Nach Putins indirekter Drohung vergangene Woche, mit Atomwaffen auf weitere Sanktionen und "Aggressionen gegen Russland" zu reagieren, und der Versetzung der russischen Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft übte der Westen scharfe Kritik und zeigte sich fassungslos.
Dennoch gehen die meisten Experten nach wie vor nicht davon aus, dass nukleare Waffen im Zuge des Ukraine-Kriegs zum Einsatz kommen werden. "Ich glaube nicht, dass ein Atomkrieg eine wahrscheinliche Folge dieser Krise ist", sagte etwa der Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri Dan Smith der Deutschen Presse-Agentur, fügte aber auch hinzu: "Wenn Atomwaffen existieren, dann gibt es aber leider natürlich immer diese kleine Möglichkeit. Und das wäre katastrophal."
Wenn, dann Einsatz von "taktischen Nuklearwaffen"
Dennoch sehen auch weitere Experten und Expertinnen etwa als "Einschüchterungstaktik", wie etwa der Zürcher Sicherheitsforscher Niklas Masuhr sagte. Marina Henke, Professorin für Internationale Beziehungen an der Hertie School Berlin, sieht den Atomwaffeneinsatz ebenfalls nicht "Putins erste, zweite oder dritte Wahl". Sollte es doch dazu kommen, geht die Expertin laut einem Interview mit dem RND nicht davon aus, dass ganze Metropolen zerstört werden würden, sondern vielmehr von einem Einsatz "taktischer Nuklearwaffen als Signal an NATO und den Westen".
"Nicht sehr wahrscheinlich"
Auch wenn die Drohungen etwa für den heimischen Osteuropa-Experten Gerhard Mangott nicht überraschend kommen ("Es wäre töricht zu glauben, dass der Westen mit Sanktionen derart eskaliert, ohne dass Russland reagiert", sagte er in einem Interview mit "Kronehit"), hält es der österreichische Militärexperte Gerald Karner "glücklicherweise für nicht sehr wahrscheinlich, dass diese Eskalation tatsächlich erfolgt", wie er ebenfalls im Radiointerview sagte. Denn die Folgen wären nicht nur für die Ukraine und den Westen, sondern auch für Russland selbst desaströs, so Karner.
"Globaler Atomkrieg" macht "keinerlei Sinn für keine Seite"
In einem vielfach geteilten Erklärstück auf Twitter versuchte der deutsche Journalist und Waffensachverständiger Lars Winkelsdorf die Ereignisse einzuordnen und Menschen die Panik zu nehmen. Er sprach von einem realen unwahrscheinlichen Risiko. Seine Begründung: Atommächte stünden sich hier nicht unmittelbar gegenüber, weshalb ein Erstschlag Russlands "herzlich wenig Sinn" mache, denn das würde nur "unter Garantie" dieselbe Antwort auslösen, also einen nuklearen Gegenschlag. Der "globale, allumfassende Atomkrieg" mit "strategischen Kernwaffen" würde also seiner Ansicht nach "keinerlei Sinn machen, für keine Seite".
Was sind "taktische Kernwaffen" - und was würde der Einsatz bedeuten?
Der Einsatz von "taktischen Kernwaffen" könne im Prinzip aber nicht ausgeschlossen werden, was jedoch "nicht automatisch einen Weltuntergang" bedeuten würde. "Der Reaktorunfall von Tschernobyl wird bereits mit hoher Wahrscheinlichkeit viel, viel schlimmere Auswirkungen auf Europa gehabt haben als das, was bei 'taktischen' Kernwaffen an Problemen auf uns zukommen würde", so Winkelsdorf.