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Wer den ORF ruiniert, schadet allen Medien

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Medien & Menschen - Wer den ORF ruiniert, schadet allen Medien
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Den Geldhahn zuzudrehen, bevor eine Digitalnovelle seine Zukunft regelt, brüskiert nicht nur den ORF. Jedes Gesetz für ihn verändert den Konkurrenzmarkt. Der Journalismus ist ohnehin gefährdet. Er darf diese Medienpolitik nicht hinnehmen

Zwei grundsätzliche Schwächen lassen die dringend notwendige Diskussion über den ORF immer wieder zur Farce verkommen. Das sind einerseits intransparente Eigeninteressen aller Medien, die als Träger jeder Kritik am öffentlich-rechtlichen Marktführer dienen. Das sind andererseits starke strukturkonservative Kräfte im ORF, die überfällige Veränderungen bis zum Gehtnichtmehr bremsen. Dieser Abgleich von heimlichen Vorstößen zu Gebietsgewinn mit verhohlener Besitzstandswahrung überlagert intern wie extern die prinzipiell wichtigsten Fragestellungen: Wie müsste ein öffentlich-rechtliches Medium sein, wenn es heute gegründet würde? Wie weit ist der gewachsene Istzustand des ORF von diesem Soll-Ideal entfernt? Wie lässt sich die Kluft dazwischen verringern bis schließen?

Es wäre auf jeden Fall ein digitales Medium und hätte mit linearem Fernsehen und analogem Radio nicht mehr zu tun als vor 60 Jahren die guten alten Zeitungen mit den neuen elektronischen Medien. Genau auf dieser Basis war das Rundfunkvolksbegehren erfolgreich und entwickelte sich der ORF zu einer europäischen Vorzeige-Anstalt. Unterdessen verbreitete sich das Fernsehen ebenso rasant wie das Internet ab Mitte der 1990er-Jahre und Social Media eine Dekade danach. Wenn Österreich unter diesen vollkommen veränderten medialen Rahmenbedingungen weiterhin ein öffentlich-rechtliches Angebot braucht, dann unter den Bedingungen seines legendären einstigen Generalintendanten Gerd Bacher: Es muss in Nachbarschaft zu einem Staat mit zehnmal größerer Bevölkerungszahl und gleicher Sprache der wichtigste Identitätsstifter und größte Kulturträger des Landes sein.

Das ist noch der Fall, schwindet aber rasant, wenn die Diskussion intern weiterhin durch die Perspektive von ORF 2 und Ö3 oder auch ORF III und Ö1 bzw. "Bundesland heute" und dem Regionalradio dominiert wird. Diese Kanäle sind von gestern, aber immer noch enorm erfolgreich. Das erschwert ein dringend notwendiges Loslassen all jener, die durch sie groß geworden sind. Vom Generaldirektor bis zum Bildschirmstar. Lineares Fernsehen nähert sich so rasend der Todeszone wie Papierzeitungen. Seine existenzielle Bedrohung wird bloß weniger (selbst) thematisiert. Der ORF aber ist insgesamt weiterhin rund um TV und Radio konzipiert. Das zeigen allein schon ihre weitaus höheren Redakteurszahlen im neuen multimedialen Newsroom. Online spielt immer noch eine Nebenrolle.

Daran trägt der ORF nicht allein Schuld, sondern auch die Politik und Konkurrenz. Ihr Wechselspiel beschränkt die gebührengestützte öffentlich-rechtliche Bewegungsfreiheit im Digitalen. Das ist richtig so, um einen dualen Medienmarkt mit privaten Anbietern zu erhalten. Über das Wie wird aber viel zu wenig öffentlich gestritten. Die Aufteilung staatlicher Förderungskuchen scheint wichtiger als das Wappnen zu wahrer Wettbewerbsfähigkeit gegen die digitalen Kolonialisten aus den USA und China. Aus den Fehlern gegenüber der einstigen Grenzüberschreitung des deutschen Privatfernsehens wurde wenig gelernt. Das Ergebnis manifestiert sich in einem unflexiblen Rundfunk-Koloss, der nicht nur wegen dieses Namens aus der Zeit zu fallen droht. Ohne die Generation 60 plus wäre er bald Geschichte.

Genau diese mächtige Minderheit muss die Diskussion nun weg von eigenen Nutzungsgewohnheiten ins Digitale anschieben, wenn es ihr ernst ist mit dem Bekenntnis, ein starkes öffentlich-rechtliches Medium sei unverzichtbar für die Demokratie. Der ORF braucht eine neue Gründerzeit wie einst, als ORF 2, Ö3 und Ö1 entstanden. Das geschah nicht von ungefähr rund um das Rundfunkvolksbegehren. Dieses wiederum wurde nur durch die Zeitungen möglich. Und zwar gegen alle Parteipolitik. Sie will nie starke, unabhängige Medien, obwohl das in vielen Sonntagsreden behauptet wird. Kanzler Karl Nehammer und Ministerin Susanne Raab gefährden mit dumpf-dreister ORF-Einschüchterung letztlich den gesamten Medienmarkt. Nichts gegen Sparen, aber erst muss klar sein, woran. Den Geldhahn zuzudrehen, bevor es eine Digitalnovelle zur öffentlich-rechtlichen Zukunftsaufgabe gibt, brüskiert nicht nur den ORF. Jedes Gesetz für ihn verändert auch die Rahmenbedingungen der Konkurrenz. Gemeinsam ermöglichen sie den Journalismus, der die Politik kontrolliert. Wenn er gefährdet ist, muss er in Allianz mit seinen Konsumenten, den Bürgern, zum Gegenschlag ausholen. Es ist so weit.

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