Eine Beziehung mit einem Menschen zu führen, der an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leidet, ist schon kein Leichtes. So richtig schwierig wird es dann aber noch einmal, wenn man sich von dem Betreffenden trennen möchte. Wie löse ich mich von einem Narzissten? Und warum fällt die Trennung oft so schwer?
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Eines gleich vorweg: Jeder Mensch hat narzisstische Anteile in sich. Die einen mehr, die anderen weniger, wie der Wiener Psychiater und Neurowissenschafter Dr. Dr. Raphael Bonelli erklärt. Umgekehrt sei eine Person, nur weil sie einmal nicht nett ist, noch lange kein Narzisst. Viel zu leichtfertig werde dieser Begriff heutzutage in Beziehungsangelegenheiten als Totschlagargument verwendet. Dabei gibt es eine klare Definition. Grundsätzlich lässt sich die narzisstische Persönlichkeitsstörung, von der in weiterer Folge die Rede sein wird, durch drei wesentliche Merkmale charakterisieren: Ein echter Narzisst idealisiert sich selbst, wertet andere ab und ist sich stets selbst der Nächste. "Schön ist nur er selbst, wahr ist nur das, was er sagt, und gut ist nur das, was für ihn gut ist", bringt es der Experte auf den Punkt.
Keine Partnerschaft auf Augenhöhe
In einer Beziehung verhält sich der Narzisst dominant. Eine Partnerschaft auf Augenhöhe ist nicht erwünscht. Immerhin will man sich ja überlegen, mächtiger und größer fühlen. Was den Narzissten - tatsächlich sind von dieser Erkrankung mehr Männer als Frauen betroffen** - nicht daran hindert, sich die schönste, hier und da auch die klügste aller Frauen zu suchen. Mit ihr kann er sich schmücken, seinen eigenen Wert zusätzlich steigern. Wenn die Frau es allerdings wagt, sich von ihm zu trennen, dann schießt der Narzisst aus allen Rohren. "Für ihn ist das eine Majestätsbeleidigung. Es ist ungehörig und vollkommen inakzeptabel, dass die Frau sich von ihm trennen will", so Bonelli. Der Narzisst ist zu tiefst gekränkt. "Deswegen sind Trennungen, bei denen ein Narzisst im Spiel ist, oft auch so blutig."
Der Narzisst erlebt die von der Frau herbeigeführte Trennung als persönliche Niederlage. Diese kann er nicht ertragen. Und auch nicht verstehen. Wie kann sie ihn bloß verlassen, wo er doch der Beste ist? Nach der Devise "Du wirst schon sehen, du kommst zurück" wird die Trennung schlicht und einfach nicht akzeptiert. Der Mann setzt alles daran, die Ex-Partnerin zurückzuholen. "Manchmal sogar nur, um sie dann fallen zu lassen. Denn: Ein Narzisst wird nicht verlassen", veranschaulicht der Psychiater die möglichen Reaktionen des Betroffenen. Noch komplizierter wird die Sache, wenn Kinder im Spiel sind. "Manchmal missbraucht er die Kinder, die ihm eigentlich egal sind, als Machtinstrument." Mitunter versucht er zu erwirken, dass die Frau sie nicht mehr sehen darf. Auf diese Weise will er die Abtrünnige für ihre Tat bestrafen.
Der Narzisst als Manipulator
"Ein echter Narzisst ist skrupellos. Er hat keine moralischen Werte und keine Hemmung zu lügen, zu stehlen und zu betrügen. Es ist alles erlaubt, solange es ihm nutzt. Denn er ist das Höchste, und der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel", stellt Bonelli die Sichtweise des Erkrankten dar. Nicht selten kommt es in einer Beziehung mit einem Narzissten zum sogenannten Gaslight-Effekt. "Der Narzisst manipuliert die Partnerin gezielt durch Falschinformationen." Für gewöhnlich mit der Intention, sich einen Freiraum - meist sexueller, manchmal aber auch finanzieller Natur - zu schaffen." Das Opfer wird zusehends verunsichert, bis es schließlich seiner eigenen Wahrnehmung nicht mehr traut. Es fühlt sich in der Partnerschaft sehr unwohl, kann das Gefühl aber keinem eindeutigen Grund zuordnen.
Tatsächlich kann es Jahre, ja sogar Jahrzehnte dauern, bis das Opfer dieses böse Spiel durchschaut, dessen Folgen von psychischen Erkrankungen wie Depression oder wahnhaften Zuständen bis hin zur Veränderung der gesamten Persönlichkeit reichen können. Ist die Trennung erst einmal unabwendbar, wird die Person, die es gewagt hat, den Narzissten zu verlassen, komplett entwertet. Die Einsicht, dass er es ist, der sich ändern müsste, um die Beziehung fortführen zu können, ist nicht vorhanden. Und damit noch nicht genug: "Nicht selten spielt der Narzisst einen extremen Rosenkrieg durch, versucht, den anderen zu vernichten." Auf persönlicher, sozialer oder aber auch auf finanzieller Ebene. "Von Psychoterror durch Anrufe über eine ganz wilde, strittige Scheidung bis hin zu Rufmord ist alles drin."
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So gelingt die Trennung
Wie also kann es gelingen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen? Der Experte plädiert für eindeutige Formulierungen. "Meist ist man zu nett, weil man den anderen nicht verletzen will. Man sagt zum Beispiel: Ich möchte, dass wir Freunde bleiben. Oder: Ich will nicht, dass du leidest." Mit derartigen Formulierungen komme man hier aber nicht weiter. Schon gar nicht, wenn es sich beim Partner um einen Narzissten handelt. Man dürfe nicht zimperlich sein und müsse die Entscheidung, sich trennen zu wollen, in klare Worte fassen. Um dem Gesagten Nachdruck zu verleihen, könne es helfen, ein Tabu, das der von der narzisstischen Persönlichkeitsstörung Betroffene aufgestellt hat, zu brechen oder dies zumindest anzudrohen. Zum Beispiel: "Wenn Du nicht gehst, erzähle ich Deiner Mutter, dass ...".
Mitunter könne man dem Trennungsgespräch auch eine Person beiziehen, die der Betroffene ganz besonders wenig mag. Kommt die Botschaft trotz aller Bemühungen beim Gegenüber nicht an, gelte es, härtere Geschütze aufzufahren. Man müsse ihm verständlich machen, dass man es ernst meine und notfalls auch dazu bereit sei, drastischere Maßnahmen zu setzen. "Am besten man sagt oder tut etwas, womit man ihn wirklich verletzt." Will man die Trennung tatsächlich durchziehen, sei Rücksichtnahme im Sinne von "Es darf nicht wehtun" fehl am Platz. Erwischt man einen wunden Punkt des Narzissten, schafft er es in seiner Verletzung schließlich auch, sich vom Partner zu lösen. "Besser ein bisschen zu grob sein als zu wenig deutlich." Denn mit Letzterem würde man den Prozess bloß unnötig in die Länge ziehen.
Steckbrief
Raphael Bonelli
Univ.-Doz. Dr. Dr. Raphael Bonelli ist als Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin sowie Facharzt für Neurologie mit Schwerpunkt u. a. auf Narzissmus und Perfektionismus. Er ist Verfasser zahlreicher Publikationen, leitet das "Institut für Religiosität in Psychiatrie & Psychotherapie" in Wien und ist Faculty Member des "Center for Spirituality, Theology and Health" an der Duke University. Hier geht es zu seiner Homepage.
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** Der Einfachheit sprechen wir hier vom Narzissten als Mann. Bei der von der narzisstischen Persönlichkeitsstörung betroffenen Person kann es sich aber genauso gut um die Frau handeln.