Jeder, der Steuern zahlt, hat schon davon gehört – die kalte Progression. Jahrzehnte wurde sie als Schreckgespenst gehandelt. Manchmal hat es dazu geführt, dass man eine Gehaltserhöhung bekam und trotzdem weniger netto übrigblieb. Seit Jänner 2023 wurde sie zum Teil abgeschafft. Dadurch bleibt mehr Netto vom Brutto.
Was versteht man unter kalte Progression?
In Österreich zahlt man höhere Einkommenssteuer, wenn man mehr verdient – damit beginnt das Problem mit der kalten Progression. Wenn Löhne und Gehälter jedes Jahr steigen (meist in etwa der gleichen Höhe wie die Inflationsrate), bleiben die Stufen für die Einkommenssteuer doch gleich. Das führt dann dazu, dass man in eine höhere Einkommenssteuerklasse rutschen kann. Damit steigt dann die Höhe der Einkommenssteuer oft überproportional und das bedeutet, dass man zwar brutto mehr verdient als früher, netto aber weniger über bleibt. Um dies zu vermeiden, müssten die Tarifstufen und die Steuerabsetzbeträge der Inflation angepasst werden.
Beispiel:
Eine Angestellte verdiente im Jahr 24.000 Euro brutto. Sie fiel damit in den Einkommensteuer-Stufentarif 2 (19,77 Prozent). Also hat sie sind 4.745 Euro an Einkommensteuer bezahlt.
Im Jahr daruf hat sie eine Gehaltserhöhung erhalten und sich auf einen Jahresbruttolohn von 26.000 Euro gesteigert. Damit fiel sie jedoch in die nächste Einkommensteuer-Stufe - Stufe 3 (21,32 Prozent), was 5.542 Euro ergibt.
Die Angestellte hat also für eine Lohnerhöhung von 8,33 Prozent 16,8 Prozent mehr Steuer bezahlt. (Quelle: geldmarie.at)
Was bringt die kalte Progression?
Das Problem hat wie so viele zwei Seiten. Von der Seite des Staates betrachtet, bringt es deutlich höhere Einnahmen bei der Einkommenssteuer. Das dürfte auch der Grund sein, warum schon seit vielen Jahren über die Abschaffung der kalten Progression geredet, aber nichts getan wurde. Von der Seite des Steuerzahlers ist sie natürlich negativ. Es ist mehr als bitter, wenn man eine Gehaltserhöhung bekommt, aber unterm Strich trotzdem weniger übrigbleibt.
Warum gibt es sie?
Das Problem ist schon lange bekannt und natürlich muss man bei verschiedenen Einkommenssteuersätzen irgendwo die Grenzen setzen. Aber dann müsste man eben nicht nur die Gehälter, sondern auch die Tarifstufen anpassen – so man diesen Effekt verhindern will. So lange die Inflationsraten immer niedrig waren, hat man sich Zeit gelassen. Mit der derzeitigen hohen Inflation würde die kalte Progression aber überproportional viele Steuerzahler treffen.
Seit wann gibt es sie?
Im Prinzip seit sich der österreichische Staat entschieden hat, dass man mehr Steuer zahlt, wenn man mehr verdient – seit es also verschiedene Tarifstufen gibt. 1812 wurde in Österreich eine Erwerbssteuer eingeführt, die 1948 in eine Einkommenssteuer übergeführt wurde – und seit damals gilt das progressive System – also wer mehr verdient, zahlt mehr. Allerdings lag der Spitzensteuersatz damals bei 10 Prozent.
Höhe der Entlastung durch die Abschaffung der kalten Progression
Im Internet finden sich zahlreiche Möglichkeiten, die kalte Progression zu berechnen. Hier kann man sich selbst – zumindest annähernd – ausrechnen, wieviel man sich ab 2023 durch den Wegfall der kalten Progression erspart.
Als Beispiel: ein Angestellter mit einem Bruttomonatsgehalt von 2.000,- Euro ohne Alleinverdienerabsetzbetrag und ohne Familienbonus bekommt dann netto 1.553,04 Euro und erspart sich im Monat 26,42 Euro. Bei 3.000,- Euro sind es schon 46,39 Euro. Diese Werte sind nur Richtwerte und können sich durch persönliche Angaben weiter verändern.
Wann wird sie abgeschafft und warum?
Seit Jänner 2023 gehört die kalte Progression zum Teil der Vergangenheit an. Damit wurde nach Jahrzehnten endlich mehr Gerechtigkeit für Steuerzahler hergestellt und diese doch deutlich entlastet. Natürlich entgehen dem Staat dadurch Einnahmen, doch gerade in der derzeitigen Situation mit den enormen Belastungen der Menschen durch Corona- und Klimakrise sowie den Ukraine Krieg und die daraus resultierenden stark gestiegenen Energiepreise machen diesen Schritt enorm wichtig. Auch für mehr soziale Gerechtigkeit.