Mit "Streif: One Hell of a Ride" haben Sie der Rennstrecke auf dem Hahnenkamm vor zehn Jahren ein filmisches Denkmal gesetzt. Was bedeutet Ihnen der Meilenstein zum Jubiläum?
Lustig, dass Sie fragen, gestern Abend haben meine Kinder (Anm.: Taddhäus, 12, und Carl, 9) zufällig den Film geschaut, als ich heimgekommen bin. Ich habe ihn ewig nicht mehr gesehen. Ehrlicherweise gefällt er mir heute besser als damals. Vielleicht, weil man vergisst, was man hätte anders machen wollen. Am ersten Film "Mount St. Elias" haben wir so lange herumgedoktert, bis er so war, wie wir wollten. Bei "Streif" war das nicht möglich, weil so viele Leute involviert waren, es gab eine Deadline. Aufgefallen ist mir, dass ich bei den Sturzszenen nicht mehr hinsehen kann. Das war mir früher völlig egal. Heute finde ich die Szene furchtbar, in der man den Arm vom Bernhard Flaschberger nach seinem Sturz völlig verdreht sieht. Aber Stürze gehören zum Mythos Streif dazu, sie gar nicht zu zeigen, ergäbe ein unvollständiges Bild.
Im Film ging es um den Mythos vom "gefährlichsten Rennen der Welt", es blieb aber auch Raum für Zweifel angesichts des Risikos für die Rennläufer. Hat sich Ihre Wahrnehmung, was Gefahr und Risiko betrifft, geändert?
Definitiv. Dazu kommt, dass die Schmerzgrenze heute generell ganz woanders liegt. Vieles, das früher alltäglich war, ist heute nicht mehr denkbar. Denken Sie an die Stürze, bei denen Rennläufer früher mitten in den Zuschauern gelandet sind. Man war froh, dass nichts passiert ist -und fertig. Heute hätte man Klagen ohne Ende. Die Sicherheitsvorkehrungen sind glücklicherweise mit den neuen Verhältnissen gewachsen. Denn eines ist auch klar: Das Gerede, dass früher alles wilder und deshalb spannender war, ist Blödsinn, weil sich der Sport noch weiter ans Limit des beim Abfahrtslauf Machbaren entwickelt hat.
Gefühlt war es früher wilder, spannender, hört man oft.
Stimmt aber nicht. Das ist mir wie Schuppen von den Augen gefallen, als ich die Piste für den "Klammer"-Film nachgebaut habe. Am Patscherkofel haben wir die Strecke in allen kritischen Passagen fast originalgetreu nachgebaut. Ausnahme war ein Teilstück, auf dem sich jetzt ein Wald befindet. Den konnten wir nicht roden. Wir haben mit Werner Heel und Daron Rahlves die besten Doubles für die Rennszenen gehabt. Sie sind mit nachgebauten Skiern, moderne Carver in abgeschwächter Form, gefahren. Natürlich waren da B-Netze zur Sicherheit, die später wegretouchiert worden sind. Trotzdem habe ich den Fahrern nach ein paar Tagen, als sie übermütig geworden sind, gesagt: "Bitte geht's runter vom Gas!" Mit modernem Material sind die um Klassen schneller als damals. Wenn sie den Ochsenschlag voll fahren, kommen sie heute mit 170 km/h unten raus. Es ist mehr Speed im Spiel als früher. Brutal, was sich da getan hat!
Sie sind am Hahnenkamm aufgewachsen, haben dort Skifahren gelernt, waren Vorläufer beim Rennen und später Rennleiter. Hat sich die Faszination der Streif mit der Zeit verändert?
Um es vorweg zu nehmen: Ich glaube es ist eine Alterserscheinung. Früher habe ich gemeint, es gibt keine größeren Helden, als die Fahrer, die diesen Berg runterfahren. In Kitzbühel war nicht viel los, außer Tennis und Skifahren. Durch meine Beteiligung am Rennen hat es sich entzaubert. Als ich Rennleiter war, bin ich von meiner Position Hausberg- Querfahrt ins Ziel gefahren und habe nicht gewusst, wer gewonnen hat. Als Rennleiter waren meine Prioritäten andere: Du bist hauptsächlich froh, wenn alle heil im Ziel sind. In der Kindheit habe ich beim Rennen vor Aufregung mitgeschrien. Das ist mir heute unverständlich. Wenn du irgendwo so tief eintauchst, dass du alle Schwächen kennst, verliert sich der Zauber. Dann hatte ich ein fettes Zerwürfnis mit Michael Huber, dem Präsidenten vom Kitzbüheler Ski Club. Er hat mich rausgeekelt, seitdem bin ich nicht mehr im Vorstand vom Skiclub und nicht mehr Rennleiter.
Das ist lange her: Ihr Abschied als Rennleiter war 2018. War seitdem Zeit für eine Aussprache?
Nein, der Kas' ist gess'n, wie man so schön sagt. Da gibt es nichts zu kitten, weil es um Befindlichkeiten geht und nicht um Fakten. Ich habe Dinge gesagt, die dem Michael Huber nicht gefallen haben. Ich habe viele Ideen gehabt. Die meisten sind heute noch brauchbar und umsetzbar. Subtrahieren wir das Ego, ist mir das Hahnenkamm-Rennen seitdem nicht abgegangen. Es bedeutet auch eine Woche lang permanenten Schlafentzug. Wenn alles klappt, ist das selbstverständlich. Wenn etwas nicht klappt, bist du schuld.
Gab es ein bestimmtes Thema, an dem Sie und der Ski-Club-Präsident Michael Huber gescheitert sind?
Der Stein des Anstoßes war eine Auseinandersetzung um ein höchst kompetentes Vorstandsmitglied, das permanent ignoriert worden ist, und deshalb das Handtuch werfen wollte. Fazit ist, dass wir beide nicht mehr im Vorstand sind. Ich war zudem der Meinung, dass mehr für den Nachwuchs getan werden muss. Im Jahr des Eklats war der Kitzbüheler Ski-Club im Bezirkscup auf Platz vier, dabei war unser Budget um ein Vielfaches höher als das des erstplatzierten Ski-Clubs. Für mich gab es die Möglichkeit, entweder massiv etwas in der Nachwuchsarbeit zu ändern, oder das Budget zu kürzen. Wenn ich ein anderes Ergebnis möchte, kann ich nicht jahrzehntelang dasselbe tun. Uneins waren wir auch betreffend das neue Starthaus auf der Streif. Ich habe mich jahrelang dafür engagiert und die Idee eines Gebäudes gehabt, das auch die Funktionen der "Energy Station" von Red Bull hätte abdecken können. Die wird bekanntlich jedes Jahr mit Hubschraubern auf den Berg geflogen. Ein neues Gebäude nach meiner Vision hätte ein Museum beherbergt, ähnlich wie das Messner Mountain Museum von Zaha Hadid am Kronplatz. Kaum ein Ort hat mehr Skigeschichte auszustellen als Kitzbühel, ein perfektes Schlechtwetter-Programm für Skifans! Das Grundkonzept war, das Gebäude bis auf die zur Belichtung und Funktion nötigen Öffnungen zu vergraben, damit das Erscheinungsbild nicht zu wuchtig wird. Auch die wirtschaftlich interessante Möglichkeit für gesetzte Dinner und Events mit 250 Besuchern war mir wichtig, damit Geld verdient werden kann. Ich habe in solchen Dingen immer groß gedacht und nach vorne geschaut. Nur so viel: An der Finanzierung wäre es nicht gescheitert. Es bleiben seit Jahren Chancen liegen.
Betrachten Sie das Kapitel als abgeschlossen?
Der Stachel sitzt tief und mich ärgert, dass mich es ärgert. Zu solch einer Denkart sollte sich Kitzbühel hin entwickeln, dass das Endprodukt einer so großen Veranstaltung in die Zukunft gedacht und klar umrissen wird und nicht nur weiterläuft, wie die letzten Jahre auch schon. Dieses Rennen, mit seiner Dramaturgie, ist ein Geschenk und Kitzbühel ist zu recht stolz darauf -auch auf die großartigen und perfekt funktionierenden Strukturen in der Abwicklung.
Was wünschen Sie sich für Kitzbühel und den Skisport?
Ich würde mir ein Ende für die Austragung der doppelten Abfahrt wünschen. Das ist eine inflationäre Vorgangsweise. Wimbledon findet ja auch nicht zweimal im Jahr statt. Meine Wunsch-Vision umfasst viele Ideen, zum Beispiel ein zehntägiges Skifestival mit der Freeride World Tour in Fieberbrunn oder einem Skicross-Bewerb am Wochenende vor dem Hahnenkamm-Rennen, dazu gehört die Integration der Sportartikelindustrie mit einer Verkaufsausstellung und ein kultureller Teil wie ein Sportfilmfestival. Ich war auch für einen permanenten Trainingsbetrieb in Kitzbühel, eine Rennsport-Akademie für junge Skifahrer. Für eine florierende Zukunft brauchen wir die Jugend.
Haben Sie je überlegt, was Sie anders machen hätten können?
Ja klar. Ich habe zehn Jahre lang versucht, mich zu erklären und mit allen und jedem geredet. Für mich ist so vieles auf der Hand gelegen. Dass ich kein Diplomat bin, ist schon klar. Für mich zählt die beste Idee, egal, von wem sie kommt, da habe ich keine Befindlichkeiten.
Halten Sie es für möglich, dass beim Hahnenkamm- Rennen Klimaschutz-Aktivisten auftauchen wie kürzlich in Gurgl?
Es gibt im Winter in Österreich auch für Klimaaktivisten keine größere Bühne als Kitzbühel, so viel ist klar.
Wie sehen Sie die Klima-Debatte im Skisport? Sie polarisiert derart, dass Skistar Henrik Kristoffersen handgreiflich wurde.
Ich halte die Diskussion für sehr einseitig. Es ist selbstzerstörerisch, wenn Klima-Aktionen von Österreichern kommen, die dem Wintertourismus so viel verdanken. Wenn ich solche Aktivisten sehe, frage ich mich, ob die nie in der Welt herumgekommen sind. Ich bin viel gereist und verstehe nicht, warum die Aktivisten glauben, dass Skifahren in der Klimadebatte unser größtes Problem ist. Man muss auflisten, wo die größten Verursacher sind und dort ansetzen, wo es etwas bringt. Das Gros der Emissionen beim Urlaub kommt von der Anreise und da muss man ansetzen! Und: man kann nicht alles verbieten, das Spaß macht, auch wenn fast alles, was Spaß macht Emissionen verursacht!
Ist die Kritik am Skisport demnach übertrieben?
Wenn ich einen Weltcup veranstalte, muss ich damit leben, dass der Tross um die Welt fährt. Das ist im Skisport nicht anders, als im Fußball oder in der Formel 1 und in allen anderen Sportarten mit Weltmeisterschaften. Warum diskutieren wir ausgerechnet in Österreich so heftig über das Skifahren, wo doch das halbe Land im Winter davon lebt? Ich orte hier ein Sägen an dem Ast, auf dem man sitzt.
Der ÖSV hat als Antwort eine Klima-Task-Force eingerichtet. Gemeinsam mit Kritikern wie Felix Neureuther werden bis Juni Handlungsempfehlungen ausgearbeitet. Ist das der richtige Weg?
Natürlich kann man mit gutem Beispiel vorangehen. Ich finde generell gut, dass die Diskussion losgetreten wird, aber bitte mit tauglichen Mitteln. Bei den Klima-Aktivisten kommt mir oft vor, dass die Aktionen zum Selbstzweck geraten und wichtiger werden, als das Ziel. Oft wird auch zu kurz gedacht. So hat die FIS das Fluor-Wachs verboten, weil es in der Natur nicht abbaubar ist. Die Konsequenz aus dem Verbot ist aber, dass alle Skisäcke, alle Bürsten, alle Skier in den Müll müssen. Dazu die Skiträger und die Skiboxen. Was daran besser sein soll, erschließt sich mir nicht.
Wo findet man Sie am Hahnenkamm-Wochenende?
Wenn der Schnee schön ist, gehe ich eine Skitour. Es freut mich, wenn ein Österreicher gewinnt. Ein paar Rennläufer kenne ich persönlich und freue mich für sie, wenn sie ein gutes Ergebnis haben. Ich muss nicht mehr am Pistenrand mitfiebern. Aber für jeden begeisterten Skifahrer, der noch nie beim Hahnenkamm-Rennen war, ist es ein Pflichttermin! Es ist wie Wimbledon, olympische Spiele oder ein U2-Konzert: Wenn du das nicht einmal selbst erlebt hast, kannst du nicht mitreden. Das muss man in der Menge erlebt haben, weil dort die beste Stimmung ist, nicht auf der VIP-Tribüne.
Sehen Sie sich irgendwann wieder in einer entscheidenden Funktion im Ski-Club?
Nein, das ist abgeschlossen. Früher habe ich oft gesagt: Wenn du einmal 50 Jahre alt bist, musst du dich aus einem Sportverein schleichen. Demnach ist alles richtig gelaufen. Ein Sportclub soll in jungen Leuten die Begehrlichkeit wecken, dort mitmachen zu wollen und die Zukunft mitzugestalten. Diese Kraft der Jugend mit jedem Blödsinn, der dazugehört, ist das Schönste, das es gibt. In einen Ski-Club gehören junge Leute.
Wer imponiert Ihnen? Gibt es Menschen, auf die Sie hören?
Einer, dem ich gerne zugehört habe, war jedenfalls Didi Mateschitz. Wenn der geredet hat, war ich still. Da konntest du nur versuchen, dir alles zu merken. Dieser Mensch war voll von Visionen, die eine Freude waren. Ein anderer, der mir taugt, ist André Heller. Er hat einmal sinngemäß gesagt: "Ich habe nie behauptet, dass ich singen oder schauspielen kann oder einen Zirkus auf die Beine stellen, ich habe einfach Bock drauf gehabt." Darin erkenne ich mich wieder. Ich habe nie behauptet, dass ich einen Film machen kann, oder der weltbeste Skifahrer bin. Wir haben einfach Bock gehabt den Film "Mount St. Elias" zu machen und unser Bestes gegeben. Um was geht es denn sonst, wenn nicht um das lebenslange Bemühen, das Beste aus allem zu machen? Mit Leuten, die alles lassen wollen, wie es ist, tue ich mir naturgemäß schwer.
Planen Sie aktuell neue Abenteuer?
Mein Leben verläuft im Moment sehr unaufgeregt. Im Juni geht es zwei Wochen mit dem Fahrrad nach Madagaskar. Letzten Februar war ich mit Freunden in Kuba Rad fahren. Wir haben ohne Plan die Insel erkundet. Einfach in den Tag leben, das liebe ich im Urlaub.
Wie ist das in Ihrem Beruf als Architekt? Was macht Sie da zufrieden?
Ein zufriedener Bauherr unter der Bedingung, dass mir das Haus auch gefällt. Es gibt Leute, die für Geld alles tun, zu denen gehöre ich nicht. Ich arbeite sehr gerne, aber wenn das Wetter schön ist, will ich auf den Berg gehen. Arbeiten kann ich auch am Abend.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 3/2024.