sind wir gerade dabei, vegane Produkte einzuführen und dabei genau mit diesen Vorurteilen aufzuräumen: Sie enthalten kein Soja aus Südamerika, sondern nur Weizen aus Deutschland. Außerdem kommen die Produkte komplett ohne Zusatzstoffe aus. Das ist es, wo der vegane Weg hingehen muss: regionale Produkte und möglichst kurze Zutatenlisten.

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Weizen ist aber nicht gerade für seinen Proteinreichtum bekannt.
O doch. Diese Produkte, die wir jetzt eingeführt haben - Salami und Schinken - haben 36 Prozent Protein und damit mehr als Fleisch. Das Protein ist aus dem Weizen, und das Ziel ist natürlich, dass diese Produkte bessere Nährwerte haben als Fleischprodukte. Aber es gibt viele vegane Produkte, bei denen das nicht so ist. Darauf sollte man beim Kauf natürlich achten.

Jetzt gibt es nicht nur aus Pflanzen hergestellte Ersatzprodukte. Als Alternative, um die wachsende Bevölkerung ernähren zu können, werden oft auch Insekten genannt.
Für mich persönlich sind sie keine Alternative. Ich glaube, sie helfen in der Tiernahrung und sie helfen in Ländern, in denen die Menschen damit sozialisiert worden sind. In den europäischen Ländern ist Insektennahrung noch weit weg.

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Aber wenn man jetzt damit beginnen würde, wäre es in 50 Jahren vielleicht auch bei uns normal, Insekten zu essen?
Es gibt zwar bereits den einen oder anderen Burger aus Insekten, da spricht nichts dagegen. Ich habe ihn auch schon probiert. Aber es werden immer unschöne Bilder sein, wenn Insekten in diesen großen Mengen produziert werden. Daher glaube ich nicht, dass sich Insekten als Alternative durchsetzen werden.

Als weitere Alternative wurde bereits Fleisch aus dem Labor präsentiert.
Das kommt und wird einen großen Anteil einnehmen. Federführend auf diesem Gebiet sind Israel, die Niederlande und Deutschland. Bis es so weit ist, dauert es allerdings noch fünf bis zehn Jahre, da es bei derartigen Produkten strenge Regularien gibt und das Laborfleisch zunächst genehmigt werden muss. Außerdem sind die Kosten mit 500 Euro pro Kilo derzeit noch zu hoch.

Wie muss ich mir das vorstellen, wenn Fleisch im Labor entsteht?
Es ist ähnlich wie bei Joghurt oder Bier. Es wird in riesigen Bioreaktoren hergestellt. Im Fall von Fleisch nimmt man eine Zelle vom Tier, die dann eben nicht am Tier selbst, sondern im Bioreaktor wächst. Die Zelle bekommt eine Nährlösung, entwickelt sich fort, und daraus wächst das Fleisch.

Das klingt sehr unnatürlich.
Das hört sich zwar total unnatürlich an, wenn man sich aber anschaut, wie wir heutzutage unser Fleisch wachsen lassen, dann ist es ja eigentlich so, dass die Tiere nichts anderes als laufende Bioreaktoren sind. Wir nutzen Lebewesen für unsere Fleischproduktion. Das ist ja noch viel perverser als ein "toter" Bioreaktor.

Welche Mengen können aktuell damit produziert werden?
Bisher nur kleine Mengen. Die Bioreaktoren fassen aktuell so 100 Liter. Aber in fünf Jahren wird es eine deutlich größere Menge sein.

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Wäre es dann auch möglich, die Zelle von Anfang an so zu manipulieren, dass ich gleich einen Geschmack reinbringe?
Das wird man wahrscheinlich hinkriegen, und möglich ist es außerdem, unterschiedliche Fleischarten, wie Muskelfleisch oder Speck, wachsen zu lassen.

Auch aus dem 3-D-Drucker gibt es bereits Fleisch. Wird das jemals massentauglich sein?
Ich glaube, das wird noch zehn Jahre dauern. Dann aber ist es für mich vorstellbar, dass jeder einen 3-D-Drucker zu Hause hat, so wie jetzt einen Thermomix. Oben wird einfach ein Pülverchen reingeschüttet mit allen Nährstoffen und Wasser. Wenn es fertig gedruckt ist, kommt es in die Pfanne. Damit kann jeder die Produkte ganz nach seinem individuellen Geschmack herstellen. Zum Beispiel die Frikadellen des Sohns mit extra Knoblauch und meine eigenen mit mehr Zwiebeln. Die Tochter wiederum bekommt stattdessen ein Steak aus dem 3-D-Drucker.

Das klingt sehr praktisch ...
Es ist total praktisch, supergesund und hat mit personalisierter Ernährung zu tun. Es ist einfach nur das Thema Sozialisierung: Kennt man nicht, ist spooky und ein bisschen frankensteinmäßig, aber wenn es nach und nach in jedem Haushalt einzieht, sieht man schließlich die Vorteile.

Auf welches Produkt freuen Sie sich am meisten, wenn es endlich auf den Markt kommt?
Wenn bei meinem Griechen im Dorf der Gyros-Teller vegan ist, bin ich glücklich. Dann weiß ich, es hat sich komplett durchgesetzt.

Der Beitrag erschien ursprünglich im News 43/2022.

Ernährung

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