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Arbeiten im Schlachthof

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Mitarbeiter treiben Schweine durch extrem schmale Gänge, Elektroschocks betäuben das Schlachtvieh, die Tiere schreien in Todesangst. Es folgt die Betäubung durch CO2-Gas. Das geht nicht ohne qualvolle Erstickungskrämpfe der Tiere vor sich. In Einzelfällen landen die Tiere sogar noch lebend im kochend heißen Brühkessel. Für Schlachthofmitarbeiter, die direkt mit den Tieren arbeiten, ist das tägliche Routine. Was macht das mit der Psyche der Mitarbeiter? Stumpft man mit der Zeit ab? Und wer macht diese schwere Arbeit?

Geringer Lohn für schwere Arbeit

Die Arbeit im Schlachthof ist nicht gerade gut bezahlt. Ein regulärer österreichischer Arbeitnehmer im Fleischergewerbe, zu dem auch ein Schlachtarbeiter zählt, verdient laut entsprechendem Kollektivvertrag um die 1.600 Euro brutto im Monat (circa 1.200 Euro netto). Doch häufig werden die Arbeiter gar nicht nach Kollektivvertrag bezahlt, sondern über Subunternehmen auf Werkvertragsbasis angeheuert, wie Erwin Kinslechner von der zuständigen Gewerkschaft Pro-Ge mitteilt. Das Wort Lohndumping geistert durch die Branche. In Schlachthöfen arbeiten laut Gewerkschaft immer weniger Fachkräfte, dafür steigt die Zahl der angelernten Arbeitnehmer und Werkvertragsarbeitnehmer. Letztere sind meist ungelernte Arbeiter und verdienen zwischen 1.000 und 1.300 Euro brutto. Sie kommen großteils aus Osteuropa, vor allem Ungarn. Steuer und Sozialversicherung müssen sie im jeweiligen Heimatland bezahlen, meist deutlich weniger als in Österreich. Nachtzuschläge und Überstunden werden oft gar nicht ausbezahlt. Die Werkvertragsarbeitnehmer beschweren sich nicht, weil sie in Österreicher immer noch besser verdienen als in ihrem Heimatland. Für die Gewerkschaft ist das eine problematische Situation.

Mit lebenden Tieren arbeiten nach Angaben der Gewerkschaft fast nur ungelernte Arbeiter.

Der psychische Leidensdruck

Das tägliche Schlachten oder Betäuben von Tieren "stellt eine potentiell belastende Tätigkeit dar", sagt Arbeitspsychologe Cornel Binder-Krieglstein. Das sei in etwa vergleichbar mit der Arbeit eines Rettungssanitäter oder Leichenwäschers. Das tägliche Töten oder Betäuben von Tieren führe aber nicht automatisch zur Verrohung oder emotionalen Abstumpfung. "Jemand, der tägliche eine hochfrequente Standardprozedur durchführt, für den muss diese Tätigkeit nicht unbedingt psychisch belastend sein", sagt Binder-Krieglstein. Der Arbeiter sei dann sehr auf die Arbeitsschritte und deren reibungslosen Ablauf konzentriert und weniger auf das Tierleid. Jeder habe einen eigenen Zugang zu seiner Arbeit und entwickle eigene Strategien, um damit umzugehen.

In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Marcel Sebastian, Lehrbeauftragter am Institut für Soziologie an der Universität Hamburg. Er hat für seine Dissertation die Arbeitssituation von Schlachthofarbeitern untersucht und Interviews mit Schlachthofarbeitern aus kleinen und großen deutschen Betrieben geführt. Um mit den Ambivalenzen ihrer Arbeit umgehen zu können, haben viele Arbeiter Strategien entwickelt: Die ständige Wiederholung einer Tätigkeit führt zu einer gewissen Routine, der Blick ist sehr auf die Arbeit fokussiert, das Unbehagen nimmt ab und das Gefühl der Normalität steigt. Es passiert ein "Verinnerlichungsprozess, die Handlung wird neutralisiert", so Sebastian. Das einzelne Tier als Lebewesen werde dabei einerseits völlig ausgeblendet, andererseits sei den Schlachthofarbeitern wichtig, dass ihr Umgang mit den Tieren als tierschutzgerecht und respektvoll wahrgenommen wird. So hätten viele Arbeiter in den Interviews betont, keine Tierquäler zu sein. Nur eine sehr geringe Zahl der Mitarbeiter sei psychisch belastet oder habe einen Lustgewinn beim Töten oder gar Quälen, vielmehr lege die strukturelle Logik des Schlachtbetriebs bestimmte Verhaltensmuster nahe, teilt Sebastian mit.

Ein Beispiel dafür kann sein: Ein Schwein will nicht weitergehen und hält dadurch den Arbeitsprozess auf. Für den Mitarbeiter bietet es sich aufgrund der Rahmenbedingungen dieses Arbeitsplatzes an, das Tier mit Schlägen oder Elektroschocks weiterzubewegen, weil ihm das reibungslose Funktionieren wichtiger erscheint als das Leid des Tieres.

Für den Arbeitspsychologen stellt sich vor allem die Frage: Wie kommt der Arbeiter zu der Entscheidung diese Tätigkeit anzunehmen? Ist es sein Traumberuf? Oder übt er die Arbeit nur aus, weil er das Geld braucht? Hat er finanziell betrachtet vielleicht keine andere Möglichkeit? "Je enger die Wahlmöglichkeiten sind, desto höher wird das Risiko psychisch zu leiden", teilt Binder-Krieglstein mit. Auch die fachliche Ausbildung spielt für ihn eine Rolle. Je kürzer die Ausbildung dauere, desto weniger Strategien habe der Mitarbeiter zur Hand, um bei Ausnahmesituationen das Gefühl zu haben, sicher und gut reagieren zu können.

Schlachthofmitarbeiter schildern ihre Erfahrungen

Und was sagen die Schlachthofmitarbeiter selbst? Im deutschsprachigen Raum haben sich vereinzelt aktive Schlachtarbeiter und ehemalige Mitarbeiter in veröffentlichten Interviews über ihre Arbeit geäußert.

Im März 2015 hat sich eine ehemalige Mitarbeiterin eines großen Schlachhofs aus Deutschland gegenüber der "Albert Schweitzer Stiftung" geäußert: "Es werden nur selten Verstöße dokumentiert und wenn doch, dann nur, um eine realistische Dokumentation vorzuweisen", sagt sie. Eine Lebendbeschau durch den Tierarzt erfolge selten bis nie. "Bei den Schweinen kommt es vor, dass die Tiere nur leicht betäubt oder wieder bei vollem Bewusstsein in der Brühmaschine landen. Ich schätze bei 20 Prozent der Tiere ist das der Fall", schildert sie weiter. Und über die psychische Belastung meint die Ex-Mitarbeiterin: "Eine Verrohung und Gewöhnung findet natürlich statt. Dies kann ich ja selbst bei mir beobachten. Ich habe mich auch an den Anblick des vielen Blutes, der abgehackten Beine und Schwänze gewöhnt."

Ein Kopfschlächter hat dem deutschen Magazin "Freiheit für Tiere" im Jahr 2010 erzählt, warum er ausgestiegen ist: "Ich konnte die Bilder nicht mehr sehen: "Wie die Tiere abgestochen wurden, abgeschossen und wie sie bei lebendigem Leib aufgeschnitten wurden. (...) Viele Kopfschlächter sind Alkoholiker, und die gehen mit den Tieren um, als wären sie der letzte Dreck."

In ihrem Buch "Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen" zitiert Melanie Joy, Professorin für Psychologie und Soziologie an der Universität von Massachusetts in Boston, einige Aussagen von Schlachthofmitarbeitern. Sie sprechen ebenfalls von psychischer Belastung und der Auswirkung über die Arbeit mit den zu schlachtenden Tieren. "Ich habe den Druck und Frust von der Arbeit an den Tieren ausgelassen", schildert ein Arbeiter. Ein anderer sagt: "Die meisten Stecher haben schon einmal wegen Körperverletzung eingesessen. Viele haben Alkoholprobleme."

Wenn jemand den Job dauerhaft ausführen muss, die Arbeit eigentlich nicht machen will und darunter leidet, dann "kann es dazu führen, dass die psychischen Belastungen zunehmen", so Binder-Krieglstein. Er beschreibt den Idealzustand eines Arbeiters mit dem Fachbegriff der professionellen Distanz. Das bedeutet, dass der Arbeiter mitfühlt, ohne mitzuleiden. Abseits von der professionellen Distanz gibt es laut dem Experten zwei Extreme: Wenn der Arbeiter sich mit den Tieren zu sehr identifiziert und keinem Schwein oder keiner Kuh etwas zuleide tun will, dann wird er diese Arbeit nicht ausführen können. Gefährlich ist aber auch die völlige Gleichgültigkeit gegenüber dem Tier, denn das könnte dazu führen, dass der Arbeiter die Tiere schlecht oder abfällig behandelt.

In Österreich ist das Thema bisher noch weniger erforscht als in Deutschland. Der Arbeitspsychologe plädiert für eine Evaluierung der potentiellen Arbeitsbelastung von Schlachthofmitarbeitern. Doch gibt es für diese Berufssparte in Österreich überhaupt eine gezielte psychologische Betreuung oder Evaluierung? Dem Berufsverband Österreichischer Psychologen (BÖP) sind zumindest keine offiziellen Erhebungen bekannt. Dass es vereinzelt Arbeitspsychologen gibt, die Evaluierungen für einen Betrieb durchführen, will der Berufsverband aber nicht völlig ausschließen.

Fakt ist: Während Arbeitsbedingungen und Zustände in Schlachthöfen in Deutschland bereits ein großes Thema sind, gibt es in Österreich dazu noch fast gar keine Untersuchungen. Um Lohndumping und Tierleid zu unterbinden, muss auch hierzulande genauer hingeschaut werden.

* Kopfschlächter betäuben die Tiere, hängen sie auf und durchtrennen die Hauptschlagadern.

Wie grausam es in Österreichs Schlachthöfen zugeht und welcher Fleischhauer in Wien noch selbst schlachtet, lesen Sie im im aktuellen News im Zeitschriftenhandel oder als E-Paper Version.

Weiterführende Links:

  • News wurde Videomaterial zugespielt, das erschreckende Zustände in Österreichs Schlachthöfen zeigt. Hier geht es zum Video.
  • Das Interview der "Albert Schweitzer Stiftung" mit einer Schlachthausmitarbeitern lesen Sie hier.

Kommentare

Mit Facebook verbindenOberonMo., 16. Nov.. 2015 17:36melden

Tierärzte sollten sich daran erinnern, WARUM sie Veterinärmedizin studiert haben, und daher alle von ihnen entdeckten Missstände den Behörden melden. Diese sollten sofort handeln, nicht nur in extremen
Situationen. Einsetzen von auswärtigem Personal wäre empfehlenswert, um keine Interessenskonflikte oder
Bevorzugungen hervorzurufen!
Nur gelernte Fachkräfte sollten sollten in Schlachthöfen ...

OberonMo., 16. Nov.. 2015 17:44melden

... eingesetzt werden, keine Billigarbeitskräfte aus dem Osten. Kontrollen, was die Betäubung der Tiere angeht, damit sie nicht unnötig Schmerzen erleiden müssen. Auch der Stress sollte vermindert werden...
Es gehört noch viel gemacht im Tierschutz. WER packt's an?

* Ich habe für die Tiere unterschrieben. Bitte alle mitmachen, denen sie am Herzen liegen!

WergznaseDo., 19. Nov.. 2015 08:41melden

Eine hehre Forderung. Nur was wird passieren, wenn all diese Wünsche und Vorgaben umgesetzt würden ? Das hiesige Fleisch wird erheblich teurer und die Konsumenten kaufen sodann ihr Fleisch aus dem Ausland, wo noch weniger tierschutzgerecht als hier und jetzt produziert wird. Die einzigen Folgen die Sie damit tatsächlich erreichen würden wären also mehr Arbeitslosigkeit hier und mehr Tierleid dort.

Als Adoleszenter ist man schnell idealistisch, will die Welt verbessern und hat tausende Ideen. Mit zunehmender Reife wurde man nicht zum "schlechteren Menschen", sondern hat vielmehr erkannt, dass die adoleszente Sicht doch etwas naiv war und sich Idealismus mit der Realität nicht so ohne Weiteres vertragen. Die vermeintlichen Interessen der Tiere bzw vielmehr die Interessen der Tierschützer sind nur einer von vielen Teilen des Gesamten.

Leo ChavandMo., 05. Feb.. 2018 11:51melden

@Wergznase
Klingt natürlich schlüssig (nach Gesetzesverschärfung Import von Fleisch), muss aber keine zwangsläufige Bedingung sein. Diese Argumentation findet in vielen Bereichen Anwendung aber man macht es sich, meiner Meinung nach, mit der Methode "Wenn wir es nicht hier machen - wird es woanders gemacht" zu einfach. Sich als Gesellschaft immer den Gesetzen und Mechanismen des Marktes...

Leo ChavandMo., 05. Feb.. 2018 12:00melden

zu beugen ist nicht immer alternativlos. Aber einfach davon auszugehen eine Volkswirtschaft ist generell ein gieriges Volk von Schnäppchenjägern ist natürlich eine dankbarere Basis für die einfache Argumentation. Und auch wenn eine "realistische" Einschätzung wichtig ist, bitte nicht die allgemeine Idee eines Ideals unterschwellig als unreif abtun. Ideale sind wichtig!

Mit Facebook verbindenchristian95Mo., 16. Nov.. 2015 11:16melden

Österreich hat 9 verschiedene Tierschutzgesetze! 92 hochbezahlte Regierungsmitglieder und über 770 Abgeordnete. - Und niemand fühlt sich zuständig!
Noch so ein Beispiel: Die Bundesregierung streitet seit Jahren über eine Bildungsreform. Nun gibt es eine Rot-Grüne Koalition in Wien. Auf einmal wollen die Grünen für Wien eine eigene Bildungsreform..

christian95Mo., 16. Nov.. 2015 13:17melden

Um diese aufgeblähte Verwaltung zu finanzieren, müssen wir immer höhere Steuern bezahlen. Jedes Bundesland hat sogar seinen eigenen "Staatsfunk".

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