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Im Jahr 2024 wurde dieses Service-Angebot laut BWB 36-mal von Unternehmen genutzt. "Wir sind hier immer sehr zügig mit einer Rückmeldung, sodass rasch Klarheit besteht, ob eine Fusion anzumelden ist oder nicht", sagte Harsdorf. Auch auf der BWB-Website könne man sich zu Fragen der Anmeldepflicht informieren. Die zuvor höchsten Kartellstrafen erhielten im Rahmen des Baukartells Porr (62,4 Mio. Euro) und Strabag (45,4 Mio. Euro).
Der Rewe-Fall liegt bereits mehrere Jahre zurück: Mitte 2018 übernahm die damalige Tochtergesellschaft Merkur Warenhandels AG (nun Billa Plus) Verkaufsflächen für einen Lebensmitteleinzelhandel im WELAS Park Einkaufszentrum in Wels, wo zuvor die Weiß Handels GmbH einen Lebensmitteleinzelhandel betrieben hatte. 2021 beantragte die BWB beim Kartellgericht wegen des Verstoßes gegen das Durchführungsverbot von Fusionen ohne Anmeldung die Verhängung einer "angemessenen Geldbuße" gegen die Rewe International AG. Aus Sicht der BWB war die Übernahme von Lebensmittelhandel-Verkaufsflächen im WELAS Park mittels Bestandvertrages durch ein Rewe-Tochterunternehmen anmeldepflichtig. Rewe vertrat hingegen die Rechtsansicht, dass kein anmeldepflichtiger Zusammenschluss vorlag und holte die Anmeldung später nachträglich im August 2022 während des Verfahrens nach.
Im Mai 2023 bestätigte das Kartellgericht das Vorliegen eines anmeldebedürftigen Zusammenschlusses, wies jedoch das Geldbußen- und Feststellungsbegehren der BWB wegen "mangelnder Strafwürdigkeit" ab. Die BWB und der Bundeskartellanwalt erhoben damals Rekurs gegen den Entscheid. Der Oberste Gerichtshof (OGH) als Kartellobergericht gab den Rekursen im November 2023 statt und trug dem Kartellgericht die Festlegung einer Geldbuße in "spürbarer" Höhe auf. Das Kartellgericht verhängte dann eine Geldstrafe in Höhe von 1,5 Mio. Euro gegen Rewe. Dagegen erhoben die BWB und der Bundeskartellanwalt erneut einen Rekurs. Der OGH als Kartellobergericht erhöhte nun die Geldstrafe von 1,5 Mio. Euro auf 70 Mio. Euro und begründete dies in einem 21-seitigen Entscheid. Der Beschluss wurde am 28. Jänner ausgefertigt und am Dienstag, 4. Februar, zugestellt.
Die Festsetzung der Rekordstrafe basiert auf dem Jahresumsatz der deutschen Rewe-Gruppe von über 92 Mrd. Euro im Jahr 2023. Die Kartell-Strafrahmenobergrenze beträgt bis zu 10 Prozent des Umsatzes, also bis zu 9 Mrd. Euro. "Geldbußen nach dem Kartellgesetz verfolgen präventive und repressive Zwecke, was eine angemessene Höhe erfordert, weil sonst keine abschreckende Wirkung erzielt wird", erklärte das Kartellobergericht. Man habe als OGH "bereits mehrfach klargestellt, dass auch in Österreich zur wirksamen Bekämpfung von Kartellverstößen Geldbußen in einer Größenordnung zu verhängen sind, wie sie auf Unionsebene und in zahlreichen Mitgliedstaaten bereits seit langem üblich" seien.
Die Billa-Mutter Rewe kritisiert die Rekordkartellstrafe scharf. Das "exorbitante Strafmaß" von 70 Mio. EUR für "einen Formalverstoß" sei "massiv unverhältnismäßig", hieß es in einer Stellungnahme der Supermarktkette. "Das vorgeworfene Vergehen - die Nichtmeldung des Standortes - hat zu keinerlei wirtschaftlichen Vorteilen für die Rewe International AG geführt." Für Rewe ist die Höhe der Geldstrafe für "einen Formalverstoß" nicht nachvollziehbar. "Es ist, als würde jemand wegen eines falsch ausgefüllten Parkscheins zur Zahlung einer Strafe verpflichtet, die dem Gegenwert eines neuen Autos entspricht, um zu demonstrieren, dass Parkscheine richtig ausgefüllt werden müssen."
Für den Kartellrechtsexperten Peter Stockenhuber von der Universität Wien ist der Kartellobergericht-Entscheid zu Rewe vollkommen nachvollziehbar. "Der OGH korrigiert nur ein krasses Fehlurteil des Kartellgerichts", sagte Stockenhuber kürzlich zur APA. Einen Zusammenschluss nicht bei der BWB anzumelden, sei "kein Kavaliersdelikt." Das Kartellobergericht sage seit längerem in Richtung des Kartellgerichts, "dass Kartellstrafen auf ein internationales Niveau angehoben werden sollen", so Stockenhuber. Der Kartellexperte verwies auch auf den Fall Spar im Jahr 2015, bei dem der OGH als Kartellobergericht die ursprünglich vom Kartellgericht verhängte Strafe von 3 Mio. Euro auf 30 Mio. Euro verzehnfacht hatte. Im Zusammenhang mit der Gründung des Coronamasken-Herstellers Hygiene Austria im Frühling 2020 durch Lenzing und Palmers hat das Kartellobergericht im Herbst 2024 die Strafe gegen Palmers von 5.000 Euro auf 100.000 Euro verzwanzigfacht.
Die Professorin für Kartellrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien Viktoria Robertson bezeichnete gegenüber "Ö1" die Rekordstrafe für Rewe als "Paukenschlag". Aus Sicht der BWB hat der OGH eine "Richtungsentscheidung" getroffen.