Kurz vor dem Weihnachtsfest erhielten die ehemaligen Signa-Aufsichtsräte brisante Post. Der Konkursverwalter stellt darin Forderungen über eine Milliarde Euro an die Aufsichtsorgane des zerfallenen Benko-Reichs.
Ein Jahr und zwei Wochen nach dem endgültigen Zusammenbruch des Signa-Konzernkonglomerats erhöhen die Masseverwalter den Druck auf die ehemaligen Verantwortlichen. Laut Informationen von News und Krone sollen auch die früheren Aufsichtsräte, darunter Altkanzler Alfred Gusenbauer, finanziell zur Kasse gebeten werden. Es geht um Forderungen in Höhe von einer Milliarde Euro, die die Konkursverwalter geltend macht.
Honorare in Millionenhöhe
Gusenbauer stand bis vor knapp einem Jahr an der Spitze der Aufsichtsgremien der wichtigsten Benko-Unternehmen. Über viele Jahre hinweg und bis zum Kollaps leitete er die Kontrollgremien der Signa Prime Selection sowie der Signa Development Selection AG. Diese beiden zentralen Gesellschaften des gezielt verschachtelten Signa-Konzerns sind seit Ende 2023 zahlungsunfähig, die Schulden belaufen sich auf einen zweistelligen Milliardenbetrag.
Der frühere SPÖ-Vorsitzende Gusenbauer war 2009, nur wenige Wochen nach seinem Rücktritt als Kanzler, ohne Karenzzeit in das Unternehmen des Finanzjongleurs gewechselt – ein Wechsel, der ihm finanziell zugutekam. Für eine Arbeitsleistung von einer Woche pro Monat erhielt der heute 64-jährige Altkanzler bereits damals ein Jahresgehalt in Höhe eines Kanzlersalärs von etwa 280.000 Euro, zuzüglich möglicher Bonuszahlungen. Zudem stellte Gusenbauer der inzwischen ebenfalls insolventen Signa Holding allein zwischen 2020 und 2023 Honorare von über zwölf Millionen Euro in Rechnung – angeblich für Leistungen im Zusammenhang mit den Schutzschirmverfahren rund um die deutsche Handelskette Galeria Karstadt Kaufhof. Was genau er hierfür erbrachte, ist bis heute nicht klar.
Aufsichtsräte haften solidarisch für ihr Handeln. Das bedeutet, dass neben Alfred Gusenbauer auch weitere prominente Mitglieder des Kontrollgremiums in die Ziehung genommen werden. Dazu gehört unter anderem der französische Benko-Investor Robert Peugeot, der ab 2019 eine Aufsichtsratsfunktion in der Signa Prime innehatte. Das Vermögen der Familie Peugeot wird auf mehrere Milliarden Euro geschätzt.
„Bierdeckel-Kalkulationen“ im Fokus
Im Zentrum der Vorwürfe gegen die Signa-Aufseher steht der mangelnde Überblick über die operative Geschäftsführung. So soll René Benko, der seit 2013 formal keine offizielle Managementposition innehatte, jedoch als faktischer Leiter der Gruppe galt, Gelder zwischen den verschiedenen Gesellschaften verschoben haben, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Ein besonders ins Auge fallender Punkt der Aufarbeitung ist eine Aufsichtsratssitzung aus dem Jahr 2014, die im luxuriösen Chalet N in Lech am Arlberg stattfand. Der damalige Vorsitzende Alfred Gusenbauer eröffnete diese Sitzung um 16 Uhr – und schloss sie bereits um 16.10 Uhr.
Im Schreiben der Insolvenzverwalter wird im Kern auch auf Recherchen von News und Krone aus dem Juli 2024 Bezug genommen. Darin wurden sogenannte „Bierdeckel-Kalkulationen“ als wesentlichem internen Planungssystem aufgedeckt. Ebenso wird in dem Schriftstück der Zeitpunkt der materiellen Insolvenz der Signa Prime Selection AG mit spätestens 31. März 2022 festgestellt. Also mehr als eineinhalb Jahre vor dem tatsächlichen Zusammenbruch.