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Schule: Wenn Lehrer den bösen Blick üben

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10 min
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In Österreich wird viel über Probleme an Schulen diskutiert. Ein Lösungsansatz könnte darin bestehen, Lehrerinnen und Lehrern besseres Handwerkszeug mitzugeben, damit sie auch in schwierigen Klassen gut zurechtkommen. Zu Besuch bei einem Fortbildungskurs in Wien

Die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer stehen einander paarweise gegenüber. Einer spielt die Lehrperson, der andere den Schüler. Die Aufgabe besteht darin, durch leichte Änderung der Körperhaltung und des Tonfalls zu signalisieren, dass es jetzt wirklich reicht und Ruhe einkehren soll. Von entspannt zu förmlich, sozusagen, und das in wenigen Sekunden. Lautwerden ist dabei nicht erlaubt, grinsen auch nicht.

Gar nicht so einfach, wenn man einer erwachsenen Person gegenüber steht, die alles gibt, um einen renitenten Teenager zu imitieren…

Fortbildungsreihe

Ein Bürogebäude in Wien, sechster Stock. Hier, im Hauptquartier von „Teach for Austria“, findet eine Lehrerinnenfortbildungsreihe statt, die der Verein gemeinsam mit der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/ Niederösterreich (KPH) organisiert.

Der Raum ist voll. Etwa 70 Lehrerinnen und Lehrer sitzen auf Hockern, Stühlen und anderen Sitzbehelfen, und lassen sich erklären, wie sie ihren Unterricht besser gestalten können. Von zwei Personen, die im Ruf stehen, zu wissen, was sie tun: Cecilia Cadman ist Trainerin bei „Teach for Austria“. Aron Marton, selbst „Teach for Austria“-Fellow, arbeitet an einer Wiener Mittelschule und als Referent an der KPH.

Effizienter Unterricht

Grundlage des Kurses ist „Teach like a Champion“ von Doug Lemov, ein in gewissen Kreisen fast kultisch verehrtes Buch (siehe Seite 31), das 63 Techniken beschreibt, die Lehrerinnen und Lehrern dabei helfen sollen, effizienteren Unterricht gestaltet. „Teach for Austria“ arbeitet schon seit Jahren mit diesen Methoden, und schafft es so, Quereinsteiger ohne pädagogischen Background innerhalb weniger Wochen so weit zu bringen, dass sie in einer Klasse selbstbewusst bestehen können. Jetzt sollen diese Strategien auch in den Regelbetrieb Einzug halten, wünscht sich die KPH, allen voran Roland Bernhard, Professor für Schulentwicklung, Leadership und Führungskultur an der Pädagogischen Hochschule.

Im Zentrum dieser Bemühungen steht die Fortbildungsreihe „Unterrichten wie ein Champion“. Dazu kommt ein kostenloser Onlinekurs und die „School Quality Academy“ auf YouTube. Lehrerinnen und Lehrer, die besonders interessiert sind, können erweiterte Schulungen besuchen, um ihr Wissen an anschließend an Kollegen weiterzugeben. Grundlage der Fortbildungsformate bildet das Forschungsprojekt „School Quality and Teacher Education“ an der KPH Wien/ Niederösterreich.

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Schulexperten

Aron Marton (links), Cecilia Cadman (Mitte) und Roland Bernhard (rechts) mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern des von der KPH und „Teach for Austria“ organisierten Kurses „Unterrichten wie ein Champion“. Zusätzlich gibt es einen gleichnamigen, kostenlosen Onlinekurs und die „School Quality Academy“ auf YouTube.

 © Teach for Austria/OTS

„Unterrichten ist ein Handwerk, bei dem man besser werden kann. Genau an diesem Punkt setzen wir an“

Aron Marton

Starke Stimme

Zurück zur „starken Stimme“. So heißt die Technik, die an diesem Nachmittag geübt wird. In Doug Lemovs Buch trägt sie die Nummer 58 und wird ausführlich beschrieben. Irgendwas mit Beständigkeit, Selbstkontrolle und nonverbaler Kommunikation. „Im Grund geht es ­darum, den bösen Lehrerinnenblick zu üben“, fasst Aron Marton lachend zusammen. Vor allem junge Lehrerinnen würden oft den Fehler machen, zu freundlich zu schauen, wenn sie eine Ermahnung aussprechen. „Und dann wirkt es natürlich nicht. Im Unterricht ist aber niemand dabei, der sie darauf hinweisen kann. Darum arbeiten wir mit ihnen daran: ,Senke den Blick, hör auf zu lächeln …‘ Damit die Botschaft auf allen Ebenen eindeutig ist.“

Forscher bezeichnen das, was er und seine Kollegin Cecilia Cadman vermitteln, als „Classroom Management“, Klassenführung. Im angloamerikanischen Raum ein großes Thema, in Deutschland und Österreich vernachlässigt – vielleicht, vermutet der Bildungswissenschaftler Andreas Helmke, weil das Wort „führen“ einen unguten Beigeschmack hat.

Man kann es aber auch viel einfacher ausdrücken. „Oft wird bekrittelt, dass die neue Lehrer:innenausbildung zu ­wenig Praxiszeit beinhaltet,“ erzählt Aron Marton. „Man beobachtet und reflektiert viel im Studium, lernt das Handwerk aber zu wenig. Darum geht es: Unterrichten ist ein Handwerk, bei dem man besser werden kann. Genau an diesem Punkt setzen wir an.“

London Challenge

Vor allem für sogenannten „Brennpunktschulen“ – Schulen in herausfordernden Lagen – kann besseres Classroom Management ein entscheidender Faktor sein, ist Roland Bernhard überzeugt. Die berühmte London Challenge, bei der es gelang, zahlreiche Problem- in Vorzeigeschulen umzuwandeln, war nicht nur, aber auch wegen Bemühungen im Bereich der Klassenführung ein großer Erfolg. Die Ergebnisse standardisierter Leistungstests gingen steil nach oben. 2003, als das Programm präsentiert wurde, schafften keine zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler dieser „Failed Schools“ den Übertritt in die nächsthöhere Stufe, zwölf Jahre später waren es über 70 Prozent.

Auch das Wohlbefinden der Lehrerinnen und Lehrer steigt, wenn sie sich im Klassenzimmer kompetent fühlen, erklärt Bernhard (siehe Interview auf Seite 31): Junge Lehrkräfte seien vor allem in den ersten Jahren emotional stark belastet. „Daher geben wir ihnen in Fortbildungen Werkzeuge in die Hand, die ihnen helfen, selbstwirksam zu werden.“ Eine Strategie, die auch gegen den Lehrermangel helfen könne.

Arbeit an den Wurzeln

Der Kurs von KPH und „Teach for Aus­tria“ scheint jedenfalls gut anzukommen. Im Feedback-Bogen ist anschließend nachzulesen: „Ich fühle mich viel kompetenter, seitdem ich konkrete Techniken gelernt habe und diese auch im Unterricht umsetze.“ Und, etwas differenzierter: „Ich finde die Ideen und Techniken toll, sie umzusetzen erfordert jedoch einiges an Motivation und Disziplin. Seine automatisierte persönliche Arbeitsweise zu ändern, ist ein Prozess, zu den man bereit sein muss. It’s not a quick fix pill! Aber gerade deswegen wohl auch so effektiv! Es wird an den Wurzeln gearbeitet. Ich finde, es ist eine gewinnbringende Herausforderung.“

Roland Bernhard

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr.06/2025 erschienen.

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