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Kunst gegen Kaiser

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Auslfugstipps - Kunst gegen Kaiser

©Maximilian Mann / laif / picturedesk.com
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In vier Monaten ist Bad Ischl europäische Kulturhauptstadt. Noch setzt die Stadt allerdings ganz auf den Kaiser. Über Inhalte der Kunst- und Kulturprojekte ist unterdessen bisher wenig bekannt, ein Verkehrskonzept fehlt nach wie vor.

Der 18. August ist Jahr für Jahr ein ganz besonderer Tag in Bad Ischl. Es ist der Geburtstag von Kaiser Franz Joseph - und der wird in der Stadt immer besonders ausgiebig gefeiert. Tausende Menschen, teils in Uniformen aus der Monarchie, sind dann in den schmucken Gassen unterwegs. Höhepunkt ist die Ankunft des "Kaisers" im historischen Zug. Sein Empfang ist pompös: Der rote Teppich wird ausgerollt, die Kutsche steht bereit. Damit geht es weiter vom Bahnhof zum Kaiserfest in den Kurpark.

Das Tourismuskonzept Bad Ischls ist der Kaiser, die ganze Stadt die Kulisse dafür. Ein Besuch der Kaiservilla, in der heute Markus Habsburg, ein Urenkel Franz Josephs, mit seiner Familie wohnt, ist Fixpunkt der Gäste. Der Kaiserzug, ein Gold lackierter Bummelzug, kutschiert Touristen von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit, durch das Stadtzentrum wird ein geführter Kaiserbummel angeboten.

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Die Kaiservilla ist ein Fixpunkt der Besucherinnen und Besucher Bad Ischls

© IMAGO/Pond5 Images

Das funktioniert eigentlich ganz gut. Rund 370.000 Nächtigungen wurden im vergangenen Jahr in der 14.000-Einwohner Stadt gezählt. Dazu kommen Zehntausende Tagesgäste.

Linz, Graz, Bad Ischl

In vier Monaten ist Bad Ischl gemeinsam mit 23 weiteren Gemeinden der Region allerdings europäische Kulturhauptstadt. Ein Titel, der zusätzlich Tausende internationale Gäste ins Salzkammergut locken wird. Besucher, die nicht nur die verstaubt-nostalgische Seite der Stadt erleben wollen, sondern moderne, zukunftsorientierte Projekte erwarten.

Es ist das dritte Mal, dass Österreich mit einer europäischen Kulturhauptstadt an der Reihe ist. Und eigentlich schien es - zumindest nach österreichischer Denkweise - so gut wie fix, dass nach Linz im Jahr 2003 und Graz (2009) 2024 Niederösterreich zum Zug kommen wird.

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In St. Pölten wurde daher bereits 2017 ein Team für die Bewerbung zusammengestellt und ein Kulturhauptstadtbüro für die Erarbeitung der Projekte eingerichtet. Geplant wurden unter anderem ein "KinderKunstLabor" sowie die Sanierung der ehemaligen Synagoge. Stadt und Land zogen an einem Strang und stellten hohe Fördermittel in Aussicht.

Streit und Verzögerungen

In Bad Ischl tat sich unterdessen eine kleine Gruppe - teils bewundert, noch häufiger belächelt - zusammen, die es einfach versuchte. Gmunden, die zweite größere Stadt im Salzkammergut, schloss sich der Bewerbung zunächst gar nicht erst an. Zu gering schienen die Chancen auf Erfolg.

Umso größer war die Überraschung aller Beteiligten als die europäische Jury Bad Ischl den Zuschlag erteilte. Das war 2019.

Dann begannen die Streitereien in der idyllischen Alpenstadt. Schon wenige Monate später wurde die künstlerische Leitung ausgetauscht. Abstimmungspannen im Stadtrat verzögerten den Kauf des Lehár-Theaters, das saniert werden müsste. Und ein geplantes Hotelprojekt mit den dringend benötigten Betten zieht sich ebenfalls hin, sodass nicht gänzlich klar ist, wo die zusätzlichen Touristen im kommenden Jahr eigentlich unterkommen sollen.

Fehlendes Verkehrskonzept

Ein weiteres ungelöstes Problem ist das zu erwartende erhöhte Verkehrsaufkommen. Bereits jetzt ist die B145, die Verbindung zwischen Gmunden und Bad Ischl, an schönen Wochenenden heillos überlastet. Ungeklärt ist ebenso, wo genau die mit dem Auto anreisenden Besucherinnen und Besucher parken sollen.

Eine öffentliche Anbindung von Attnang-Puchheim ans Salzkammergut ist zwar vorhanden. Doch auch hier sind die Kapazitäten begrenzt und die Züge zu den Stoßzeiten bis auf den letzten Platz gefüllt.

Ein Verkehrskonzept wird dringend benötigt, doch bisher ist keines bekannt. Auch eine schriftliche Anfrage beim Salzkammergut Tourismus dazu blieb genauso unbeantwortet wie die Frage, wie viele Besucherinnen und Besucher eigentlich im kommenden Jahr erwartet werden und wie viele Hotelbetten in der Region zur Verfügung stehen.

Dass es noch sehr viel zu tun gibt, machte zudem eine Pressekonferenz im April dieses Jahres in Wien deutlich, an der die Geschäftsführer der Tourismusverbände Oberösterreich, der Steiermark, Salzburgs und des Salzkammerguts teilnahmen. Vier Männer, eine freudig verkündete Neuigkeit, die eigentlich selbstverständlich sein sollte: Ab sofort werde man im Rahmen der Kulturhauptstadt zusammenarbeiten. Konzepte und Inhalte des Kulturhauptstadtjahres wurden hingegen eigentlich gar nicht präsentiert.

So ist es wenig verwunderlich, dass im August, nur vier Monate vor der großen Eröffnungsfeier, in Bad Ischl noch alles beim Alten ist: Schon bei der Einfahrt in die Stadt weist ein großes Schild auf die "Kaisertage" hin und der goldene Kaiserzug sammelt die Touristen ein. Von einem bevorstehenden kulturellen Aufbruch ist nichts zu bemerken. Zumindest fast nichts.

Der rebellische Koch

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Der rebellische Koch

Kritik an Bad Ischls Tourismusstrategie kommt von Christoph "Krauli" Held, der als Koch auf dem Siriuskogl eine Institution im Salzkammergut ist. Im Rahmen der Kulturhauptstadt betreut er das "Wirtshauslabor", bei dem 18 Jugendliche ein Gasthaus konzipieren und im kommenden Jahr betreiben

© Monika Loeff

Einen einzigartigen Ausblick auf Bad Ischl bietet der Siriuskogl. Rund 20 Minuten dauert der Aufstieg vom Zentrum zum Restaurant, in dem Christoph Held kocht. Held, von allen "Krauli" genannt, ist in Bad Goisern unweit Bad Ischl aufgewachsen. Er liebt seine Heimat und "könnte es sich nicht vorstellen, woanders zu wohnen". Gleichzeitig ist er ein unkonventioneller Typ mit Dreadlocks, der sich kein Blatt vor den Mund nimmt und genau weiß, was er will beziehungsweise nicht will.

Bereits beim Zugang zum Gasthaus, stellt ein Schild unmissverständlich klar: "Monarchie war gestern. Der Kogl hat jetzt Kaiser frei!"

Wir haben in Tourismus einen Kaisermassentourismus. Das ist ganz einseitiger Tourismus

"Ich reagiere allergisch auf den Kaiser", sagt Held, dessen Küche am Siriuskogl mit einer Haube ausgezeichnet wurde: "Alles, was in Ischl passiert, hat mit dem Kaiser zu tun. Wir haben hier einen ganz einseitigen Tourismus, einen Kaisermassentourismus." Zudem werde die Vergangenheit verklärt, kritisiert er: "Der Kaiser hat in Ischl das Kriegsdekret unterschrieben, das war der Beginn des 1. Weltkriegs und trotzdem feiern wir groß seinen Geburtstag."

Held hat heuer daher erstmals kurzerhand beschlossen, das Restaurant im Rahmen eines Betriebsurlaubs rund um den Kaisergeburtstag zu schließen.

Das Wirtshauslabor

Der passionierte Koch, der seine Gerichte "durch die ganze Welt schickt und sie beim Anrichten wieder ins Salzkammergut holt", ist zusätzlich für eines der Projekte der Kulturhauptstadt verantwortlich. Er betreut das "Wirtshauslabor". Die Verantwortlichen fragten Held dafür an. Er sagte zu, da es vor allem ein Projekt ist, von dem junge Menschen profitieren. Und das ist Held wichtig.

Gemeinsam mit 18 16-Jährigen aus der Bad Ischler Tourismusschule entwickelt er ein Wirtshaus. "Die Jugendlichen definieren im Alleingang das Konzept dafür und betreiben es während der Zeit der Kulturhauptstadt selbstständig", erklärt Held.

Eine Räumlichkeit wurde mit dem leerstehenden Bahnhofsrestaurant bereits gefunden. "Das neue Wirtshaus der Jugendlichen wird die Empfangshalle der Kulturhauptstadt", so Held. Das Innere sollen Graffiti-Künstler gestalten, Upcycling-Möbel das Interior bilden.

Von der Kulturhauptstadt erhofft er sich, dass "etwas hängen bleibt": "Ein kultureller Austausch und neue Perspektiven für die nächste Generation."

Von Bethlehem nach Bad Goisern

Eine Veränderung und mehr Offenheit der Menschen der Region als Folge der Kulturhauptstadt wünscht sich auch Bashir Qonqar, der 2018 von Bethlehem nach Bad Goisern migrierte. Er maturierte an einer deutschen Schule in Bethlehem und studierte in Deutschland Sozialpädagogik und -management. Er spricht fließend Deutsch und ist mit einer Bad Goiserin, die er in Bethlehem kennenlernte, verheiratet. Er war in der mobilen Betreuung tätig, ist bildender Künstler und in der Kulturszene der Region aktiv. Und obwohl er das Glück hat, mit einer Österreicherin verheiratet und in der Region akzeptiert zu sein, weiß er, wie schwierig es für "Zuagroaste" ist, also für jene Menschen, die ins Salzkammergut ziehen und keine Bekannten und Freunde hier haben.

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An einem Film über Flucht als Projekt für die Kulturhauptstadt arbeiten Bashir Qonqar (li.), der selbst von Betlehem nach Bad Goisern kam, und Maximilian Rosenberger

© Michael Körner

Eine Erfahrung, die auch Maximilian Rosenberger in Bad Goisern machte: "Kinder, die in der Schule nicht den örtlichen Dialekt sprechen, werden ausgegrenzt."

Ein Film über Flucht

Qonqar und Rosenberger arbeiten gemeinsam an einem Filmprojekt, das im Rahmen der Kulturhauptstadt präsentiert wird. Es wird ein Film, "der den Menschen einen Spiegel vorhalten soll", so Rosenberger: "Es geht um die persönliche Perspektive eines Flüchtlings in Österreich, der schon lange auf den Asylbescheid wartet." Der Film enthält "harte Monologe, genauso wie humorvolle Szenen" und er soll das Publikum auf die Alltagsprobleme aufmerksam machen. Im kommenden Jahr sehen die beiden Filmemacher eine große Chance für das Salzkammergut. "Es wird sehr viele coole Projekte geben", sagt Qonqar, der sich wünscht, dass die "Einheimischen die Probleme der zugezogenen Menschen mehr wahrnehmen werden."

Auch Rosenberger ist positiv gestimmt: "Aktuell passiert viel Reibung in der Region. Doch Reibung bedeutet auch Veränderung."

Am 19. Jänner 2024 findet die offizielle Eröffnung der Kulturhauptstadt statt. Und die Zeit drängt, um die Kaiserstadt in die Gegenwart zu holen.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 36/2023.

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