An manchen geht eine Infektion mit dem Coronavirus scheinbar spurlos vorüber. Andere wiederum haben noch Wochen nach der Erkrankung mit deren Folgen zu kämpfen. Welche Spätfolgen sind möglich? Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass solche auftreten? Der Infektiologe Prof. Heinz Burgmann gibt Antwort.
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"Wirklich viel weiß man über mögliche Langzeitsymptome noch nicht", gibt der Experte der MedUni Wien zu bedenken. Schlicht und einfach deshalb, weil seit den ersten Infektionsfällen noch nicht allzu viel Zeit vergangen ist. Nichtsdestotrotz gibt es bereits erste Studien. Vor kurzem hat ein italienisches Forscherteam eine Untersuchung veröffentlicht, die sich diesem Thema widmet. Studienteilnehmer waren ausschließlich hospitalisierte Patienten. Rund 60 Tage nach der Diagnose wurden sie zu verschiedenen Symptomen befragt.
Die häufigsten Langzeitsymptome
Rund die Hälfte der Befragten klagte über Abgeschlagenheit, Müdigkeit und verminderte Leistungsfähigkeit. Mit Letzterer einher geht oft auch Atemnot. Rund 40 Prozent gaben an, schon bei geringer Anstrengung außer Atem zu geraten. Ungefähr ein Viertel der Befragten berichtete über Gelenkbeschwerden, etwas weniger als ein Drittel über Husten, rund 20 Prozent über Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns. Etwa fünf Prozent litten an Appetitlosigkeit. Darüber hinaus wurde von Schwindel und Myalgien, also Muskelschmerzen, berichtet.
"All diese Symptome sind nicht coronaspezifisch", betont Burgmann. Soll heißen: Auch andere Virusinfektionen können besagte Spätfolgen hervorrufen. So etwa eine Infektion mit einem Influenza- oder aber auch dem Epstein-Barr-Virus, auch bekannt als Pfeiffersches Drüsenfieber oder Kissing Disease. "Erkrankt man an einer Lungenentzündung, braucht es mehrere Wochen bis Monate, bis man sich wieder vollständig erholt hat", erklärt der Infektiologe. Egal, welches Virus der Erkrankung zugrunde liegt.
Lunge am stärksten betroffen
Womit wir auch gleich bei dem von Covid-19 am meisten in Mitleidenschaft gezogenen Organ wären: der Lunge. Dass eine Infektion mit dem Coronavirus die Lunge nachhaltig schädigen kann, ist weithin bekannt. Der Experte spricht von der sogenannten Fibrose, bei der es zur Verhärtung des betroffenen Gewebes und in weiterer Folge zur Einschränkung der Lungenfunktion kommt. Das beschädigte Gewebe kann sich nicht mehr regenerieren. Durch Training könne die Leistungsfähigkeit des Organs aber wieder gesteigert werden.
Bei einem schweren Krankheitsverlauf kann auch das Herz angegriffen werden. Eine Herzmuskelentzündung etwa als Folge einer Infektion - ob nun mit Corona- oder anderen Viren - kann, wenn sie nicht richtig ausgeheilt wird, schwerwiegende Folgen haben. "Dem Patienten geht es oft schon besser, die Entzündung ist aber noch da. Wenn das Herz dann zu früh belastet wird, zum Beispiel durch Sport, kann es zur Schädigung kommen. Das kann so massiv sein, dass nach einiger Zeit manchmal nur noch eine Transplantation hilft."
Schäden an Leber und Nieren
Ebenso geschädigt werden kann die Leber. "Vor allem bei schweren Infektionen können die Gallengänge betroffen sein", erklärt der Experte. Diese können sich über Jahre hinweg derart verengen, sodass die von der Leber produzierte Galle nicht mehr abfließen kann und ins Blut übertritt. Wobei zum jetzigen Zeitpunkt nur darüber gemutmaßt werden kann, ob sich Covid-19 auf diese Art und Weise auswirkt. Ebenso unklar ist bislang noch, in welcher Form die Nieren in Mitleidenschaft gezogen werden.
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"Zu einer Belastung der Nieren kommt es meist in der Akutphase", so Burgmann. Um sich ein Bild über mögliche Langzeitfolgen machen zu können, brauche es einen Beobachtungszeitraum von zwei Jahren, mindestens aber einem Jahr. Anders als bei der Lunge. Hier sehe man jetzt schon, dass es zumindest einige Monate dauert, bis sie sich wieder einigermaßen erholt hat. In schweren Fällen sei es sogar möglich, dass die Beeinträchtigung der Lungenfunktion ein Leben lang bestehen bleibt.
Virus kann auch Gehirn befallen
Da das Virus, wie man mittlerweile weiß, auch das Zentralnervensystem befallen kann, können auch neurologische Folgen auftreten. "Sieben, acht Prozent", so der Infektiologe, "klagen über längere Zeit über Kopfschmerzen." Diese wiederum können zu Konzentrationsstörungen führen. Die Störung des Geruchs- und Geschmackssinns wiederum entwickelt sich oft nur langsam zurück. Mitunter könne sie monatelang anhalten. Um hier eine verlässliche Aussage treffen zu können, ist die Studienlage aber noch zu dünn.
Grundsätzlich braucht der Körper bei einer viralen Infektion länger als bei einer bakteriellen, um sich wieder vollständig zu erholen. Abgesehen davon ist natürlich der Schweregrad der Infektion ausschlaggebend. Bei Patienten, die schwer erkrankt sind, vielleicht sogar intensivmedizinisch behandelt, intubiert und beatmet werden mussten, ist das Risiko größer, dass es zu bleibenden Schäden an den Organen kommt. "Das ist extrem belastend für den menschlichen Körper. Die Lebensqualität ist dann meist für längere Zeit eingeschränkt", so Burgmann.
Geben Sie sich Zeit!
Wie schwer man erkrankt, hängt wiederum von der körperlichen Verfassung des Patienten zum Zeitpunkt der Erkrankung ab. Dagegen scheint das Gefühl von Abgeschlagenheit, einhergehend mit einem Leistungsknick, möglicherweise auch Appetitlosigkeit, nicht direkt mit der physischen Konstitution zusammenzuhängen. Auch Menschen ohne jegliche Vorerkrankungen klagen nach einer Coronainfektion über besagte Symptome. "Es dauert eine Zeitlang, bis die Leistungskurve wieder ansteigt."
Bei älteren Patienten besteht im Falle einer schweren Infektion - unabhängig davon, welches Virus der Auslöser ist - die Gefahr, dass sie sich gar nicht mehr vollständig erholen. "Ein älterer Mensch, der sich zuvor mehr oder minder selbst versorgen konnte, wird dann plötzlich zum Pflegefall." Unabhängig vom Alter rät der Experte, nach einer überstandenen Infektion "nicht gleich wieder Vollgas" zu geben. Spüren Sie in sich hinein. Was tut Ihnen gut? Womit überfordern Sie sich? Verlieren Sie nicht die Geduld und geben Sie Ihrem Körper die Zeit, der er braucht, um sich zu erholen.