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Muss wirklich jeder sein eigenes Haus bauen?

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Einfamilienhaus
©Bild: iStockphoto/Stephan Zabel
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Der Traum vom eigenen Haus mit Garten war immer schon stark ausgeprägt in Österreich. Die Corona-Pandemie hat ihn noch weiter verstärkt. Doch wie nachhaltig ist diese Wohnform, wenn jede Familie damit in Zeiten der Klimakrise ein weiteres Stück Land und Wiese verbaut? Hochemotional laufen derzeit die Debatten, ob auch in Zukunft jeder sein eigenes Haus bauen dürfen soll. Auch zwei befragte ExpertInnen sind sich uneins.

(K)einfamilienhaus - Wie zukunftsfähig ist der Traum vom eigenen Haus?

Ein Kommentar von Barbara Steinbrunner

Vor einigen Wochen wurde es in den Medien laut um das Einfamilienhaus. In einem Hamburger Stadtbezirk sollen künftig keine neuen Einfamilienhäuser mehr zugelassen werden. Der mediale Aufschrei hielt auch in den heimischen Medien Einzug und griff die Debatte auf, wie zukunftsfähig die beliebte Wohnform im Zeichen des Klimawandels ist.

Sinnbild für Normalität und Freiheit
Für viele ÖsterreicherInnen ist das freistehende Einfamilienhaus ein Sinnbild für Normalität, Freiheit, Eigentum und zugleich ein selbstverständlicher Wunsch. Der Traum vom eigenen Haus ist ein hochemotionales Thema und steht nun im Blickpunkt einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung, die den sich verändernden Umweltbedingungen Rechnung tragen muss. Zu den Ursachen der Klimaveränderung zählt auch die Versiegelung unseres Bodens. Laut Umweltbundesamt ist Österreich mit über 13 Hektar pro Tag Europameister im Flächenverbrauch, was kein rühmlicher Titel ist. Zwar entfällt ein erheblicher Anteil davon auf Betriebsflächen, Straßen und Parkplätze, jedoch ist der Flächenfraß für Wohnbauland ebenfalls ein wesentlicher Treiber.

Dass Boden eine endliche Ressource darstellt, scheint bei vielen noch nicht angekommen zu sein.

Dass Boden eine endliche Ressource darstellt, scheint bei vielen noch nicht angekommen zu sein. Bei einem Blick in die Landschaft, vorzugsweise im ländlichen Raum, wo große Acker-, Wiesen- und Waldflächen erkennbar sind, schließt man nicht auf Platzmangel für Siedlungsgebiete. Doch der Schein trügt gewaltig, wenn man sich die Zahlen ansieht. So sind von der Gesamtfläche Österreichs nur rund 39 Prozent als Dauersiedlungsraum geeignet. Der Rest entfällt auf Gewässer und steile Berggebiete. Das bedeutet, dass wir auf knappe zwei Fünftel Österreichs wohnen, arbeiten, einkaufen, Freizeitaktivitäten nachgehen und Verkehrswege unterbringen müssen und zwar so, dass dies auch für künftige Generationen möglich ist.

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Laut Umweltbundesamt ist Österreich mit über 13 Hektar pro Tag Europameister im Flächenverbrauch

 © iStockphoto

Denn wenn wir die Bodeninanspruchnahme in demselben Tempo wie bisher vorantreiben, bleiben in rund hundertfünfzig Jahren keine produktiven Böden mehr übrig. Diese Problematik scheint langsam in der Politik anzukommen, weshalb sich das aktuelle Regierungsprogramm einen Bodenverbrauch 2,5 Hektar pro Tag zum Ziel gesetzt hat. Die Umsetzung erfolgte aber bisher nur schleppend.

Folgen des Bodenverbrauchs abseits des Klimawandels
Ein sorgsamer Umgang mit unserem Boden ist aber nicht nur aufgrund der Auswirkungen auf den Klimawandel relevant, sondern auch für den Erhalt unseren Lebensstil notwendig. Auch wenn einige dem Klimawandel keine Beachtung schenken, werden die Folgen des Flächenverbrauches in anderen Formen deutlich. Denn die Bodenknappheit führt zu steigenden Bauland- und Wohnungspreisen, die den Traum vom Eigenheim zu einem Luxusgut machen. Zudem wird auch die regionale Lebensmittelversorgung gefährdet, da jeder verbaute Quadratmeter Boden der Landwirtschaft entzogen wird.

Wie schön sind übergroße Einfamilienhaussiedlungen wirklich, wo jedes Haus einem ähnlichen Erscheinungsbild folgt?

Darüber hinaus kommt es auch zu einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Wie schön sind übergroße Einfamilienhaussiedlungen wirklich, wo jedes Haus einem ähnlichen Erscheinungsbild folgt, geprägt von asphaltierten Zufahrten und umrahmt von Thujenhecken. Dabei möge sich vielleicht der eine oder andere denken, dass bei einem Einfamilienhaus nicht das gesamte Grundstück bebaut wird und es noch ausreichend Freiflächen gibt. Jedoch wird das gesamte Grundstück bzw. der entsprechende Teil als Bauland gewidmet, also nicht nur punktuell das Gebäude, und gilt somit nach einer erfolgten Bauführung als bebaut. Weil die gesamte Fläche als Bauland ausgewiesen ist, besteht für den/die BesitzerIn die Möglichkeit, die gesamte Fläche mit weiteren Gebäuden unter Einhaltung der Mindestabstände und sonstigen Bauvorschriften zu verbauen, beispielsweise mit Garagen, Schuppen und Sonstigem.

Nicht nur das Haus entzieht Umwelt Fläche
Aber nicht nur Bauführungen versiegeln unseren Boden, auch Zufahrtsstraßen, Abstellflächen, Wege, Tiefgaragen, Pools und Kiesflächen führen dazu, dass der Boden verloren geht. Es darf also nicht nur das Haus an sich betrachtet werden, sondern es ist die gesamtgenutzte Fläche als bebaut und somit der Umwelt entzogen anzusehen.

Traditionelles Wohnhaus deutlich flächensparender
Hinzu kommt, dass verglichen mit anderen Wohnformen im Einfamilienhaus relativ wenige Personen leben und es eine deutlich schlechtere Energiebilanz aufweist. Daraus folgt, dass jedes neugebaute Einfamilienhaus eine hohe Bodeninanspruchnahme hat, die vergleichsweise ineffizient genutzt wird. Das traditionelle Wohnhaus eingebettet in dörfliche Strukturen ist deutlich flächensparender. Das freistehende Einfamilienhaus, welches seit den 1950er Jahren boomt, hingegen stellt in vielerlei Hinsicht ein massives Problem für die Klimawandelanpassung dar.

Es kategorisch zu verbieten wird politisch kaum durchführbar sein

Im Anbetracht all dieser negativen Eigenschaften stellt sich die Frage, wie zukunftsfähig ist das klassische Einfamilienhaus eigentlich? Es kategorisch zu verbieten wird politisch kaum durchführbar sein, vor allem da dieses Thema doch sehr emotional behaftet ist. Wobei zu erwähnen ist, dass es mit den bestehenden rechtlichen Instrumenten derzeit durchaus möglich wäre, diese Bebauungsstruktur zu unterbinden.

Alternativen
Um einiges zielführender scheint es, Alternativen aufzuzeigen und keine Förderungen für den Neubau von freistehenden Einfamilienhäusern mehr zu vergeben. Dabei gilt es vor allem den Bestand und dabei insbesondere jenen in den Ortskernen attraktiver zu gestalten. In vielen Gemeinden Österreichs zeigt sich bei Wohnbauten das gleiche Bild wie bei Gewerbe und Handel: der Ortskern ist von Leerstand betroffen und an den Rändern wird munter weiter gebaut. Dabei bietet der Bestand viele Aus- und Umbau-, sowie Verdichtungsmöglichkeiten. Außerdem könnte das Mehrgenerationen- oder Mehrfamilienhaus als Wohnform reaktivierte werden, mit dem nebenbei auch positive soziale Effekte einhergehen.

Dazu auch interessant:
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Eindeutiger Widerspruch
In Anbetracht dessen, dass Baulandneuwidmungen ohnehin schwieriger werden, die Verfahren relativ lange dauern und die Preise für Bauland weiter ansteigen, scheint der Zu- und Umbau von bestehenden Gebäuden als eine sinnvolle Alternative. Zumal dabei auch Errichtungskosten gespart werden können, wenn beispielsweise nur ein Heizungssystem für zwei oder mehr Wohneinheiten benötigt wird. Dies erfordert aber noch viel Bewusstseinsbildung, sowie das Aufzeigen von Alternativen und kreativen Lösungsansätzen. Denn die noch immer beliebte Wohnform des klassischen, neugebauten, freistehenden Einfamilienhauses steht eindeutig im Widerspruch mit einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung.

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Barbarra Steinbrunner

 © TU Wien

Dieser Kommentar wurde verfasst von Barbara Steinbrunner, Mitarbeiterin am Forschungsbereich für Bodenpolitik und Bodenmanagement am Institut für Raumplanung an der TU Wien.

"So einfach ist die Geschichte nicht"

Ein Kommentar von Walter Leiss

Keine Woche vergeht, in der das Thema Bodenverbrauch nicht medialen Niederschlag findet. Meist sind es Alarmmeldungen wie: „Täglich werden 20 Hektar gutes Ackerland verbaut!“, oder „Der gegenwärtige Bodenverbrauch gefährdet die Lebensgrundlagen der nächsten Generation!“ Und wie es bei solchen Geschichten üblich ist, ist auch schnell ein Schuldiger gefunden: Die Bürgermeister. Doch so einfach ist die Geschichte nicht.

Denn die Bürgermeister sind nicht alleine für die Raumordnung verantwortlich. Richtig ist, dass die Gemeinden die Kompetenz für die Raumordnung haben. Aber nicht der Bürgermeister, sondern der Gemeinderat erlässt den Flächenwidmungsplan (Verordnung). Dieser hat den Vorgaben der entsprechenden Raumordnungsgesetze der Länder zu entsprechen und bedarf darüber hinaus der Genehmigung der Landesregierung, und hier nützt auch ein Anruf des Bürgermeisters beim zuständigen Landesrat nichts, wenn die Voraussetzungen nicht vorliegen.

Fakten zum Thema

Was bedeutet Bodenverbrauch? Der dauerhafter Verlust biologisch produktiven Bodens durch Verbauung und Versiegelung für Siedlungs- und Verkehrszwecke, aber auch für intensive Erholungsnutzungen, Deponien, Abbauflächen, Kraftwerksanlagen und ähnliche Intensivnutzungen.

In Österreich wurden bis zum Jahr 2019 insgesamt 5.729 km² Boden verbraucht. Das entspricht 7 Prozent der Landesfläche.

Der jährliche Verlust an Boden liegt im Durchschnitt der letzten 3 Jahre bei 44 km², was der Größe von Eisenstadt entspricht.

Laut Regierungsprogramm soll der jährliche Zuwachs bis 2030 auf 9 km² pro Jahr sinken.

Betriebsflächenbeanspruchen den größten Anteil des jährlichen Bodenverbrauchs, Bauflächen betrugen 2019 von 26 km² pro Jahr.

Die größte Zunahme im Bodenverbrauch in den letzten Jahren hatte die Steiermark zu verzeichnen.

Weitere Informationen unter umweltbundesamt.at

Auch Elektromobile werden Straßen benötigen
Offenbar ist unsere Siedlungsstruktur lange vor Wirksamkeit dieser Gesetze entstanden. Die Raumordnungsgesetze verbieten schon längst die berühmten Einkaufszentren auf der grünen Wiese, aber eine Weiterentwicklung muss doch auch in den ländlichen Räumen möglich sein. Und Straßen werden auch die Elektromobile benötigen, oder denkt man hier schon an elektrisch betriebene Schwebefahrzeuge, die keine Straßen mehr benötigen?

Neuwidmungen nicht das große Problem
Neuwidmungen stellen bei genauerer Betrachtung auch nicht das große Problem dar. Hier greifen schon längst die Möglichkeiten der Vertragsraumordnung und in vielen Gemeinden wird ein modernes Flächenmanagement angewandt. Die Verantwortung hier allein den Bürgermeistern zuzuschieben ist also nicht berechtigt. Viel schwieriger ist allerdings die Frage zu lösen, wie man gewidmetes, aber nicht genutztes Bauland verfügbar macht oder Altbestände in Ortszentren revitalisiert. Das ist ein vielschichtiges Problem und nicht einfach zu lösen. Praxistaugliche Lösungsansätze fehlen hier. In der Zusammenarbeit mit den Ländern arbeiten die Gemeinden immer wieder an neuen Projekten, wie etwa dem „Grünen Ring“ rund um Wien. Klar ist aber, die Raumordnung muss Recht der Gemeinden bleiben. Die Gemeinden vor Ort sind nicht zuletzt durch die kommunale Selbstverwaltung verpflichtet, die Gestaltung des unmittelbaren Lebensumfeldes der Bürger zu gewährleisten.

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Walter Leiss findet den Wunsch vieler nach einem Einfamilienhaus im Grünen "nicht nur verständlich, sondern gut so." Denn auch Städte würden an ihre Grenzen stoßen.

 © iStockphoto

Renaissance des ländlichen Raums
Für einen Großteil der Menschen ist der Wohntraum nach wie vor das Einfamilienhaus im Grünen ist – und die Corona-Pandemie hat diesen Wunsch geradezu verstärkt. Der ländliche Raum erlebte in den letzten Monaten eine Renaissance. Plötzlich lernen viele die Ruhe auf dem Land, das Leben im Grünen, die Regionalität und Lebensqualität auf dem Land zu schätzen. Und das ist nicht nur verständlich, sondern auch gut so. Denn auch die Städte stoßen an ihre Grenzen.

Warum in die Stadt ziehen?
Laut dem UN-Bericht „World Urbanisation Prospects“ werden im Jahr 2050 voraussichtlich 75 Prozent der Menschen in urbanen Regionen leben. Auch in Österreich zeichnet sich diese Entwicklung bereits ab: Aktuell leben 58,5 Prozent der Menschen im städtischen Raum und 41,5 Prozent im ländlichen Raum. Die Folgen liegen auf der Hand: Fehlender Wohnraum, steigende Mietpreise, starke Verbauung und damit auch Versiegelung in Zeiten immer heißer werdender Sommer sind die unangenehmen Begleiterscheinungen der Verstädterung. Warum also in die Stadt ziehen, wenn das Leben auf dem Land günstiger, ruhiger und erholsamer ist?

Wieso ist das Einfamilienhaus im Grünen böse, der Flächenverbrauch und die Verbauung in der Stadt gut?

Und wieso ist das Einfamilienhaus im Grünen böse, der Flächenverbrauch und die Verbauung in der Stadt gut? Denn auch Stadtforscher haben längst erkannt, was an Wohndichte durch ein Hochhaus erreicht wird, muss in der unmittelbaren Umgebung durch Freiflächen wettgemacht werden. Und ob dadurch ausreichend leistbarer Wohnraum bereitgestellt werden kann und auch den Wünschen der Bürger nachgekommen wird, darf auch bezweifelt werden.

Home Office als Chance gegen Abwanderung
Auf der anderen Seite stehen auch noch viele Gemeinden im ländlichen Raum immer noch vor dem Problem der Landflucht und Abwanderung. Die Corona-Pandemie hat mit dem Digitalisierungs-Boost auch hier ein neues Tor der Chancen eröffnet. Mit mehr Home Office lassen sich Leben und Arbeiten in peripheren Gebieten einfacher verbinden. Wenn nur noch einmal oder zweimal in der Woche in die Stadt gependelt werden muss, wird auch ein weiterer Anfahrtsweg in Kauf genommen. Damit aber auch Home Office und digitales Arbeiten von zu Hause funktionieren, braucht es flächendeckendes Glasfaser in allen Regionen unseres Landes. Es ist heute kein Widerspruch mehr, in der Stadt zu arbeiten und am Land zu leben. Wochenlanges Home Office in Branchen, die bisher auf Präsenz und verpflichtende Bürozeiten gesetzt haben, haben für ein radikales Umdenken gesorgt, dass man ohne Krise nie so rasch herbeiführen hätte können. Genau dieser Wandel der Arbeitswelt ist eine Chance für den ländlichen Raum.

Eine Weiterentwicklung muss möglich bleiben und dafür wird Boden benötigt

Die gesamte Entwicklung darf jedenfalls nicht auf Kosten des Bodenverbrauchs gehen. Maßnahmen gegen Leerstand und Nutzung von Industriebrachen sind hier Schlagworte. Aber eine Weiterentwicklung des Siedlungsraumes muss auch in den ländlichen Räumen in Zukunft möglich bleiben, und dafür wird auch – ob man will oder nicht - Boden benötigt.

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Walter Leiss

 © charakterphotos Monihart

Dieser Kommentar wurde verfasst von Walter Leiss, Generalsekretär des Österreichischen Gemeindebundes.

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