Als einer der bekanntesten Journalisten des Landes ist Florian Klenk das Aushängeschild der Wochenzeitung Falter. Porträt über einen unbequemen Journalisten, sein Falter-Universum und seine Twitter-Gewohnheiten.
Steckbrief Florian Klenk
Name: Florian Klenk
Geboren am: 23. Juni 1973 in Wien
Wohnt in: Eichgraben (NÖ) und Wien
Ausbildung: Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien, Promotion im Jahr 2000 zum Thema "Pressefreiheit und Unschuldsvermutung"
Beruf: Journalist, seit 2012 Chefredakteur der Wochenzeitung Falter
Auszeichnungen (Auswahl): Kurt-Vorhofer Preis, Claus-Gatterer-Preis, Concordia-Preis für Menschenrechte, Österreichischer Journalist des Jahres (2005, 2016, 2021) und Investigativjournalist des Jahres (2007, 2008, 2009, 2010, 2016)
Als die türkis-blaue Regierung politisch wie moralisch implodiert, sitzt Florian Klenk mit Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) in der Galerie Eichgraben auf der Bühne. Thema des Abends: Anstand. Es ist Freitag, 17. Mai 2019, kurz vor 18 Uhr. Und Klenk weiß, dass in seiner Redaktion jemand bereits den Finger am roten Knopf hat. "Als ich das Video das erste Mal gesehen habe, war mir klar, dass das die Regierung zerreißen wird".
Florian Klenk ist seit 2012 Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung Falter und einer der bekanntesten, der renommiertesten und in manchen Ecken umstrittensten Journalisten des Landes. Die Veröffentlichung des "Ibiza-Videos" ist gewiss eine der spektakulärsten, wenn auch eine von vielen Episoden aus Klenks journalistischen Leben. Dazu reihen sich Enthüllungen über Wiener Frauenhändler und über den Tod des Schubhäftlings Marcus Omofuma oder darüber, dass die Stiftung des langjährigen niederösterreichischen Landeshauptmanns Josef Pröll mutmaßlich nicht so gemeinnützig war wie behauptet.
Vom Charme eines Telefonbuchs
Seine ersten journalistischen Gehversuche machte Klenk als freier Mitarbeiter beim Kurier, 1997 schrieb er erstmals für den Falter. Ab 2005 arbeitet er in Hamburg, im Politik-Ressort der ZEIT. Nicht die schlechteste Adresse, dennoch kehrt Klenk nach knapp zwei Jahren nach Wien und zum Falter zurück.
Klenks Heimkehr ist dem Wiener Wochenblatt auch äußerlich anzumerken. Ziel war es, Inhalt und Erscheinungsbild des Falters zu modernisieren, sagt er heute über seine Rückkehr aus Hamburg nach Wien. Das zeigt ein Blick ins Archiv der Falter-Redaktion: Während Layout und Design Anfang der 2000er-Jahre eher einem Telefonbuch ähneln – viel kleingedruckter Text, kaum graphische Elemente – bekommt die Zeitung in den Folgejahren sukzessive Farbe, Bildelemente, Grafiken, man möchte sagen: Charme.
Der ehemalige Diskutiersalon Twitter
Bekannt ist Klenk auch – manche behaupten: vor allem – wegen seines Twitter-Accounts bzw. wegen seiner gefühlten digitalen Omnipräsenz. 343.000 Follower:innen hat er auf der Plattform, die mittlerweile X heißt, so viel wie kaum ein anderer User in Österreich. Für seine mitunter streitbaren Tweets bekommt er regelmäßig sein Fett weg, meist von konservativer oder rechter Seite, gerne auch von vermeintlich Gleichgesinnten. Sich selbst begreife er dennoch als "links" - "trotz der Linken", wie Klenk im Juli 2023 in einem Interview mit der Presse beteuert.
"Twitter kann ein gutes Korrektiv sein, wenn man wirklich Blödsinn geschrieben hat", sagt Klenk im Gespräch mit News.at. Er schätzt die Plattform als niederschwelliges Debattenforum, mit dem zunehmend aggressiveren Umgangston fremdelt er. "Twitter hat sich von einem verrauchten Diskutier-Salon in ein Raucherkammerl am Flughafen entwickelt, wo sich alle nur noch anschreien". Digitale Hasswellen, von denen in der Vergangenheit Dutzende über ihn hereinbrachen, seien ihm mittlerweile "wurscht". Nach 13 Jahren Twitter scheint die Haut dick zu sein.
Wie viel er Zeit tatsächlich auf X verbringt? Klenk zückt sein Handy, heute: eine Minute. Letzte Woche: im Schnitt 28 Minuten. In der knappen Stunde, die der Autor dieses Textes im Anschluss an das Gespräch benötigte, um von der Falter-Redaktion zu seiner Wohnungstür zu fahren, setzt Klenk vier Tweets ab.
Florian Klenk und das Falter-Universum
Trotz seiner Twitter-Prominenz betont der Falter-Chefredakteur, dass das Blatt keine "One-Man-Show" sei. Minuten kann er damit verbringen, die Qualitäten sämtlicher Falter-Redakteur:innen zu erläutern, die Stärken sämtlicher Ressort-Leiter:innen, die Diversität in der Redaktion, welche Bereicherung jede:r Einzelne für die Zeitung sei. Er liebe seinen Job, aber werde nicht als Falter-Chefredakteur ins Grab gehen – auch danach werde die Stadtzeitung weiterleben, darum mache er sich keine Sorgen.
Leicht wird ihm und seinem Team das Überleben nicht gemacht. Investigative Recherchen und fundierte Berichterstattung kosten Zeit und Geld. Während der Boulevard von der Regierung mit Millionen gefüttert wird, bekommt der Falter – wie andere Qualitätsmedien im Land – kaum öffentliche Förderungen.
Um profitabel wirtschaften zu können, bietet der Falter – anders als die Konkurrenz – ihre Inhalte fast ausschließlich gegen Bezahlung an, auch online. Klenk ist überzeugt: Die Gratis-Kultur vieler Onlinemedien kann nicht nachhaltig sein.
Zusätzlich haben Klenk und sein Team um das Kernprodukt Wochenzeitung ein eigenes Falter-Universum gebaut. Zu den Falter-Satelliten zählen u.a. diverse Podcasts, Newsletter, Beilagen und ein Buchshop, die das Kernprodukt querfinanzieren bzw. bekannter machen sollen. "Community-Management" sei das A und O, betont Klenk. Neben den 288.000 Falter-Leser:innen bringe es die Wochenzeitung mit Newslettern oder Podcasts täglich auf mehrere hunderttausend Kundenkontakte.
Nach der Altersstarre: Podcast?
Der Kontakt mit der Falter-Leser:innenschaft nimmt einen beträchtlichen Teil von Klenks Wochenarbeitszeit ein. Mehrere Abende pro Woche steht er auf Bühnen oder tritt bei Veranstaltungen auf, Klenk schreibt Bücher, unterrichtet, produziert Podcasts und Filme, und twittert. Neben seiner eigentlichen Arbeit als Chefredakteur begreift er sich als eine Art Markenbotschafter. Insgesamt habe er eine "gute Work-Life-Balance", bekräftigt Klenk. Auch wenn Arbeitstage mal 14 Stunden lang sein können.
Klenk schreibt, mit kurzen Unterbrechungen, seit über 25 Jahren für den Falter, seit 2012 ist er Chefredakteur der Zeitung. Die deutsche Wochenzeitung Der Freitagzitierte einst einen engen Mitarbeiter Klenks mit den Worten, dass "der Falter ohne den Klenk nicht der Falter wäre, und der Klenk ohne den Falter nicht der Klenk". Kann er sich vorstellen, jemals abseits des Falters zu arbeiten? Um eine Antwort drückt sich Klenk herum. Nur so viel: Er hege eine Faszination für Podcasts. Sollte ihn seine Redaktion einmal für "zu alt und zu starr" befinden und ein interessantes Medium gerade eine Podcast-Unit aufbauen ... dann. Aber auch nur dann, vielleicht.
Fest steht: Bis die Alterstarre eintritt, wird Klenk wohl noch die ein oder andere Enthüllung hervorzaubern. Fraglich bleibt, ob diese jemals wieder das humoristische Niveau jenes Videos erreichen werden, das zwei FPÖ-Politiker zeigt, die davon schwadronieren, die halbe Republik an eine vermeintliche Oligarchennichte zu verramschen.
"Meine Damen und Herren, Sie dürfen nun kurz ihr Handy zücken", begrüßte Klenk am 17. Mai 2019 die Besucher:innen der Anstands-Lesung mit Reinhold Mitterlehner. "Tippen sie ein: falter.at/strache". Klenk schmunzelt: "Diesen Moment werde ich nicht vergessen".