Von einer Spionageaffäre über illegale Waffenexporte bis hin zur Korruption der Volkspartei untersuchten in Österreich bisher 27 Untersuchungsausschüsse mutmaßliches politisches Fehlverhalten. Doch was kann und was darf so ein U-Ausschuss?
Was ist ein U-Ausschuss?
Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss (kurz: U-Ausschuss) ist ein demokratisches Kontrollinstrument der Abgeordneten und soll politische Missstände untersuchen. Das Untersuchungsrecht gilt als das stärkste Kontrollrecht des Parlaments, denn es beinhaltet das Recht auf umfassende Information und Auskunft.
Untersucht werden können ausschließlich bereits abgeschlossene Vorgänge (z. B. der Kauf von Kampfjets), mit laufenden politischen Angelegenheiten (z. B. laufende Gesetzesverfahren) kann sich ein U-Ausschuss nicht befassen. Meist betrifft ein Ausschuss die Tätigkeit der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder, möglich ist auch eine Untersuchung unabhängiger Behörden, beispielsweise der Finanzmarktaufsicht. Richter:innen dürfen nicht Gegenstand einer Untersuchung sein.
Auch Bundesländer können Untersuchungsausschüsse einsetzen, deren Grundlagen in den jeweiligen Landesverfassungen geregelt sind.
Was darf ein U-Ausschuss?
Ein U-Ausschuss erörtert die politische Verantwortung der Beteiligten, die juristische Beurteilung politischer Vorgänge gehört nicht zu seinen Aufgaben. Diese ist Sache der Gerichte.
Die Rechtsgrundlage bildet Art. 53 Bundes-Verfassung (B-VG) in der Fassung vom 1. Jänner 2015, wonach der Nationalrat auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder (mind. 46 von 183 Abgeordneten) einen Untersuchungsausschuss einsetzen muss. Die zweite Option ist der Antrag von mindestens fünf Abgeordneten zur Einsetzung eines Ausschusses. Anschließend muss der Nationalrat über einen solchen Antrag abstimmen.
Ein U-Ausschuss gilt vor allem deshalb als mächtiges Kontrollinstrument, da sämtliche Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und alle sonstigen einer Vorlagepflicht unterliegen. Das heißt, auf Verlangen der Ausschussmitglieder müssen sie Akten und Unterlagen, die den Untersuchungsgegenstand betreffen, vorlegen. Die U-Ausschuss-Mitglieder prüfen diese Unterlagen und suchen nach Ungereimtheiten und Missständen. Diese Rechte beziehen sich jedoch ausschließlich auf den Gegenstand des Ausschusses, welcher vorab genau festgelegt werden muss und im Nachhinein nicht abgeändert werden kann.
Außerdem können Auskunftspersonen und Sachverständige in den U-Ausschuss geladen werden. Personen, die in den U-Ausschuss geladen werden, müssen dort unter Wahrheitspflicht aussagen. Sagt eine Person nachweislich die Unwahrheit, droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Weigert sich eine Auskunftsperson, vorm Ausschuss zu erscheinen, kann sie oder er dem Untersuchungsausschuss vorgeführt werden. Das Bundesverwaltungsgericht kann bei Nichterscheinen die Verhängung einer Beugestrafe beantragen.
Auskunftspersonen können sich bei ihrer Befragung jedoch entschlagen, wenn sie negative Konsequenzen für ein laufendes Strafverfahren befürchten. Der ehemalige ÖBAG-Vorsitzende Thomas Schmid verweigerte im "ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss" die Beantwortung vollständig, jeweils mit Verweis auf gegen ihn laufende Ermittlungen (sehr zum Unmut der Ausschussmitglieder). Das Bundesverwaltungsgericht verurteilte ihn anschließend zu einer Beugestrafe von 800 Euro.
Die Arbeit eines U-Ausschusses ist zeitlich auf 14 Monate begrenzt und kann in Ausnahmefällen bis zu zwei Mal um je drei Monate verlängert werden. Nach Abschluss des U-Ausschusses berichtet der Untersuchungsausschuss dem Nationalrat über die Ergebnisse. Die Präsentation der Ergebnisse dient der Öffentlichkeit dazu, sich ein Bild über die untersuchten politischen Vorgänge zu machen. In der Vergangenheit führten sie auch dazu, Gesetzesänderungen anzustoßen. Rechtliche Konsequenzen haben die Untersuchungsergebnisse für die Beteiligten nicht.
Spionage, Waffenexporte, Korruption
Das österreichische Parlament setzte seit 1945 insgesamt 27 Untersuchungsausschüsse ein. Der erste Ausschuss betraf die "Untersuchung der Tätigkeit der Vertreter der Creditanstalt, der Länderbank und der Bundeshandelskammer in New York (ERP-Hilfe)" auf Antrag der ÖVP, mit 45 Sitzungen zwischen Ende 1949 und Ende April 1952. Weitere Aufsehen erregende Ausschüsse betrafen die "Spionageaffäre" (1968-1969) und die Causa "Noricum" (1989-1990) über illegale Waffenexporte. Auf gleich zwei Ausschüsse brachte es die sogenannte "Eurofighter Affäre" (2006-2007 und 2018-2019).
Erst seit einer Gesetzesnovelle können U-Ausschüsse auch von einer Minderheit der Parlamentarier:innen eingesetzt werden, bis Ende 2014 bedurfte es hierfür einer Mehrheit der Abgeordneten. Der erste von der Opposition eingesetzte U-Ausschuss war der sogenannte "Hypo-Untersuchungsausschuss" (2015-2016), der die Vorgänge rund um die Hypo Group Alpe-Adria behandelte.
Der sogenannte "Ibiza-Untersuchungsausschuss" befasste sich ab 2020 mit der "mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung" und wurde im Folgejahr als "ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss" fortgeführt. Aktuell gibt es keine laufenden Untersuchungsausschüsse, dem Vernehmen bereiten jedoch gleich mehrere Parlamentsparteien die Einsetzung eines solchen vor.
Die Kosten parlamentarischer Kontrolle
So ein U-Ausschuss ist eine kostspielige Angelegenheit. Spezielle Vergütungen der parlamentarischen Fraktionen, Kosten der Verfahrensrichter:innen und -anwältinnen, deren Mitarbeiter:innen und vieles mehr kosten ordentlich Geld. Der Ibiza-Ausschuss brachte es auf insgesamt rund 5,4 Millionen Euro. Allerdings sollte die Kontrolltätigkeit des Parlaments nicht nach Kosten bewertet werden. Im Zuge des Ausschusses wurden in 56 Sitzungen und einer Sitzungsdauer von mehr als 500 Stunden 105 Auskunftspersonen befragt und darüber mehr als 7.000 Protokollseiten angefertigt. Den Ausschussmitgliedern standen 2,7 Millionen Aktenseiten zur Verfügung.
Sind Untersuchungsausschüsse öffentlich?
Untersuchungsausschüsse sind nicht öffentlich, ausschließlich Journalisten und Journalistinnen dürfen als Vertreter:innen der Öffentlichkeit an Sitzungen teilnehmen. Auch für sie gilt jedoch ein striktes Verbot für Bild- und Tonaufnahmen. Grüne, SPÖ, FPÖ und NEOS fordern seit längerem, U-Ausschuss-Sitzungen live zu übertragen (wie das auch bei Sitzungen des Nationalrates der Fall ist). Auch in Deutschland werden Sitzungen live übertragen. Um U-Ausschüsse live zu übertragen, bedürfte es einer Zweidrittelmehrheit, diese scheitert an der ÖVP.
Die Protokolle der jeweiligen Sitzungen können Sie online auf der Homepage des Parlaments einsehen.
Wer sitzt im Untersuchungsausschuss?
Sämtliche Parlamentsparteien entsenden Mitglieder in einen U-Ausschuss, und zwar gemäß der Sitzverteilung im Parlament. Beispielsweise stellten von den 13 Mitgliedern des "ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses" die ÖVP fünf Mitglieder, die SPÖ drei, FPÖ und Grüne jeweils zwei und die NEOS ein Mitglied. Der bzw. die Präsident:in des Nationalrats führt im U-Ausschuss den Vorsitz. Sie bzw. er wird im Bedarfsfall von dem bzw. der zweiten bzw. dritten Nationalratspräsidenten bzw. -präsidentin vertreten. Kurioserweise kann der Nationalratspräsident, wie im Fall Wolfgang Sobotkas (ÖVP), auch dann Ausschussvorsitzender sein, wenn er selbst Gegenstand des U-Ausschusses ist. Ausschussvorsitzende können lediglich freiwillig auf ihren Posten verzichten, was Sobotka verweigerte.
Die/der Vorsitzende wird während den Ausschusssitzungen von einem/einer Verfahrensrichter:in unterstützt. Auskunftspersonen können sich von einer Vertrauensperson begleiten lassen, diese haben jedoch kein Rederecht. Ein Verfahrensanwalt bzw. eine Verfahrensanwältin achtet auf die Einhaltung der Grund- und Persönlichkeitsrechte der Auskunftsperson. Details hierzu finden Sie in der "Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse".