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"Man wollte ihr Bild zerstören"

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Daniel Biasini

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Daniel Biasini begleitete Romy Schneider acht Jahre ihres Lebens. Erst als Privatsekretär, dann als Ehemann und Vater ihrer Tochter Sarah. Im exklusiven Interview mit News spricht Biasini über die wirklichen Freuden und Leiden seiner Frau und erzählt, was tatsächlich in Quiberon geschah

Monsieur Biasini, der Film "3 Tage in Quiberon" zeigt Romy Schneider als labile Frau, die ihre Sucht nach Alkohol und Medikamenten auch vor Journalisten nicht verbirgt. Wissen Sie, was wirklich in Quiberon geschah?
Ich war mit Romys Sohn David (geboren 1966 aus der Ehe mit dem deutschen Schauspieler und Regisseur Harry Meyen) in Los Angeles. Er hat mit mir dort seine Osterferien verbracht. Romy und ich haben jeden Tag telefoniert. Und sie hat mir gesagt, dass sie sich wie in einer Falle fühlt, weil sie diesen Journalisten das Interview zugesagt hat.

Der Film zeigt, wie Romy Schneider dieses Interview mit den Worten "Ich werde weiterleben, und das sehr gut" freigegeben hat.
Das stimmt nicht. Das hat sie auf irgendeinen Zettel geschrieben. Michael Jürgs wollte nur eine Frau in ihrem Leid vorführen, aber er hat nie nach dem Grund ihres Leidens gefragt. Ich kann es Ihnen sagen: Bevor Romy nach Quiberon fuhr, unterzog sie sich einer Gesundenuntersuchung. Die Ergebnisse waren katastrophal. Aber das wussten damals nur drei Menschen: Romy, der Arzt und ich. Wir beschlossen, nicht darüber zu sprechen.

Woran war sie erkrankt?
Eine Niere funktionierte nicht mehr. Der Arzt hatte ihr gesagt, das könnte sehr gefährlich werden. Wir waren total im Ungewissen.

Wurde die Niere entfernt?
Ja, aber Romy war psychisch sehr stark, denn es ist nicht einfach, nur mit einer Niere zu leben. Und dann hatte sie auch diese Narbe, fast 30 Zentimeter lang. Und das Finanzamt stellte auch noch Forderungen. Das war für sie alles sehr beunruhigend.

Im Film versucht Hilde, eine Freundin aus Kindertagen, Romy zu unterstützen. Kennen Sie diese Frau?
Die gibt es gar nicht. Das ist einfach eine Erfindung des Drehbuchs.

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 © News/Ricardo Herrgott

War Romy Schneider in Quiberon also gar nicht auf Entzug, wie der Film zu verstehen gibt?
Es stimmt, dass sie Medikamente genommen hat, aber die musste sie wegen ihrer Niere nehmen. Da war es einfach, daraus eine Drogensüchtige zu machen. Aber weder der Film noch das "Stern"-Interview geben den Schlüssel zur Wahrheit. Ich aber kann sie Ihnen sagen. Romy ist jedes Jahr nach Quiberon gefahren, um sich in Form zu bringen. Das ist uns zur Tradition geworden. Ich holte sie ab, dann fuhren wir an die Loire und besichtigten die Schlösser dort.

Auch 1981?
Das war für uns ein sehr kompliziertes Jahr. Wir wussten nicht, wie es mit uns weitergehen soll, ob wir zusammenbleiben sollen oder nicht. Romy hat auch an David gedacht. Er wollte seinen Familiennamen sogar in Biasini ändern. Denn er hatte zuvor nie ein richtiges Familienleben gekannt. Jeden Abend haben wir diese Probleme diskutiert. Das war alles sehr schwierig. Aber Jürgs hat nicht nachgefragt, wie und warum es ihr so geht. Er hat gar nicht versucht, sie zu verstehen. Er hat nur die üblichen Klischee-Fragen gestellt. Das war absoluter Blödsinn. Auch was Jürgs später in einem Buch über Romy geschrieben hat, ist nicht mehr als geistige Selbstbefriedigung.

Der Film zeigt nur eine labile Frau. Das ist beschämend

In einer Filmszene weigert sich Romy Schneider, mit ihrem Sohn zu telefonieren, weil sie so betrunken ist, dass sie nicht mehr klar sprechen kann. Kam das wirklich vor?
Niemals. Sie hat immer mit David telefoniert. Und das ist die Wahrheit. Aber dieser Film ist beschämend. Da wird eine labile Frau gezeigt.

Stimmt es auch nicht, dass sie vor ihrem Image, das ihr von den "Sissi"-Filmen geblieben ist, nach Frankreich entkommen wollte?
Überhaupt nicht. Das hat mich Karlheinz Böhm (Darsteller des Franz Joseph in den "Sissi"-Filmen, Anm.) bei einer Fernsehdiskussion auch gefragt. Romy wollte nach 30 Jahren nicht mehr nur auf diese Rolle festgelegt werden. Das ist alles. Sie hat mit den tollsten Regisseuren gedreht, etwa Luchino Visconti. Und in Paris, in Frankreich hatte sie ihre Freiheit, ihr Glück gefunden. Dort konnte diese Frau sie selbst sein, vollkommen losgelöst und entspannt.

Sie waren ein Student von 22 Jahren, als Sie Ihren Job als persönlicher Assistent von Romy Schneider angetreten haben. Wie kam es dazu?
Bevor ich für Romy gearbeitet habe, war ich schon länger bei der Lira Film, einer Filmproduktionsfirma. Ich war daran gewöhnt, Schauspieler wie Alain Delon, Jean-Paul Belmondo und Claudia Cardinale zu treffen. Es mag Sie vielleicht überraschen, aber ich war nie ein Fan von Schauspielern. Stars haben mich nie beeindruckt. Es gehörte dazu, dass man nach dem Dreh gemeinsam etwas trinken geht. Und so war auch das Treffen mit Romy nichts anderes als ein Job, an den ich gewöhnt war.

Was war Ihr erster Eindruck von Romy Schneider?
Als sie mir zum ersten Mal die Tür geöffnet hat, trug sie einen Kaftan, sie war nicht geschminkt. Und sie machte auf mich den Eindruck, dass sie sehr glücklich war, weil sie in Paris angekommen ist.

Worin bestand Ihr Job für Frau Schneider?
Das tägliche Leben organisieren. Ich habe für sie eine große Wohnung gesucht und in der Rue Bonaparte im sechsten Bezirk gefunden. Das ist in der Nähe von Saint-Germain. Und wenn Romy nicht da war, bin ich bei David geblieben. Denn das Kindermädchen war eine Deutsch-Schweizerin und konnte kein Französisch. Aber wenn Romy zu Hause war, blieb ich nicht in der Wohnung.

Stimmt es, dass Sie ein sehr gutes Verhältnis zu Romy Schneiders Sohn hatten?
Er war vier, als er mit seiner Mutter nach Frankreich kam. Sie hatte gerade "César und Rosalie" abgedreht und musste nach Italien, um mit Visconti "Ludwig" zu drehen. Da bin ich bei David geblieben, habe ihn jeden Tag von der Schule abgeholt, mit ihm gegessen, Fußball gespielt. Das verbindet.

Und wann haben Sie und Romy Schneider Ihre Liebe zueinander entdeckt?
Ich war bereits eineinhalb Jahre bei Romy im Dienst. Ich war nicht nur ihr Sekretär, sondern auch ihr Vertrauter. Und ich war auch über ihre Liebeleien auf dem Laufenden, mit Bruno Ganz und Jean-Louis Trintignant. Und da war ich schon erstaunt, dass auch zwischen uns etwas passiert ist. Was geschehen ist, ist geschehen. Aber das war in einer besonderen Situation. Es war im Sommer in Saint-Tropez. Wir waren auf einem Boot, es war sechs Uhr morgens. Und das alles war irgendwie komisch. Am Vorabend waren wir noch essen. Das war alles nicht vorgesehen.

Stimmt es, dass Sie nie daran dachten, Ihr Glück mit Romy könnte von Dauer sein?
Ich habe mit Romy nie Pläne gemacht. Ich habe nie darüber nachgedacht, was am nächsten Tag sein könnte. Und als ich meinen Job bei ihr begonnen hatte, wollte ich nur Geld verdienen, um wieder nach Amerika fahren zu können. Mit mir war Romy zum ersten Mal in ihrem Leben mit einem Mann konfrontiert, der nichts von ihr wollte. Aber eines Tages hat mir Romy gesagt: "Ich will ein Kind." Ich habe das nicht verlangt. Aber es ist ja nicht der Mann, der die Entscheidung trifft. Als sie dann schwanger wurde, wollte sie heiraten. Romy hatte zwei gleichwertige Leidenschaften: ihren Beruf und ein Familienleben. Aber dann ist etwas Unfassbares passiert: Nach einer Zahnbehandlung hat sie ihr Kind verloren.

Was haben Sie gemacht, den Zahnarzt verklagt?
Nein, das war alles zu traurig für uns. Aber Romy hat sich rasch erholt. Ich bin mit ihr nach Jamaika auf Urlaub gefahren. Und dann kam unsere Tochter Sarah.

Als Ehemann haben Sie kein Salär mehr bekommen. Konnten Sie von Ihren Reportagen, die Sie auch in Krisenländer geführt haben, leben?
In den Siebzigerjahren war ich im Libanon, in Beirut, in Paraguay und in Argentinien. Aber dann hat mich Romy vor die Wahl gestellt: Beruf oder Familie.

Hat Ihnen Ihre Frau tatsächlich ein Luxusleben finanziert und Ihnen Ferraris und Yachten gekauft?
Ich habe selbst gearbeitet und Drehbücher verfasst, auch für Claude Sautet. Ich hatte nie Zugriff auf Romys Konto. Und was Autos betrifft: Ich habe mir immer nur Autos im Angebot gekauft.

Waren Sie nie auf Ihre Frau eifersüchtig?
Sie war immer treu. Und wir waren füreinander da. Ein Beispiel: Unsere Tochter Sarah war eine Frühgeburt. Nach der Geburt war die Kleine nicht bei der Mutter, und da war ich sehr für sie da.

Und Romy Schneider, war sie eifersüchtig?
Sie hatte einen Hang zur Eifersucht, aber sie war nie besitzergreifend.

Sie sind elf Jahre jünger als Romy Schneider. Gab es deshalb nie Probleme?
Nicht zu Beginn unserer Ehe, aber später schon. Nach ihrem 40. Geburtstag fragte sie immer wieder: Was werden wir machen, wenn ich 60 bin, da bist du erst 49. Das wurde für sie zur Obsession.

In nahezu jeder Biografie wird behauptet, dass Romy Schneider ihr Leben lang durch die Trennung von Alain Delon traumatisiert war. Stimmt das gar nicht?
In Deutschland reduziert man ihre Geschichte auf die Trennung von Alain Delon und den Unfalltod ihres Sohnes. Man behauptet, diese Frau hätte kein Glück gekannt. Aber das ist total falsch. Mit Delon waren wir oft essen und haben uns gut amüsiert. Aber in ihrer ersten Ehe mit Harry Meyen hatte Romy nicht viel zu lachen. Er hat immer so getan, als sei er gescheiter als alle anderen, und hat Romy immer niedergemacht. Seiner Ansicht nach mussten Schauspieler im Theater Klassiker spielen. Erst in Paris hat sie sich frei gefühlt.

Hat Harry Meyen sie nicht mit der Droge Optalidon bekannt gemacht?
Er hatte oft Kopfschmerzen und hat Optalidon genommen. Das hat er ihr auch gegeben. Und sie dachte, es würde ihr guttun. Aber es war schlecht für sie.

Hat sie nach Davids Tod ihr Leid mit Medikamenten verdrängen wollen?
Nach Davids Tod hatte sie jede Entschuldigung. Wissen Sie, dass er in meinen Armen gestorben ist?(Romy Schneiders Sohn verunglückte tödlich im Garten von Biasinis Eltern, Anm.) Wir sind gemeinsam ins Krankenhaus gefahren. Ich habe ihn bis zum Operationssaal begleitet.

Endete das letzte Gespräch von Romy Schneider mit ihrem Sohn tatsächlich im Streit?
Ja, das stimmt. David wollte lieber bei seinen "Großeltern", also meinen Eltern leben als bei Romy. Sie hatte nach unserer Scheidung wieder einen neuen Partner. Das wollte David nicht. Aber er hat diesen Mann nicht kennengelernt.

Romy hatte nur zwei Leidenschaften: den Beruf und die Familie

Die deutsche Pionierin des Feminismus, Alice Schwarzer, hat geschrieben, dass sie und Romy die am meisten beschimpften Frauen Deutschlands sind. Wie erklären Sie sich das?
In Deutschland wollte man diese Frau beschmutzen. Man wollte ihr Bild zerstören. Man wollte aus ihr eine Drogensüchtige und eine Alkoholikerin machen. Das ist unglaublich und wird immer ein Rätsel für mich bleiben. Ich habe einmal etwas Seltsames erlebt: Ich war auf einem Flughafen in Deutschland und habe einen Artikel über Romy gelesen. Da kam eine Frau auf mich zu, entriss mir diese Zeitung und schlug sie mir auf den Kopf.

Warum das?
Das weiß ich nicht.

Romy Schneider war 43, als sie starb. War es Selbstmord?
Nein, der Kummer hat sie hinweggerafft. Ein Kind zu verlieren, ist ein endloser Schmerz, eine endlose Traurigkeit. Ich denke, es war das Herz, das einfach nicht mehr konnte.

Wie sollte man sich Romy Schneider also tatsächlich vorstellen?
Sie liebte die Leichtigkeit des Seins und die einfachen Dinge des Lebens. Sie hing sehr an ihrer Familie, den Kindern, an ihrem Ehemann. Wir hatten ein Ritual: Wir haben jeden Sonntag bei meinen Eltern verbracht. Sie hatte wirklich nur diese beiden Leidenschaften: den Beruf und die Familie. Sie hat ein ausgeglichenes Leben geführt, und das alles hat nur ein kleines Jahrzehnt gedauert. In Anbetracht dieses so kurzen Lebens muss das betont werden.

Die ganze Geschichte über Romy Schneider und den neuen Film lesen Sie im aktuellen News 14/2018.

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