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Signa-Pleite: Wie René Benko seinen wichtigsten Berater ausspionieren ließ

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9 min

©Peter Rigaud/Laif
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Im Jahr 2023 hat ein israelischer Ex-Geheimdienstmann Benkos langjährigen Handelsberater ausgekundschaftet. Mit dubiosen Methoden

Die Eckdaten sind bekannt. René Benko hat mit seiner Signa-­Gruppe die größte Pleite der österreichischen Nachkriegsgeschichte hingelegt. Das intransparente wie verschachtelte Konstrukt brach Ende 2023 unter einer milliardenschweren Schuldenlast in sich zusammen. Seither kümmern sich Heerscharen an Anwälten, Ermittlern und Sanierungsverwaltern um die Aufarbeitung einer Insolvenz, die sowohl in ihrer Dimen­sion als auch in ihrer Komplexität ihresgleichen sucht.

Mittlerweile ist weitgehend unstrittig: René Benko war der Kopf eines Signa-­Konstrukts, das er bis zuletzt, bis zum Untergang 2023, beherrschte, obwohl er zehn Jahre davor, nach seiner strafrechtlichen Verurteilung, sämtliche Organfunktion zurückgelegt hatte. Dafür existieren mittlerweile Hunderte Belege. Gut belegbar ist auch, dass der heute 47-jährige Tiroler, der seit seinem Konkurs als Unternehmer Anfang März 2024 den Anschein erwecken möchte, wonach er auch mit seinen Stiftungen wenig bis nichts mehr zu tun habe, offenbar weiterhin in die diskreten Geldbunker seiner Familie hineindirigiert.

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VERTRAULICHE DOKUMENTE: Kontoauszüge einer Firma aus dem privaten Umfeld von Dieter Berninghaus landeten bei René Benko

 © News

Rote Linien

Nun erfährt jedoch die Affäre um einen gefallenen Finanzjongleur, der in den medialen Hoch-Zeiten seiner Signa-­Gruppe sogar vor Vergleichen mit dem Immobilienschatz der britischen Königsfamilie nicht zurückschreckte, eine neue Dimension. Denn: Recherchen von News und „Krone“ legen nahe, dass René Benko womöglich nicht nur auf der wirtschaftlichen Ebene über Jahre einige Grenzen übertreten hat; er hat auch im mensch­lichen Bereich rote Linien überschritten und sich offensichtlich wenig um recht­liche Rahmenbedingungen geschert. Er ließ Menschen ausspionieren, die ihm viele Jahre nahestanden. Er bediente sich dabei Methoden, die man sonst nur aus einschlägigen Fernsehserien kennt. Er traute – zumindest gegen Ende – niemandem mehr. Offenbar nicht einmal mehr seinen engsten Vertrauten.

Am 10. Jänner 2024 erhält René Benko auf seine Signa-E-Mail-Adresse, die zwei Monate nach dem Crash der Signa-Holding nach wie vor aktiv ist, eine Mail geschickt. Der Anhang trägt den Namen: „Scan Mr. Buller“. Das angehängte Dokument im Format „pdf“ birgt einen Inhalt mit hoher Brisanz.

In den 39 Seiten befinden sich private finanzielle Details, die den höchstpersönlichen Lebensbereich eines ehemaligen Signa-Chef-Strategen betreffen. Es geht um Dieter Berninghaus, Benkos langjährigen Strategen im Handelsbereich. Das Konvolut beinhaltet finanzielle Details rund um Berninghaus, die mit normalen, legalen Mitteln nicht zu beschaffen sind. Darunter sogar: Geschäftliche Beauftragungen, die Berninghaus’ Frau in Auftrag gegeben hat. Aber auch: Alle Details über das Aktiendepot des Unternehmens, das Frau Berninghaus als Geschäftsführerin leitet und in ihrem Eigentum steht.

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EX-GEHEIMAGENT: Der israelische Sicherheitsexperte Moshe Buller spionierte über Monate Dieter Berninghaus aus

 © Daniel Acker/Bloomberg via Getty Images

Krebserkrankung

Um die Dimension dieser Aktivitäten in ihrer Gesamtheit erfassen zu können, muss man einen Schritt zurückgehen. In den Mai 2023. Damals, wenige Monate vor dem endgültigen Kollaps der intransparenten Signa-Gruppe, meldet sich der ausgewiesene Handelsexperte Dieter Berninghaus im sich bereits in Schieflage befindlichen Signa-Universum ab. Aus gutem Grund: Berninghaus ist schwer an Krebs erkrankt, sämtliche Ärzte raten ihm offenbar dringend, sich schleunigst Untersuchungen und Operationen in England bzw. den USA zu unterziehen.

Israelischer Ex-Geheimagent

Doch Benko traut seinem langjährigen Vertrauten Berninghaus nicht mehr über den Weg. Er, der laut Aussage ehemaliger Weggefährten noch meinte, er könne notfalls sogar über Wasser gehen, hat ganz offensichtlich jegliche Bodenhaftung verloren. Also lässt Benkos Signa einen international gefragten Spezialisten für nachrichtendienstliche Aktivitäten beauftragen: Moshe Buller, einen ehemals leitenden Mitarbeiter des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, der sich schon vor Jahren mit einer Gruppe ehemaliger Geheimdienstler in die Selbstständigkeit verabschiedet hat. Die Firma trägt den vermeintlich offiziellen Namen „International Intelligence Agency (IIA)“. Das Logo der Firma, ein Stern, ist wohl angelehnt an US-amerikanische Ermittlungsbehörden. Die international operierende IIA verfügt über Niederlassungen in Israel, Hong Kong und den Vereinten Arabischen Emiraten. Und nicht nur dort: Das US-Büro der IIA hat seinen Sitz ausgerechnet im Chrysler Building in New York. Just dem Turm, mit dem Benko den New Yorker Immobilienmarkt aufmischen wollte und den er 2019 gemeinsam mit einem Partner erwarb.

Buller ist ein umtriebiger Vertreter eines ansonsten klandestinen Gewerbes. Er tritt mitunter auf Fachkonferenzen wie dem World Police Summit auf. Auch nach Wien hat er scheinbar beste Verbindungen. So taucht sein Name auf der Website der Organisation „World Economic Council“ (WEC) mit einer Anschrift im ersten Wiener Bezirk auf. Buller wird dort als „Ambassador“ bezeichnet, als Vertreter für Israel.

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DISKRETE LEISTUNGSÜBERSICHT: Eine Stundenaufstellung von Stefan Prochaska gibt näheren Aufschluss über die Ermittlungsarbeit

 © News
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HOHE BETRÄGE: Eine Honorarnote der Kanzlei von Prochaska weist immer wieder hohe Summen als Barauslagen aus

 © News

Vertrauliche Depotauszüge

Buller scheint bestens vernetzt. Und er liefert. Mehr, als René Benko sich wohl zu erhoffen wagte. In dem 39-seitigen Konvolut („Scan Mr. Buller“), das sich der Sig­na-Gründer an diesem 10. Jänner 2024 vor Augen führt, befinden sich sogar Rechnungen an die Landschaftsarchitekten von Frau Berninghaus. Dazu noch: eine komplette Übersicht der jüngsten Aktien-Transaktionen einer Berninghaus-Firma bei einer kleinen Schweizer Regionalbank. Es geht um ein millionenschweres Aktiendepot. Ganz offensichtlich werden unlautere Methoden angewendet, um in den höchstpersönlichen, tief privaten Lebensbereich eines über Jahre maßgeblichen Signa-­Beraters einzudringen und den früheren Benko-Vertrauensmann ­auszuspionieren.

Wohl aus gutem Grund, so legen es Recherchen von News und „Krone“ nahe, hat René Benko dieses Konvolut am 10. Jänner 2024 erhalten – und bald danach wieder aus dem Posteingang verschoben.

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VORMALIGES TANDEM: Über Jahre war Dieter Berninghaus (re.) ein einflussreicher Stratege in Benkos Handelsuniversum

 © Franziska Krug/Getty Images for GALERIA

Diskrete Abrechnungen

Die Verrechnung dieser fragwürdigen Aktivitäten des israelischen Geheimdienst-Spezialisten Moshe Buller erfolgte offenbar über einen langjährigen Benko-Vertrauensanwalt: über Stefan Prochaska, der Benko bereits im Chorherr-Verfahren betreute. Stefan Pro­chaska dokumentierte diverse Leistungs-Abrechnungen sogar in seinen offiziellen Honorarnoten an die Signa-­Holding, die News und der „Krone“ vorliegen. Er schrieb an die offizielle Benko-­Firma, die über Jahre als oberste Kerngesellschaft fungierte, höhere fünfstellige Honorarabrechnungen, in denen sich nicht nur Hinweise auf „Gespräche mit (dem) Ermittler“ finden, sondern auch dramatisch hohe Barauslagen, die offensichtlich für grenzwertige Aktivitäten verwendet wurden.

Laut einer internen Signa-Aufstellung wurden zumindest zwei dieser hohen Anwaltsrechnungen aus dem Jahr 2023 an die Kanzlei Prochaska überwiesen. Heikel ist in diesem Zusammenhang ein Mail-Verkehr zwischen Signa-Holding-­Geschäftsführer Marcus Mühlberger und dem Chef-Controller der Signa-­Gruppe, der die Zahlungen an Prochaska im Blick hatte.

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ANWALTSTEAM: Stefan Prochaska ist seit dem Chorherr-Prozess an Benkos Seite

 © Wolfgang Wolak / trend

Mühlberger fragte gut zwei Monate nach der Insolvenzeröffnung der Signa Holding unter dem Betreff „Prochaska“ nach: „Hast Du die Unterlagen für seine Anmeldung? Danke.“

Daraufhin antwortete der Finanzmanager der Signa: „Er hat keine Forderung geltend gemacht … Er weiß wahrscheinlich warum …“

Ex-Geheimdienstler Moshe Buller bestätigte auf Anfrage, dass sein Unternehmen „Ermittlungen zu Herrn Berninghaus“ durchgeführt habe. Das Büro von Benko-Anwalt Prochaska sei jedoch nur so etwas wie „ein erster Meeting-­Raum“ gewesen – „und nicht mehr“. Herrn Benko habe er „nie getroffen“.

Benko-Anwalt Stefan Prochaska ließ eine Anfrage unbeantwortet.

Der ausspionierte Berninghaus ließ über seinen Anwalt ausrichten: „Dieter Berninghaus und seine Familie sind fassungslos und extrem schockiert über die hier ans Tageslicht gekommenen Fakten.“ Diese müssten nun genau analysiert werden. „Zu möglichen rechtlichen Schritten kann sich die Familie zum heutigen Zeitpunkt daher nicht äußern.“

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 43/2024.

Causa René Benko

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