ANALYSE
In den vergangenen Jahren haben sich Landeshauptleute einen Finanzminister gehalten. Natürlich: Das ist zugespitzt formuliert, soll aber zum Ausdruck bringen, dass sie bestimmt haben, wie viel Geld den Ländern zur Bewältigung ihrer Aufgaben zu überweisen ist. Die gewünschte Summe ist bisher geflossen.
Jetzt scheint alles anders zu sein: Zum Auftakt der Verhandlungen über einen neuen Finanzausgleich ab dem kommenden Jahr haben die Landeshauptleute Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) wissen lassen, dass sie viel mehr brauchen. Über fixe Zahlungen, die es zum Beispiel für Lehrergehälter gibt, hinaus wollen sie einen größeren Anteil an den Steuereinnahmen des Bundes. Gemeinsam mit den Gemeinden würden sie nicht mehr ein Drittel, sondern rund 40 Prozent benötigen, um in den Bereichen Pflege und Gesundheit über die Runden kommen zu können, behaupten sie. Überraschung eins: Brunner erteilte dem eine Absage und bot an, befristet auf fünf Jahre insgesamt zehn Milliarden Euro mehr zu überweisen. Überraschung zwei: Ausgerechnet Brunners Landsmann und Parteikollege, Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP), empörte sich öffentlich darüber und sprach von einer "Mogelpackung".
Das zeigt, dass das nicht nur Show ist. Es ist ernst: Der Bund, den Brunner repräsentiert, muss selber schauen, wie er zum Beispiel den wachsenden Pensionsaufwand bewältigen und die Neuverschuldung begrenzen könnte. Das wird ohnehin schon schwer genug. Da kann er nicht auch noch Großzügigkeit gegenüber den Ländern walten lassen: Würde er das tun, müssten Bunner oder ein allfälliger Nachfolger das spätestens nach der nächsten Nationalratswahl durch ein Sparpaket und Steuererhöhungen ausgleichen, die dann alle Menschen in Österreich zu spüren bekommen.
Dem Finanzminister scheint es durchaus zu gefallen, hier Härte zu demonstrieren. Er betont, dass der bestehende Finanzausgleich ohne Einigung halt "einfach fortgeschrieben" werde. Durchsetzen wird er das kaum können. Am Ende des Tages werden es wohl noch immer eher die Länder sein, die mehr Gewicht haben.
Andererseits hat Brunner nicht viel zu verlieren. In Vorarlberg wird er kaum Landeshauptmann, so lange Wallner dort etwas zu melden hat. Auf Bundesebene gehört er nicht der Türkisen-Fraktion und schon gar nicht den Teilen der Volkspartei an, die sich wie die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner einem "Normaldenkenden"-Populismus verschrieben haben.
Der 51-Jährige zählt zu den letzten führenden Vertretern einer bürgerlichen, wirtschaftsorientierten ÖVP, die sich wirklich in der Mitte positioniert. Das Einzige, was ihm Sicherheit bietet, ist, dass er damit eine Klientel anspricht, die für die Karl-Nehammer-Volkspartei nach wie vor wichtig ist; vor allem, so lange es ihr nicht gelingt, ehemalige FPÖ-Anhänger zu überzeugen, die sie unter Sebastian Kurz gewonnen hat.
ZAHL
Parteien: Korruption ist ein Problem
Parteien: Korruption ist ein Problem
Zu viel Korruption, zu wenig Transparenz: So lassen sich die Ergebnisse einer Eurobarometer-Erhebung für Österreich zusammenfassen, die im Auftrag der Europäischen Kommission durchgeführt worden ist. 56 Prozent der Befragten geben an, dass Korruption ein verbreitetes Phänomen ist. 42 Prozent finden, dass es selten ist und kaum jemand erklärt, dass es nicht existiere. Zum Teil stützen sich die Angaben auf persönliche Erfahrungen. So berichtet ein Viertel, dass es sich um ein Problem bei geschäftlichen Tätigkeiten handle. Zum Vergleich: In Deutschland sind es halb so viele, scheint mehr Ordnung und Sauberkeit zu herrschen.
Bei der Eurobarometer-Befragung sind auch Wahrnehmungen in Bezug auf Parteien erhoben worden. Hier liegt Österreich im hinteren Mittelfeld, in Gesellschaft einiger Staaten, über die Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gesagt hat, dass sie im System kaputt seien. Konkret: In Österreich sind lediglich 23 Prozent der Überzeugung, dass Transparenz und Kontrolle ausreichend seien. Um ähnlich wenige handelt es sich in Italien und Kroatien. In Frankreich und Deutschland sind es 31 Prozent. Am größten ist das Vertrauen in Luxemburg (54) und Finnland (51).
Das beträchtliche Misstrauen hierzulande kommt nicht irgendwoher: 2019 kam es zur Ibiza-Affäre, in deren Zentrum der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache stand. In einem Video schilderte er, wie Parteien unterstützt werden können, ohne dass es die Öffentlichkeit erfährt. Über Vereine nämlich. Vor einem Jahr kam es zu einer Ausweitung der Transparenz- und Kontrollbestimmungen. Kritikern gehen sie jedoch nicht weit genug. Vereine bleiben ausgenommen. Und illegale Parteienfinanzierung ist weiterhin kein Straftatbestand, obwohl das insofern angemessen wäre, als Parteien in Österreich so stark mit Steuergeldern gefördert werden, wie in kaum einem anderen Land.
BERICHT
Glück im Unglück
Glück im Unglück
Ende Juni gab es in Wien 134.193 Bezieherinnen und Bezieher der Mindestsicherung Das sind viele, es ist jedoch bemerkenswert, dass es nicht mehr sind: Aufgrund der Teuerung und der Probleme, die damit besonders für Menschen mit niedrigem Einkommen einhergehen, wäre eine größere Zahl erwartbar gewesen. Die Überraschung wächst, wenn man berücksichtig, dass die Zunahme von drei Prozent im Jahresvergleich ausschließlich auf Asyl-und subsidiär Schutzberichtigte zurückzuführen ist, die neu ins System gekommen sind.
Waren alle Befürchtungen in Bezug auf die Teuerungskrise übertrieben? Glück im Unglück dabei ist, dass sie mit einer günstigen Beschäftigungslage zusammenfällt. Sehr viele Menschen haben einen Job und damit auch einen Lohn. Löhne wiederum werden regelmäßig erhöht und das hat nach Einschätzung des "Instituts für Höhere Studien" neben Antiteuerungspaketen, die die Regierung geschnürt hat, dazu beigetragen, dass sich die Verhältnisse stabilisiert haben; dass zuletzt sogar der Anteil der Menschen wieder etwas kleiner geworden ist, die angeben, dass sie sich schwertun, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Die Krise ist zwar noch nicht vorbei, Prognosen lassen jedoch hoffen: Die Inflationsrate sollte langsam, aber doch stark sinken, heuer siebeneinhalb und im kommenden Jahr immerhin knapp vier Prozent betragen. Die Beschäftigungslage dürfte günstig bleiben. Wirtschaftsforscher erwarten mittelfristig sogar einen weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit bzw. zunehmend ein ganz anderes Problem: einen Arbeitskräftemangel.
Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at