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Das Stockholm-Syndrom

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Koranverbrennungen bringen Schweden in massive Schwierigkeiten, nicht zuletzt, weil extremistische Akteure im In- und Ausland die Situation bewusst anheizen. Die Krise zeigt, wie fragil die europäischen Gesellschaften geworden sind.

Der Mann steht vor dem Parlament, von Polizisten überwacht und von Schaulustigen beobachtet, und hält mit triumphierendem Grinsen einen brennenden Koran in die Höhe. Es ist nicht das erste Mal, dass in Schweden das heilige Buch des Islam brennt. Bereits im Frühling des Vorjahres hatte der dänische Rechtsextreme Rasmus Paludan mehrere Korane angezündet. Der Mann mit dem Grinsen, der das brennende Buch in der einen und eine Zigarette nachlässig in der anderen Hand hält, heißt Salwan Momika. Der 37-jährige Iraker war vor ein paar Jahren als Flüchtling nach Schweden gekommen. Davor soll er einer bewaffneten christlichen Gruppe innerhalb der schiitischen Imam-Ali-Brigaden angehört haben. Jetzt ist Momika Mitglied der rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD). Und er hat das Land, das ihn als Kriegsflüchtling aufgenommen hat, mit seinen Aktionen in eine unmögliche diplomatische und sicherheitspolitische Lage gebracht. Die Türkei blockiert den NATO-Beitritt Schwedens mit neuer Vehemenz. Mitte Juli wurde die schwedische Botschaft in Bagdad bei einer Demonstration in Brand gesetzt. Die Terrorangst im ganzen Land wächst. In Schweden wurden die Blasphemiegesetze 1970 abgeschafft. Wer seinen Protest rechtmäßig ankündigt, kann ihn kundtun, auch wenn er die Herabwürdigung religiöser Symbole beinhaltet. Die Polizei hat dagegen momentan keine Handhabe. Gut findet die Provokationen in Schweden kaum jemand. Aber: Soll man sich dem internationalen Druck beugen und rasch eine Gesetzesänderung anstreben? Oder verrät Schweden damit seine liberalen Grundsätze und wird erpressbar? Reicht es, formuliert ein Kommentator pointiert, eine Botschaft anzuzünden, um Einfluss auf schwedische Gesetzgebung zu nehmen?

Es braucht gemeinsame Anstrengungen, um die europäische Idee zu schützen

In Österreich ist es nicht erlaubt, "den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft" herabzuwürdigen oder zu verspotten, wie es im Strafgesetzbuch heißt. Koranverbrennungen sind also strafbar. Aber die schwedische Krise zeigt mehrere Grundsatzprobleme auf. Zum Beispiel, wie fragil die europäischen Gesellschaften geworden sind. Extremisten im In- und Ausland heizen die Stimmung in Schweden gezielt an und versuchen, Unruhe zu stiften. Ein SD-Politiker bezeichnete den islamischen Religionsgründer Mohammed jüngst als "Kriegsherren, Massenmörder, Sklavenhändler und Räuber". Nicht sehr hilfreich. Russische Akteure befeuern den Streit bewusst, vermutet die schwedische Regierung, um den NATO-Beitritt des Landes zu verhindern. Diese Destabilisierungsversuche, das Zusammenspiel verschiedener agents provocateurs, sind nicht neu, es folgt einem auch in Österreich bekannten Muster.

Der Fall Schweden zeigt, wir gefährdet die europäische Idee ist, und dass es gemeinsame Anstrengungen braucht, um sie zu schützen. Erstens durch ein klares Bekenntnis zu den Werten unserer liberalen, aufgeklärten Gesellschaft. Und durch ein gemeinsames Vorgehen gegen den Extremismus, egal in welcher Form er auftritt. Gegen Polarisierung und Spaltung, auch gegen die Versuchungen des Populismus, denen selbst viele Politiker der Mitte immer wieder erliegen. Es brennt, im wahrsten Sinne des Wortes. Derzeit nur in Stockholm. Aber das kann sich ändern.

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