Rechtspopulismus à la Herbert Kickl ist in Österreich längst mehrheitsfähig. Seit Andreas Babler als SPÖ- Parteichef aktiv ist, hängt ein neuer Vorwurf in der Luft: Babler betreibe roten Populismus. Eine Einschätzung
Den Reichen nehmen, den Armen geben - seit er im Amt ist, inszeniert sich SPÖ-Chef Andreas Babler gerne als Robin Hood der österreichischen Innenpolitik. "Es ist höchste Zeit, dass wir die Superreichen zur Kasse bitten", sagte Babler im Kontext der Vermögens- und Erbschaftssteuerdiskussion. Die Menschen seien "keine Bittstellerinnen und Bittsteller". Auf die Frage der Finanzierung hat er eine scharfe Antwort. "Die Frage ist unmoralisch - bei den 40 Milliarden an Corona-Subventionen und den steuerpolitischen Geschenken für Unternehmer ist sie nie gestellt worden!"
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Szenenwechsel nach Linz, in ein Bierzelt am Urfahraner Jahrmarkt am 1. Mai. Traditionell steht dort Herbert Kickl vor Tausenden Gästen auf der Bühne. "Der nächste Bundeskanzler wird ein Freiheitlicher sein", ruft er. Dieser werde ein Volkskanzler sein, der nicht nach "oben, Richtung EU, NATO und Weltgesundheitsorganisation" buckelt und "nach unten auf die Bevölkerung eintritt, die alles ausbaden muss. Nein", ruft Kickl, "nach unten wird gedient, nach oben wird getreten!"
Kein erhoffter Babler-Effekt
Mit einem knappen Drittel Zustimmung ist die FPÖ in Umfragen auf einem Allzeithoch. Die SPÖ hingegen kämpft bei einer Zustimmung von rund 21 Prozent um jede Stimme. Der erhoffte Babler-Boost bleibt bisher aus -dabei präsentieren sich sowohl der FPÖ-Chef als auch der SPÖ-Vorsitzende als volksnahe Politiker. Es herrscht allgemeiner Konsens darüber, dass Herbert Kickl Rechtspopulist ist -auch Andreas Babler wird immer häufiger eine allzu kategorische Schwarz-Weiß-Rhetorik vorgeworfen. Ist das schon Linkspopulismus -und warum ist die Strategie weniger erfolgreich als rechts der Mitte?
Populismus als Stilmittel
"Populismus ist eine Weltsicht, die einen politischen Konflikt in den Mittelpunkt stellt", erklärt der Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik beim Versuch einer Einschätzung. "Auf der einen Seite steht eine ,korrupte Elite', auf der anderen ein homogenes,,wahres' Volk. Die populistische Intention ist es, dem vermeintlich wahren Volkswillen zum Durchbruch zu verhelfen." Doch Populismus könne nicht für sich alleine stehen, sondern brauche eine Trägerideologie. Um als Stilmittel zu funktionieren, muss Populismus daher mit einem konkreten Weltbild verknüpft werden, das links oder rechts im politischen Spektrum verortet ist. Die beiden Seiten definieren "Volk" und "Elite" verschieden.
"Rechter Populismus definiert das Volk nach ethnischer Zugehörigkeit", sagt Ennser-Jedenastik. Auf der Elitenebene können alle möglichen Gruppen zum Feindbild werden: die herrschende politische Klasse, kulturelle und mediale Eliten oder, während der Corona-Pandemie, auch die Wissenschaft oder verschwörungsmythische Vorstellungen. Das linke Ende des Spektrums funktioniere hingegen anders. "Linke populistische Rhetorik ist stark ökonomisch aufgeladen", sagt Ennser-Jedenastik. Zielscheibe seien die ökonomischen Eliten. "Das Spiel heißt: Millionäre, oder die reichsten Prozente des Landes, gegen die breite arbeitende Masse." Das beschränke sich oft nicht nur auf Erwerbsarbeit. Auch unbezahlte Arbeit wie die Pflege Angehöriger oder die Kindererziehung seien mitgemeint.
Meinungsmonopol als Verstärker
"Es ist schwierig, populistische Elemente in der FPÖ- und SPÖ-Rhetorik miteinander zu vergleichen", sagt der Politikwissenschafter. Wichtiger sei es, die inhaltliche Ebene der Debatten genauer zu beachten. "Die Strategie der Freiheitlichen besteht oft darin, als einzige Partei eine Kontraposition einzunehmen." Zwei Beispiele seien der Angriffskrieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie.
Während der Pandemie sei laut FPÖ-Narrativen die Freiheit der Menschen durch korrupte, wissenschaftliche Eliten, welche die Bevölkerung durchimpfen wollen, bedroht worden. Auch was den russischen Angriffskrieg betreffe, habe es die FPÖ geschafft, eine Gegenposition zur vorherrschenden Meinung zu erzeugen -und sich als einzige Partei nicht ausgesprochen mit der Ukraine solidarisiert. "Wenn ich ein Monopol über eine bestimmte Meinung habe, die ich kraftvoll populistisch inszenieren kann, kann ich plötzlich Leute ansprechen, die ansonsten gar nicht unbedingt die FPÖ gewählt hätten - nur eben bei diesem einen Thema anderer Ansicht sind", sagt Ennser-Jedenastik. "Und zwar ganz ohne Konkurrenz."
SPÖ-Positionen nicht konkurrenzlos
Diese Konkurrenzlosigkeit sei jedoch bei der SPÖ nicht vorhanden. "Babler ist nicht der einzige, der Themen wie die Teuerung oder Steuerpolitik auf den Tisch bringt", sagt der Politikwissenschafter. Dass traditionell "linke" Themen wie das Wohnen aber durchaus populistisches Potenzial bergen könnten, merke man an den Regionalerfolgen der KPÖ. In Salzburg sei das Feindbild einer ökonomischen Elite bestehend aus Immobilienspekulanten und "Miethaien", die gegen eine breite Masse wohnbedürftiger Menschen auftritt, gut aufgegangen. Der Personeneffekt um den Spitzenkandidaten Kay-Michael Dankl habe aber bestimmt auch eine Rolle gespielt. "Auf Bundesebene hat man zum Thema Wohnen allerdings nicht viel von der SPÖ gehört", gibt Ennser-Jedenastik zu bedenken.
Ökonomische Polarisierung gering
"Es gibt in der Babler-Rhetorik definitiv populistische Elemente", sagt der Politikwissenschafter. Diese hätten sich besonders in der von der SPÖ losgetretenen Debatte um Erbschafts-und Vermögenssteuern gezeigt. "Man kritisiert die 'Superreichen' oder sogar konkrete Persönlichkeiten, etwa die Mateschitz-Familie. Auf der anderen Seite gibt es den Begriff 'unsere Leute', der auf die breite Masse abzielt", erklärt Ennser-Jedenastik.
Dass in Umfragen das erhoffte Hoch trotz populistischer SPÖ-Rhetorik ausbleibt, sei ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren. "Ein wichtiger Punkt ist die Glaubwürdigkeit, die sich nicht nur Babler persönlich, sondern auch die SPÖ als gesamte Partei wieder erarbeiten muss", sagt der Politikwissenschafter. "Zweitens birgt populistische Rhetorik immer auch das Risiko, einen Backlash zu erzeugen - vor allem, wenn Teile meiner Wählerschaft nicht empfänglich für Populismus sind." Außerdem sei nachgewiesen, dass ökonomische Themen nicht die gleiche emotionale Schlagkraft hätten wie gewisse FPÖ-Kernthemen -zum Beispiel Zuwanderung. "Jede Form der ökonomischen Polarisierung ist für Babler daher sicher sinnvoll."
Im Vergleich mit Kickl harmlos
"Im Vergleich zu dem, was Herbert Kickl von sich gibt, ist die populistische Rhetorik Andreas Bablers relativ mild", sagt Ennser-Jedenastik. "Rein über den Hebel des Populismus wird es für die SPÖ nicht leicht sein, die Massen zu mobilisieren." Ein Populismus-Level, das der FPÖ nahekäme, könne man wohl weder nach außen hin noch innerparteilich durchhalten. Gleichzeitig sei populistische Rhetorik ohne polarisierende, alleinstehende Positionen nur die halbe Miete. "Ich glaube, die wesentliche Frage ist die der inhaltlichen Positionierung. Die populistische Rhetorik ist nur ein Verstärker."
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 41/2023 erschienen.