Die oft emotional geführte Debatte rund um das E-Auto versteht Porsche Austria Geschäftsführer Wilfried Weitgasser. Er will dennoch mit Fakten überzeugen
Porsche Austria in drei Sätzen erklärt?
Die Porsche Austria ist der Importeur, also der Großhändler für die Marken des Volkswagenkonzerns. Damit sind wir für die kompletten Vertriebs- und Serviceaktivitäten der Marken VW, VW Nutzfahrzeuge, Audi, Seat, Cupra, Škoda und Porsche verantwortlich. Unsere Kunden sind unsere Handels- und Servicepartner sowie Sonderzielgruppen wie beispielsweise Behörden.
Mit welchem Auto sind Sie zum Interview gekommen?
Vollelektrisch. Mit einem Audi e-tron quattro.
Sind wir schon im Elektrozeitalter angekommen?
Wir sind hundert Jahre Verbrenner gefahren. Jetzt sind wir in der Transformationsphase. Österreich liegt insgesamt betrachtet gar nicht schlecht im Vergleich. Der Anteil an Elektrofahrzeugen ist auf einem guten Niveau. Aber andere Länder sind eben besser. Norwegen lag im Vorjahr bei 82 Prozent bei den Neuzulassungen. In Island sind es 50, in Schweden 39 Prozent. In Summe hat die Elektromobilität weltweit an Fahrt aufgenommen. Es sind auch viele neue E-Modelle auf den Markt gekommen. In Österreich sind im Vorjahr auch erstmals mehr rein elektrische Autos zugelassen worden als Dieselautos. Der Anteil an Elektrofahrzeugen und an Hybridautos ist gleich groß wie der von Verbrennern. Die Verbesserungen beim Reichweiten-Thema und bei der Ladeinfrastruktur werden noch mal eine neue Dynamik reinbringen.
Aber der Wiederverkaufswert von E-Autos ist eingebrochen …
Es kommt darauf an bei welchen E-Autos. Bei Elektroautos aus der ersten Generation, also beispielsweise ein E-Golf, sind die Wiederverkaufswerte stabil und die Nachfrage ist hoch. Alle zwei, drei Jahre kommt in der Entwicklung der nächste Sprung. Und: die Wettbewerber sortieren sich neu. Da passiert es, dass bei den Neuwagen die Angebote attraktiver werden. Das wirkt sich eins zu eins auf den Gebrauchtwagenmarkt aus. Das ist auch kein Phänomen von Elektrofahrzeugen. Wenn der Hype von einem Auto abkühlt, gibt es immer das Thema Restwert. Die Restwerte waren bisher immer sehr hoch, weil die Verfügbarkeit von E-Autos aufgrund der Produktionsengpässe in der Pandemie nicht gegeben war. Jetzt sind wir in der Realität angekommen.
Die Porsche Holding Salzburg
ist das größte Automobilhandelshaus Europas. Das Salzburger Unternehmen wurde 1947 gegründet und ist heute u. a. in 23 Ländern Europas tätig. Rund 35.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind im Unternehmen beschäftigt, die einen Umsatz von 29,4 Milliarden Euro erwirtschaften
Was antworten Sie jenen, die sagen: mit einem E-Auto kaufe ich mir Tonnen an Elektroschrott ein?
Das Gegenteil ist der Fall. Das E-Auto ist ein Hightech-Produkt in allen Belangen, das Entscheidende beim Elektroauto ist die Batterie – und die ist nicht nur recycelbar, sondern auch als Industrie- oder Heimspeicher weiter nutzbar. Nach dieser „Second Life“-Nutzung sind die Rohstoffe zu mehr als 90 Prozent recycelbar – und das immer wieder in mehreren Lebenszyklen. Im Übrigen finde ich spannend, dass es diese Diskussion nur beim Auto gibt – aber nicht bei anderen batteriebetriebenen Dingen des täglichen Bedarfs.
Ich nehme an, die Kanzler-Aussage „Österreich ist ein Autoland“, werden Sie wohlwollend aufgenommen haben. Aber wie blicken Sie auf die Aussage, er werde sich gegen das Aus des Verbrennermotors aussprechen? Europa soll ja zum Weltmarktführer für Verbrennermotoren ausgebaut werden.
Man merkt an der Debatte, wie emotional das Thema ist. Fakt ist: Es wird niemand ausgegrenzt, niemandem wird etwas weggenommen. Im Konzern haben wir ja den Dreiklang von Verbrenner, Hybrid und reinen elektrischen Fahrzeugen. Technologisch entwickelt sich halt die E-Mobilität am schnellsten weiter.
Mit großer Hingabe widmet sich Karl Nehammer auch dem Thema E-Fuels. Auch die falsche Diskussion?
Nein, das ist die völlig richtige Diskussion, weil wir jede Technologieform brauchen, die hilft, CO2 zu senken. Die Frage ist nur, in welchem Gefäß. Wir werden E-Fuels benötigen, um Schiffe oder Flugzeuge zu bewegen. Der Begriff Mobilität umfasst ja nicht nur Autos.
Finden Österreicher das E-Auto schon cooler als den Verbrenner?
Die Kaufgründe sind sehr unterschiedlich. Für die einen ist es der Umweltgedanke, der wichtig und cool ist. Für andere ist es das unvergleichliche Fahrgefühl. Ein Teil der Käufer hat Fotovoltaik am Dach und erzeugt sich quasi den Kraftstoff selbst. Und die Sonne schreibt keine Rechnung. Dann gibt es die Gruppe der Unternehmer, die die CO2-Bilanz des Unternehmens im Blick haben. Die Öffentlichkeit steht dem Thema viel offener gegenüber, als man anhand der Medienberichterstattung meinen würde. Das Thema Nachhaltigkeit ist gekommen, um zu bleiben. Eine Antwort ist die E-Mobilität.
2
Millionen private Autos mit Benzinmotor und knapp 2,6 Millionen Diesel-Pkw gibt es in Österreich. Pro Jahr werden darin 3,3 Milliarden Liter fossile Treibstoffe verbrannt
102.700
Neuzulassungen bei E-Autos in Europa entfallen im Jahr 2024 bislang auf Teslas Model Y. Auf den weiteren Plätzen folgen Tesla Model 3, Volvo EX30 und der Audi Q4 e-tron
Welchen Mythos oder welche falsche Erzählung würden Sie gerne aus der Welt räumen?
Da gibt es viele. Wichtig ist, dass sich die Menschen selbst ein Bild machen. Ich will niemandem etwas erzählen oder einreden, sondern überzeugen und begeistern. Aber mein Lieblingsthema ist: Wir haben nicht genug Strom. Fakt ist: Wenn in Österreich eine Million Elektroautos fahren, dann benötigen wir lediglich 2,6 TWh oder 3,6 Prozent mehr Strom als heute. Das ist angesichts des rasanten Ausbaus erneuerbarer Energie inklusive des Effekts der privaten PV-Anlagen machbar. Die Technologie ist gesetzt. Wir müssen jetzt Fahrt aufnehmen, sonst verlieren wir sinnlos Zeit.
Entwerfen Sie bitte mal ein, zwei Zukunftsszenarien, wo in Sachen Konnektivität oder Laden während der Fahrt die Reise hingeht.
Es kommt jeden Tag eine großartige Idee auf die Welt. Was jedenfalls passieren wird: Das Auto bekommt ganz andere Funktionalitäten, weil die Batterie für das bidirektionale Laden geeignet ist. Das Auto als Notaggregat vor der Haustür zum Beispiel. Das wird sehr schnell passieren und das Auto wieder in ein ganz neues Licht rücken. Das bidirektionale Laden ist einer der ganz großen Gamechanger. Hinzu kommt: Die Autos sind alle miteinander vernetzt und kommunizieren miteinander. Das hat einen riesigen Sicherheitsaspekt. Sie warnen, wenn die Rettung kommt. Sie berechnen Staus und Alternativrouten. Das meiste CO2 sparen sie mit dem kürzesten Weg und damit mit jedem Kilometer, den sie nicht unnötig fahren.
Auch ein Zukunftsszenario ist das autonome Fahren nach Level fünf, also höchste Stufe.
Wir haben jetzt momentan autonomes Fahren Stufe zwei, also eine Teil-Automatisierung mit Tempomat und Spurhalteassistent. Auf gewissen Strecken ist Stufe drei erlaubt, da wird das Auto permanent vom System geführt. Der Fahrer muss aber immer bereit sein zu übernehmen. Bei Stufe vier übernimmt der Fahrer nur mehr auf bestimmten Strecken die Führung. Eine europäische Gesetzgebung für autonomes Fahren sehe ich nicht bis 2030. Aber es ist eine Sehnsucht des Menschen, dass das Auto – zumindest streckenweise – alleine fährt. Irgendwann werden wir das schaffen.
Und 2040?
2040 haben wir auf jeden Fall komplett vernetzte Autos, intelligente Ladesysteme und fahren flächendeckend vollelektrisch mit Grünstrom.
80 Prozent aller E-Autos sind groß, schwer und teuer. Warum?
Die Hersteller haben begonnen, mit großen Batterien die E-Mobilität auf die Straße zu bringen. Wir erinnern uns an die Reichweitendiskussion. Generell fängt man in der Automobilbranche immer im oberen Segment oder Premiumsegment an und geht dann in weitere Segmente und zuletzt in den Massenmarkt. Das ist bei jeder neuen Technologie so. Darum ist die erste Generation der Elektroautos relativ groß und hauptsächlich ein SUV. Aber jetzt kommt die zweite Welle mit der Mittelklasse und Kleinwagen. Da werden wir die nächsten ein, zwei Jahre spannende Produkte bringen.
Sie sind in einer Unternehmerfamilie aufgewachsen. Schaffen und schöpfen, das hat Sie geprägt, haben Sie einmal erzählt. Wie blicken Sie auf den Wirtschaftsstandort Österreich?
Ich denke, dass es generell guttut, wenn man anpackt. Nicht lamentieren, abwarten, Dinge auf andere schieben, sondern den Karren anschieben. Das können wir. Wir haben grenzgeniale Menschen in diesem Land. Unternehmer, Forscher, Entwickler, Designer, Künstler. Was uns fehlt? Eine Mutoffensive. Wir haben immer Angst, etwas zu verlieren, statt den Mut, etwas zu gewinnen. Die Welt ändert sich. Wir müssen mit positiven Beispielen vorangehen, statt immer nur das Schlechteste rauszunehmen und uns dann zu vergleichen. Wir haben nicht nur super Fußballspieler. Diese Spitzenspieler haben wir auch in der Wirtschaft.
Nicht wenige Unternehmer nehmen gerade ein Anti-unternehmerisches Mindset wahr – Stichwort Vier-Tage-Woche. Stimmen Sie in den Chor ein?
Das sind Entwicklungen, die gesellschaftspolitisch passieren. Gerade jetzt brauchen wir dafür die richtigen Ideen, um diese Veränderungen zu managen. Bei uns kann man auch mehr als fünf Tage in der Woche arbeiten, weil so viel Arbeit da ist (lacht).
In der Gesellschaft fehlt das Verständnis: Wir alle sind Wirtschaft. Muss man das mehr verdeutlichen?
Absolut. Eine Gemeinschaft ist nur so stark wie die einzelnen Teile. Wir sind nicht alle Stürmer. Wir stehen auch nicht alle im Tor. Jeder ist auf seiner Position richtig. Aber es muss jeder im Team wissen, was der andere tut und leistet.
Wiener Elektro Tage
Von 11. bis 15. September 2024 finden am Wiener Heldenplatz unter dem Motto "Die Zukunft nimmt Fahrt auf!" die Wiener Elektro Tage statt. Sie bieten einen Überblick über die aktuellen Neuheiten bei E-Auto und Zweirad inkl. Probefahrten, innovative Energielösungen, Förderungen und vieles mehr. Der Eintritt ist frei.
Näheres Infos dazu finden Sie unter: www.wiener-elektrotage.at
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 36/2024 erschienen.