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Benko habe an der Spitze der kriminellen Vereinigung mithilfe des Bozner Steuerberaters Heinz Peter Hager und des Unternehmers Paolo Signoretti aus der Stadt Rovereto gehandelt, hieß es aus der Trentiner Staatsanwaltschaft. Hager ist auch Vorstandschef der nach Benkos Tochter benannten Laura Privatstiftung.
Die italienische Behörde hat im Zuge ihrer umfassenden Ermittlungen einen Haftbefehl gegen Benko erlassen. Doch der einstige Multimilliardär muss weiterhin weder Festnahme noch Auslieferung befürchten. Formal muss über das "Ersuchen" der Italiener aber noch vom Haft- und Rechtsschutzrichter am Landesgericht Innsbruck entschieden werden. Dies dürfte voraussichtlich noch vor Weihnachten passieren, erfuhr die APA am Mittwoch.
Benko werde jedenfalls im Rahmen des angelaufenen "Übergabeverfahrens" nun zu einer Stellungnahme aufgefordert, sagte Landesgerichtssprecherin Birgit Fink zur APA. Da wohl zu erwarten ist, dass der Tiroler sich nicht freiwillig südlich des Brenners in Haft begibt, wird der Haftbefehl in Österreich nicht vollstreckt werden. Es bestehe schließlich eine im Verfassungsrang stehende Bestimmung, dass österreichische Staatsbürger wegen mutmaßlicher Delikte, wegen derer gegen sie auch im Inland ermittelt werden kann, nicht ausgeliefert werden dürfen, betonte Fink.
Nach der richterlichen Entscheidung ist wiederum die Innsbrucker Staatsanwaltschaft am Zug, die dann prüfen muss, inwieweit ein eigenes Ermittlungsverfahren gegen den insolventen Unternehmer wegen der gegen ihn in Italien erhobenen Vorwürfe eröffnet wird. Dies erklärte der Sprecher der Anklagebehörde, Hansjörg Mayr, der APA. Benko war am Dienstag vom Tiroler Landeskriminalamt einvernommen worden und blieb daraufhin auf freiem Fuß.
Benkos Anwalt zeigte sich am Mittwoch in einer Stellungnahme zuversichtlich, die Vorwürfe widerlegen zu können. "Unser Mandant wird die ihm erst jetzt bekannt gewordenen Vorwürfe sorgfältig prüfen und ist zuversichtlich, dass sie sich ihm gegenüber als inhaltlich unrichtig aufklären lassen. Allerdings fällt schon bei der ersten Durchsicht der Vorwürfe auf, dass rund 90 Prozent der Sachverhalte, zu denen die italienische Justiz ermittelt, keinen wie auch immer gearteten Bezug zu Signa, geschweige denn zu René Benko haben", teilte er der APA mit.
Insgesamt ermittelt die Staatsanwaltschaft Trient gegen 77 Personen, darunter fünf Südtiroler. Acht Personen wurden unter Hausarrest gestellt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen Korruption, krimineller Vereinigung, Betrug und Verletzung des Amtsgeheimnisses in Trient, Bozen, Verona, Brescia, Mailand, Pavia und Rom.
Die Leiterin der Abteilung für Stadtplanung in Bozen, Daniela Eisenstecken, soll im Verdacht stehen, ihr Amt genutzt zu haben, um Genehmigungen auszustellen, ohne sich dabei an die gesetzlichen Vorgaben zu halten, so die Ermittler. Sie soll eine wichtige Rolle in der mutmaßlich kriminellen Organisation gespielt haben. Sie soll auch "ein Dossier mit vertraulichen Informationen über Verwaltungsangestellte und öffentliche Bedienstete erstellt haben", um diese zu erpressen.
Laut den Ermittlern sollen die beteiligten Unternehmer öffentliche Aufträge durch die Gewährung von Gefälligkeiten, Geschenken und Geldzahlungen an Beamte und Verwaltungsmitarbeiter erschlichen haben. Die Ermittlungen gehen weiter. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.
In Reaktion auf die neuen Vorwürfe aus Italien äußerte sich am Mittwoch auch Vizekanzler und Beamtenminister Werner Kogler (Grüne): "Ich kann jetzt nicht genau sagen, was in Italien die Vorhalte sind. Die klingen üppig, aber ich kann das ja nicht überprüfen. Da sind wir ja mitten in der Mafia-Szenerie", sagte der Politiker am Rande einer Pressekonferenz in Wien. "Jedenfalls waren wir nicht mit dem Herrn Benko auf Partys, haben keine Hirsche geschossen. Vielleicht sollten sie diejenigen an der Nase nehmen, die sich in seinem Licht gesonnt haben, und dorthin ihre Fragen richten, ich werde mich gerne beteiligen. Vielleicht braucht's da auch noch einen U-Ausschuss."
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von Trient wegen mutmaßlicher Korruption und Bauspekulation betreffen auch den namhaften Südtiroler Unternehmer und SkyAlps-Chef Josef Gostner. Die Heliopolis AG im Eigentum des unter Hausarrest stehenden Trentiner Unternehmers Paolo Signoretti war mit den Arbeiten zur Erweiterung der Landebahn am Bozner Flughafen beauftragt. Zwischen den beiden soll laut den Ermittlern eine Abmachung bestanden haben, um "Prüfpersonal der italienischen Zivilluftfahrtbehörde Enac in die Irre zu führen, indem der tatsächliche Grundwasserspiegel im Bereich der durch die Flughafenerweiterung betroffenen Fläche verschleiert" worden sei. Infolge dieses Vorgehens soll Gostner die Genehmigung zum Ausbau der Landebahn erhalten haben.
Unter den 77 Personen, die Ziel der Nachforschungen der Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft Trient sind, befindet sich auch eine ehemalige Veroneser Stadträtin. Gegen diese wird wegen Manipulationen ermittelt. In Absprache mit anderen Verdächtigen - insbesondere Benko, Signoretti und Hager - soll sie den reibungslosen Ablauf der Ausschreibung für den Ausbau des Bahnhofs Verona Porta Nuova beeinflusst haben. Nach Rekonstruktion der Ermittler hätten Hager und Signoretti unter Ausnutzung von Informationen, die sie von der Verdächtigten erhalten hatten, im Namen der Signa-Gruppe ein Angebot erstellt, das die verschiedenen Ausschreibungsphasen durchlief und am 8. Oktober 2021 den Zuschlag erhielt.
Die im Trentino gewählte italienische Abgeordnete Alessia Ambrosi warnte indes vor den negativen Auswirkungen des Skandals auf die finanzielle Stabilität Italiens, da die Signa Holding bei italienischen Banken Kredite aufgenommen hatte. "Die Verlangsamung von Immobilienprojekten, wie z.B. dem Waltherpark in Bozen, und der Stopp von Auslandsgeschäften könnten schwerwiegende Auswirkungen auf die Beschäftigung, das lokale Wirtschaftsgefüge und die Wachstumsaussichten des Immobiliensektors haben", warnte die Abgeordnete aus den Reihen der Regierungspartei "Fratelli d'Italia" in einer Presseaussendung. Ambrosi reichte beim italienischen Finanzminister Giancarlo Giorgetti eine Anfrage zur finanziellen Situation der Signa-Gruppe ein.