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Wie konnte Ryanair Europa erobern?

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Michael O´Leary bei einem Fototermin für Ryanair.

©IMAGO / Italy Photo Press
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Michael O´Leary hat Ryanair vom belächelten Billigflieger zur größten Fluggesellschaft Europas gemacht. Die irische Airline überzieht mit einem dichten Netz an Verbindungen und wächst auch in Österreich. Welche Strategie steckt dahinter und was kann die Iren jetzt noch stoppen?

© IMAGO / Panthermedia
Ryanair

Ryanair ist eine irische Fluggesellschaft, die 1985 von Tony Ryan und zwei Partnern gegründet wurde. Sie hat ihren Hauptsitz in Dublin und ist bekannt für ihre Billigflüge. Die Kosten wurden minimiert, indem auf zusätzliche Dienstleistungen verzichtet wurde.

Im Jahr 1993 übernahm Michael O'Leary die Leitung von Ryanair. Mittlerweile zählt die Fluggesellschaft zu den größten Europas. Ryanair ist in rund 37 Ländern vertreten und fliegt 235 Flughäfen an. Am Tag werden rund 3.600 Flüge durchgeführt (Stand 2024).

Ryanair hat in ihrer Geschichte keinen tödlichen Unfall verzeichnet, was sie in der Branche bemerkenswert macht.

https://www.ryanair.com
37
Länder
235
Flughäfen
3.600
Flüge am Tag

Worum geht es?

Ryanair-Chef Michael O´Leary überzieht Europa mit Billigflügen, die oft gar nicht so billig sind. Es geht bei seinen Angeboten darum, günstig und rasch von A nach B zu kommen – alles andere kostet extra.

Warum betrifft uns das?

Die Iren haben mit ihrem Fokus auf niedrige Kosten und schräges Marketing etablierte Airlines überholt und wachsen munter weiter. Das Flugnetz in Europa wird immer dichter, aber auch die Kritik von Klimaschützern wächst.

Und jetzt?

Die Jagd auf Billigflüge ist eine Selbstverständlichkeit, Ryanair hat sich daher hohe Ziele gesteckt. Es gibt aber einige Fragezeichen, etwa neue Klimaschutzvorgaben, steigende Ticketpreise und Lieferschwierigkeiten.

Erfolgsfaktoren von Ryanair

Wie schaffte es Ryanair zur größten Airline in Europa? Der Erfolg ruht auf mehreren Säulen, am wichtigsten sind niedrige Kosten. Auffällig ist das rasante Wachstum nach der Pandemie: Während die Konkurrenz nur langsam aus den Startlöchern kam, war Ryanair längst in luftigen Höhen.

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1 Der Chef

Der Erfolg von Ryanair ist nahezu ausschließlich das Werk von Michael O’Leary, der seit 1993 Vorsitzender der Billigfluggesellschaft Ryanair ist – die längste Amtszeit für einen angestellten CEO einer großen Fluggesellschaft. Das Markenzeichen des 63-Jährigen Iren: die Provokation. Um Aufmerksamkeit zu erregen, liebäugelte er in der Vergangenheit mit einem Flugverbot für Übergewichtige, Toilettengebühren auf Flügen und mit Stehplätze in Flugzeugen. Wohl-wissend, dass die Ideen keine Chance auf Umsetzung haben. „Das Lustige, was wir im Laufe der Jahre gelernt haben, ist, dass die schlechte Publicity viel mehr Plätze verkauft als die gute. Viele Leute, die noch nie etwas von Ryanair gehört haben, googeln es plötzlich und sagen: ‚Mensch, sieh dir die Flugpreise an.‘“, sagtte er in einem Interview mit dem Wall Street Journal. O‘Leary selbst hält einen Anteil von knapp vier Pr0zent an Ryanair. Der Wert: rund 1,1 Milliarden Euro.

2 Kosten

„Das Geheimnis von Ryanair sind Kosten, Kosten, Kosten. Nur wenn wir unsere Kosten unter Kontrolle haben, können wir unseren Passagieren günstige Preise anbieten“, erklärt Andreas Gruber, Chef von Laudamotion und bei Ryanair für Österreich verantwortlich. Mit 34 Euro Betriebskosten je Passagier (ohne Treibstoffkosten) liegt Ryanair heute deutlich vor den anderen Billiganbietern; Wizz kommt auf rund 47 Euro, EasyJet auf 79 Euro. Rein in den Flieger, raus aus dem Flieger – alles muss so rasch wie möglich gehen, um die Jets kurz am Boden zu halten. Dazu kommt eine hohe Auslastung (zuletzt bei rund 94 Prozent) und Nutzung von Flughäfen, die günstiger sind: In London fliegt Ryanair traditionell nach Stansted, nicht nach Heathrow oder Gatwick.

3 Europa

Europa, dazu ein wenig Nordafrika und Naher Osten – die Karte mit allen Ryanair-Routen ist nicht allzu groß. Allerdings ist dieses Netz dicht und ständig kommen neue Routen dazu. „Langstrecke ist momentan nicht geplant, weil die Vorteile einer Low-Cost-Operation auf der Langstrecke nicht funktionieren“, erklärt Andreas Gruber. Wachstum erfolgt aber vor allem in Europa – so werden derzeit rund 100 Millionen Euro in den Flughafen Triest investiert, von wo bereits 16 Destinationen angeflogen werden. Wie bei anderen kleineren Flughäfen nutzt Ryanair das Entgegenkommen der Politik: Triest wurde erst nach einer Steuersenkung attraktiv.

4 Preispolitik

Ryanair, oft als Billigflieger bezeichnet, bietet zweifellos attraktive Preise. Bei genauerer Betrachtung sind aber im Regelfall nur die ersten Plätze für einen bestimmten Flug wirklich billig, später wird es teurer. Außerdem werden alle Extras wie Aufgabegepäck oder Check-in am Flughafen verrechnet, im Flugzeug wird sogar eine eigene Lotterie durchgeführt. Auch wer früher an Bord will, muss zahlen.

5 Partnerlos

Allianzen gelten in der Luftfahrtbranche traditionell als unverzichtbar. Für Ryanair, das keine Langstreckenflüge anbietet, ist das kein Thema – es wird keine Fluganbindung über das Ziel hinaus benötigt. Auch auf Reisebüros wurde traditionell verzichtet, weil Passagiere nur direkt buchen sollten. Vor kurzem wurde der Bann von Online-Reisebüros aufgehoben, nun können unter anderem über Expedia Ryanair-Flüge gebucht werden.

6 Mut

Während der Pandemie sind Tourismus und Luftfahrt eingebrochen, auch Ryanair blieb am Boden. Doch rascher als die Konkurrenz konnte man vom Aufholbedarf der Reisenden profitieren, auch weil mitten in der Krise in neue Flugzeuge investiert wurde. Das erforderte unternehmerischen Mut, der sich bisher bezahlt gemacht hat.

Marketing: Auffällig witzig

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Marketing: Auffällig witzig

 © IMAGO / Italy Photo Press

Es gibt keine guten oder schlechten Nachrichten – es gibt nur Aufmerksamkeit. Nach diesem Motto lässt Ryanair-Chef Michael O´Leary in regelmäßigen Abständen provokante Sprüche los. Mal richten diese sich gegen europäische Politiker, mal gegen Umweltschützer, mal gegen die Konkurrenz. In Kombination mit Auftritten in mehr oder weniger witzigen Verkleidungen ergibt das das Bild eines Managers, der sich radikal von den gediegenen Führungskräften der Branche abhebt. Dahinter steckt aber keineswegs verhaltensauffälliges Getue, sondern Taktik: Ryanair ist anders, in jeder Hinsicht. Grell, grob, günstig – so läuft auch das Marketing.

Sarkasmus und Humor

Eine Rolle spielt dabei Humor. Auf Plattformen wie X (vormals Twitter) wird auf Fragen, Lob, Beschwerden und Kritik auf witzige und provokante Art und Weise geantwortet. Auch TikTok wird genutzt, um auf sarkastische Weise zu reagieren: Sprechende Ryanair-Flugzeuge machen sich dort schon mal über die eigenen Passagiere lustig: „Auch wenn sie sich dauernd beschweren – sie fliegen dann doch wieder mit mir.“ Laut dem ehemaligen Social-Media-Verantwortlichen steht dabei der Fokus auf die Zielgruppe im Vordergrund – man könnte ruhig 80 Prozent abschrecken, wenn man genau jene 20 Prozent anspricht, auf die es ankommt. Laut Marketingexperten hat es Ryanair wie kaum ein anderes Unternehmen geschafft, Humor in seine Strategie zu integrieren und wurde auch damit zu einer der bekanntesten Marken im Tourismus. Die Abgrenzung von etablierten Branchen gehört ebenfalls dazu – Ryanair tut erst gar nicht so, als müsste Fliegen bequem und gemütlich sein. Im Fokus stehen preisbewusste, vor wiegend jüngere Reisende. Wichtig ist auch die Verwendung von Kundendaten, um via Internet individuelle Angebote anzubieten; ebenso setzt Ryanair auf häufige Sonderangebote und einfache Buchungsmöglichkeiten über die Website.

Ryanair – der Weg zu Europas größter Airline

Das rasche Wachstum von Ryanair hat die Konkurrenz überrascht, nach der Pandemie ging es für die irische Airline rasant nach oben. Österreich spielt dabei eine zentrale Rolle.

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Quelle: Ryanair; Geschäftsjahr von April bis März 2023/24

 © News
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 © News

Vorstand der Flughafen Wien AG: „Zwei Minuten sind bei 25 Minuten viel“

Warum Ryanair darauf besteht, dass die linke vordere Flugzeugtür als Erstes geöffnet wird, welche Rolle zwei Minuten spielen und welchen Stellenwert Ryanair für den Wiener Flughafen hat, erklärt Vorstand Julian Jäger:

Seit wann fliegt Ryanair Wien an?

Unter der Marke Ryanair seit etwa 2020. Das Low-Cost-Wachstum in Wien hat begonnen, nachdem Air Berlin pleitegegangen ist. Die hatten damals etwa 20 Prozent Marktanteil. Nach dem Konkurs von Air Berlin und damit auch von Niki, der damaligen Airline von Niki Lauda, gab es ein sehr großes Interesse am Wiener Markt, unter anderem von der Gruppe rund um British Airways. Niki Lauda hat dann seine Airline zurückgekauft und als Lauda ein halbes Jahr später an Ryanair verkauft. So ist Ryanair an den Standort gekommen und hat aktuell einen Marktanteil von rund 20 Prozent.

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JULIAN JÄGER ist seit September 2011 im Vorstand der Flughafen Wien AG

 © Flughafen/Hofer/OTS

Gekommen, um zu bleiben?

Der Wiener Markt ist für Low-Cost-Carrier durchaus attraktiv: Unser Einzugsgebiet umfasst rund 24 Millionen Menschen, von denen viele über den Flughafen Wien zu Feriendestinationen oder Städtezielen reisen. Gleichzeitig ist Wien als Tourismusdestination international sehr gut etabliert. In beide Richtungen bieten Low-Cost-Airlines sehr gute und günstige Reisemöglichkeiten.

Ryanair plant einen massiven Ausbau des Streckennetzes und will bis 2026 jährlich mehr als 200 Millionen Passagiere befördern. Was hätte der Flughafen Wien gerne noch von diesem Kuchen?

Der Flughafen Wien hat sich nach der Pandemie sehr schnell wieder erholt, wir erwarten insgesamt heuer rund 30 Millionen Passagiere, vielleicht auch etwas mehr. Damit liegen wir bereits sehr nahe am Niveau des Rekordjahres 2019. Ryanair hat seit dieser Zeit stark zugelegt und stabil 18, 19 Flugzeuge in Wien. Wir werden uns nicht dagegen wehren, wenn das ausgebaut wird, aber ich erwarte mir kein extremes Wachstum. Für uns ist wichtig, dass alle Airline-Kunden in Wien Geld verdienen – und vergangenes Jahr war sowohl für die Austrian als auch für die Ryanair ein gutes Jahr in Wien.

Wie sehr macht Ryanair Druck auf den Flughafen Wien?

Wir haben über die Jahre eine exzellente operative Zusammenarbeit mit Ryanair, auch wenn wir sehr oft hören, dass wir einer der teuersten Flughäfen in ihrem Netzwerk sind. Das gehört dazu, auch wir sind als börsennotiertes Unternehmen gewinnorientiert und würden unser Geschäft wohl schlecht betreiben, wenn wir zu günstig wären. Im Rahmen ihrer Strategie, Kosten und Ertrag möglichst zu optimieren, ist Ryanair extrem innovativ. Viele der heutigen Services, vor allem im digitalen Bereich, hat der Low-Cost-Sektor, allen voran Ryanair, hervorgebracht. Ryanair pusht auch uns und zwingt uns, besser zu werden.

Das heißt in der Praxis?

Der Turnaround eines Flugzeugs, also die Prozesse von der Ankunft bis zum nachfolgenden Start eines Flugzeugs inklusive Aussteigen der Passagiere, Gepäcksentladung, Reinigung, neuerlichen Beladens und Boarding der Passagiere dauert in Wien etwa 40 bis 45 Minuten, und das ist schon recht schnell. Ryanair will, dass das nur 25 Minuten dauert. Eine Kritik dabei war, dass der erste Passagier zu spät aussteigt. Also haben wir das Prozedere „Left First“ entwickelt, das Ryanair in der Zwischenzeit in ihrem ganzen Airline-Netzwerk vorgibt. Dabei wird die linke vordere Tür als Erstes geöffnet, mit allen damit verbundenen Abläufen am Boden wie dem Andocken der Passagiertreppe. Bei Austrian ist wiederum am wichtigsten, dass das Gepäck als Erstes ausgeladen wird, weil viele Transferpassagiere an Bord sind, die binnen 25 bis 30 Minuten von einem AUA-Flieger in den nächsten umsteigen. Das heißt, auch das Gepäck muss in dieser Zeit umgeladen werden. Allein durch dieses „Left First“-Prinzip haben wir zwei Minuten eingespart. Zwei Minuten sind bei 25 Minuten viel, die würde man auch nicht mehr aufholen. Denn wenn der erste Passagier zwei Minuten später aussteigt, kann der neue Passagier erst zwei Minuten später einsteigen. Und das spürt man beim Abflug und bei der späteren Rotation.

O’Leary kritisiert, dass er für Leistungen zahlen muss, die er ja gar nicht braucht. Berechtigt?

Ryanair hat auch ihre Strategie angepasst. Vor zehn, 20 Jahren wären sie auf einem Flughafen wie Wien nicht gelandet. Inzwischen sehen sie, wenn sie weiterwachsen wollen, brauchen sie die großen Einzugsgebiete. Ich würde mir Sorgen machen, wenn sich Ryanair nicht über unsere Tarife beklagt, weil dann wären wir wohl zu günstig. Letztendlich ist die Ryanair die größte Airline in Europa, hat eine klare Strategie und setzt diese Strategie recht erfolgreich um. Egal, ob man das mag oder nicht, ob man das Produkt mag oder nicht, das muss man anerkennen.

Das Schmuddelimage ist weg, oder?

Vor allem für kleinere Flughäfen ist der Low-Cost-Sektor mit Airlines wie Ryanair oder Wizzair wichtig, wenn sie wachsen wollen.

Wiener Partie

Die Nummer eins in Österreich werden – das ist das erklärte Ziel von Michael O´Leary. Derzeit kommt Ryanair nach eigener Einschätzung auf einen Marktanteil von rund 20 Prozent und hat vor kurzem neue Routen aufgenommen, unter anderem nach Split und Tirana. Heuer wird Ryanair in Österreich auf sieben Millionen Passagiere kommen. „Seit Covid sind wir hier um 160 Prozent gewachsen“, sagt Andreas Gruber (Bild). Noch ist die AUA aber weit vorne und kommt laut Flughafen Wien auf einen Marktanteil von knapp 50 Prozent.

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Andreas Gruber, CEO von Laudamotion

 © EVA MANHART/APA/picturedesk.com

Neben Wien bedient Ryanair auch von Linz, Salzburg und Klagenfurt. Die Airline ist seit 2001 in Österreich aktiv, richtig los ging es 2018 mit dem Einstieg bei der damaligen Laudamotion (Nachfolger von Niki), die kurz danach komplett übernommen wurde. Bisher wurden rund 25 Millionen Passagiere von und nach Österreich transportiert. Inzwischen sind in Wien 19 Flugzeuge der Fluggesellschaft stationiert. „Es gibt also noch zwei große Homecarrier in Wien, die AUA und uns“, sagt Gruber.

Dabei ist das Verhältnis zwischen Flughafen und Ryanair nicht so einfach: Wien sei im Vergleich zu anderen Flughäfen einer der teuersten. Die durchschnittlichen Flughafengebühren liegen bei acht Euro pro Passagier, in Wien sei dieser Wert um ein Vielfaches höher. „Wir sagen ganz klar, dass die Kosten uns hier deutlich zu hoch sind“, sagt Gruber. Man sehe sich das Wien-Programm daher genau an, weil diese Preise des Wiener Flughafens nicht zu den niedrigen Flugpreisen passen würden. Es ist eben das typische Spiel, selbst wenn der Wiener Flughafen wegen der AUA nicht über jede Schmerzgrenze hinausgehen gehen muss.

Wachstumskaiser bei CO2-Emissionen

Ryanair ist einer der größten Verursacher von CO2 -Emissionen in Europa. Das Unternehmen selbst verweist auf seine Bemühungen zur Reduktion und prangert ungerechte steuerliche Behandlung an. Die Bahn wäre in Europa eine Alternative zum Fliegen, doch es fehlt an Verbindungen und konkurrenzfähigen Preisen.

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Die Luftfahrt trägt zum Klimawandel bei, dafür sind nicht nur CO2-Emissionen, sondern weitere Faktoren wie Stickoxide verantwortlich. Mit rund 3.600 Flügen pro Tag ist Ryanair einer der größten CO2-Erzeuger in Europa – und das Streckennetz wächst und wächst. Laut einer Analyse von Transport & Environment (T&E), einer europäischen Organisation für nachhaltigen Verkehr, war Ryanair im Vorjahr die europäische Airlines mit den meisten Emissionen, vor Lufthansa und British Airways. 2023 hätten Ryanair-Flüge um fast ein Viertel mehr CO2 emittiert als vor der Covid-Pandemie, heißt es.

Ryanair spiele eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Zukunft des „nachhaltigen Luftverkehrs“, argumentiert Gruber: „Wir haben ehrgeizige Pläne zur Dekarbonisierung unseres Flugbetriebs.“ Bis 2050 sollen netto null Emissionen erreicht werden, die CO2-Emissionen pro Passagier und Kilometer sollen bis 2031 um 25 Prozent sinken. Die Argumente der Iren: Dank neuer Flugzeuge, hoher Auslastung und keinen Langstreckenflügen sei man klimafreundlicher unterwegs als andere Airlines. Eine bis 2050 laufende Strategie namens „Pathway To Net Zero“ sieht unter anderem weitere Investitionen in neue Flugzeuge vor, so wurden 300 Boeing-737-Max 10 bestellt, die bis zu 20 Prozent CO2 und Kerosin einsparen sollen. „Auch Sustainable Aviation Fuels sind wichtig“, erklärt Gruber. Hier gibt es verpflichtende Beimischquoten ab nächstem Jahr, die bis 2030 auf sechs Prozent steigen. Ryanair habe sich freiwillig entschlossen, bis zu diesem Zeitpunkt auf 12,5 Prozent zu kommen.

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Quelle: T&E

*auf Basis der Abflüge von europäischen Flughäfen

 © News

Immer neue Routen

Fakt ist aber auch: Allein das rasante Wachstum lässt die Emissionen steigen. Umweltschutz- und Verbraucherorganisationen kritisierten die Klimaargumente von Ryanair wiederholt als irreführend, zumal günstige Preise und neue Routen immer mehr Menschen zum Fliegen bewegen. Selbst neue Technologien zur Dekarbonisierung bringen da wenig, wenn die Zahl der Flüge steigt. Geschickt weicht Ryanair dieser Debatte aus, indem Fliegen als eine Art Grundrecht betrachtet wird: Weshalb sollten es sich nur Reiche leisten können, so die Devise. Zudem wird von Ryanair die „unfaire Ausgliederung von Langstreckenflügen“ angeprangert, wie Gruber es ausdrückt: Sechs Prozent der europäischen Flüge seien für rund 50 Prozent der CO2 Emissionen verantwortlich – aber diese seien vom europäischen Emissionshandel ausgenommen. „Wir sind da benachteiligt gegenüber klassischen Airlines wie Lufthansa oder British.“ Diese Ausnahme der Langstreckenflüge von europäischen Airlines wird auch von T&E kritisiert.

In Europa wäre die Bahn ein natürlicher Konkurrent für Fluglinien wie Ryanair – zumindest theoretisch. In der Praxis mangelt es an Verbindungen und an konkurrenzfähigen Preisen. Von den rund 900 potenziellen Strecken zwischen europäischen Großstädten werden laut Analyse von Greenpeace nur zwölf Prozent mit Direktzügen bedient. Würde das bestehende Schienennetz besser genutzt, könnten mehr als 300 neuer Direktverbindungen eingerichtet werden; auch von Wien aus würden nur 17 von möglichen 44 Strecken bedient. Dazu kommen die Preise: Für die meisten Strecken sind Flüge deutlich günstiger; krass ist es beispielsweise auf der Route Barcelona–London, auf der Bahnfahren 30-mal teurer ist als das Fliegen.

Kein Wunder also, dass es heute oftmals als schneller, bequemer und vor allem billiger empfunden wird, in den Flieger zu steigen. Es gäbe zwei Ansatzpunkte, um Passagiere vom Flieger in den Zug zu bringen und so Emissionen zu senken, sagt Jasmin Duregger, Klimaexpertin bei Greenpeace. „Erstens müssten bestimmte Flüge verboten werden, etwa Kurzstrecken und solche mit Privatjets, es braucht höhere Steuern auf Kerosin oder Passagiersteuern.“ Zweitens müssten Zugreisen attraktiver und zuverlässiger gemacht werden. „Der Großteil schaut auf die Preise und auf Bequemlichkeit.“ Auch Kurzstreckenflüge seien klimaschädlich, weil Start und Landung überdurchschnittlich viel Emissionen erzeugen, argumentiert Duregger. „Letztlich ist es ein Problem, dass Fliegen und die Jagd nach dem günstigsten Preis heute alltäglich sind.“

Ryanair - ein Höhenflug ohne Ende?

Wie groß kann Ryanair noch werden? In den vergangenen beiden Jahren ging es nur nach oben, auch weil die Konkurrenz nach der Pandemie deutlich zurückhaltender war. Die Ziele sind jedenfalls hoch gesteckt: Bis 2034 will die Fluglinie von derzeit 200 auf 300 Millionen Passagiere pro Jahr wachsen. Das soll trotz Konzentration auf den Kernmarkt Europa möglich sein. Die Rechnung: Es müssten nur die 250 Flughäfen im Streckennetz noch besser miteinander verbunden werden. Hohe Gewinne – im Geschäftsjahr 2024 waren es 1,9 Milliarden Euro – machen es möglich, dass weiterhin kräftig investiert wird, in neue Destinationen und in neue Flugzeuge. Die ungebrochene Lust am Reisen hilft: Laut einer Prognose der Luftverkehrsorganisation IATA soll heuer die Zahl der Passagiere weltweit um mehr als zehn Prozent wachsen.

Was könnte Ryanair stoppen? Im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres ist der Gewinn der Airline deutlich geschrumpft, und zwar um 46 Prozent auf 360 Millionen Euro. Das ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass das wichtige Ostergeschäft in ein anderes Quartal gefallen ist, sondern auch auf günstigere Ticketpreise. Die Nachfrage blieb zwar hoch, doch die Passagiere waren knausriger. Ist da schon eine gewisse Zurückhaltung zu spüren oder erwarten Reisende inzwischen durchgehend niedrige Preise? Für die nächsten Monate werden weiterhin niedrige Ticketpreise erwartet. Für den Wachstumskurs braucht es aber einigermaßen stabile Ticketpreise, warnen Analysten. Mögliche weitere Hürden auf dem Weg zum 300-Millionen-Ziel sind Lieferschwierigkeiten seitens Boeing und strengere Auflagen für Flüge aus Klimaschutzgründen, vor allem eine Kerosinsteuer. Auch ein zügiger Ausbau des Bahnnetzes könnte den Wachstumskurs beeinflussen, selbst wenn das derzeit in weiter Ferne scheint.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 33/2024 erschienen.

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