Schwarzarbeit ist in Österreich weit verbreitet. Ökonom Friedrich Schneider sieht auch die positiven Seiten der Schattenwirtschaft
Pfusch – ein schönes Wort, das zwei Bedeutungen haben kann: Es kann nachlässig, schlampig ausgeführte Arbeiten beschreiben oder jene Tätigkeiten, die abseits des Steuerrechts und der Sozialversicherung durchgeführt werden. Sprechen wir von Pfusch, meinen wir in Österreich meistens eher diese Schwarzarbeit. Gar so im Dunkeln muss diese Schattenwirtschaft aber gar nicht bleiben, denn in vielen Bereichen ist der Pfusch gang und gäbe, ja für viele Menschen sogar unverzichtbar: Das Badezimmer wird vom fachkundigen „Bekannten“ verfliest; die Wand im Wohnzimmer tapeziert der freundliche Herr, der vom Kollegen empfohlen wurde; das Ferienhaus wird am Wochenende vom zweiköpfigen Putztrupp gesäubert. Auftraggeber und Auftragnehmer freuen sich, dass brutto und netto keine Rolle spielen und am Ende beide mehr davon haben, zumindest in finanzieller Hinsicht.
Schwarzarbeit: Arbeit unter "Freunden"
Der Linzer Ökonom Friedrich Schneider ist die Koryphäe im deutschsprachigen Raum, was Ursachen und Folgen der Schwarzarbeit betrifft. Er meint: „Pfusch wird in Österreich als Kavaliersdelikt gesehen. Die Österreicher meinen: Das gehört zum Leben.“ Er sei sozusagen die „Steuerrebellion des kleinen Mannes“. Dabei ist Österreich in Sachen Schattenwirtschaft gar nicht Vorreiter in Europa, wie man angesichts der weiverbreiteten Pfuscherei meinen könnte – im Gegenteil: Traditionell liegt Österreich im hinteren Feld in der EU. Und laut der aktuellen Studie von Schneider wird das Land im laufenden Jahr sogar auf dem letzten Platz im Pfusch-Ranking landen. Gemessen am BIP-Anteil kommen wir in Österreich auf 7,5 Prozent, deutlich unter dem EU-Schnitt (inklusive Vereinigtes Königreich) von 18,5 Prozent. Spitzenreiter beim Pfusch ist demnach Bulgarien mit fast 35 Prozent Anteil am BIP. Die vergleichsweise bescheidene Rolle der Schwarzarbeit hierzulande dürfte aber weniger an der Ehrlichkeit der Bevölkerung liegen, was Steuern und Sozialversicherung betrifft. Bei einem Vergleich mit anderen Ländern sei wichtig, wie man misst und berechnet, sagt Schneider. „Bei uns wird da nicht so genau hingesehen, vieles fällt unter Freunderlwirtschaft und Nachbarschaftshilfe.“
Während beispielsweise die Wirtschaftskammer aus verständlichen Gründen gegen die Schattenwirtschaft ins Feld zieht, sieht Schneider den Pfusch auch von einer anderen Seite: „Durch Pfusch entsteht zusätzliche Wertschöpfung in Österreich.“ Diese Einnahmen würden primär von unteren und mittleren Einkommensbeziehern erwirtschaftet. „Das führt dazu, dass ein Teil nicht in die Armut abgleitet.“ Anders ausgedrückt: Für viele Menschen in Österreich sind Ausführung bzw. Nutzen inoffizieller Arbeiten eine Möglichkeit, etwas Geld zusätzlich zu verdienen bzw. sich bestimmte Arbeiten – etwa am Haus – überhaupt leisten zu können. „Wenn sich jemand durchs Putzen schwarz 200 oder 300 Euro dazuverdient, kann das genutzt werden, um im Supermarkt einzukaufen oder ins Restaurant zu gehen“, sagt Schneider. Auch der Fliesenleger kann sich etwas dazuverdienen, um zweimal im Jahr auf Uraub zu gehen. Schneider bringt es auf den Punkt: „Pfusch erhöht den Wohlstand.“ Es sei ja im Regelfall die exakt gleiche Tätigkeit, ob sie mit oder ohne Rechnung gemacht werde, argumentiert er. Somit entstehe zusätzliche Wertschöpfung. „Das BIP in Österreich ist durch Schwarzarbeit um mindestens 20 Milliarden Euro höher.“
Aber es gibt klarerweise auch negative Folgen, die Verlierer sind der Staat und die Sozialversicherungsträger – es fehlen Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge. Außerdem sind Unfälle, die beim Pfusch entstehen und dann offiziell als Freizeitunfälle eingestuft werden, ein Problem: Wenn der inoffizielle Handwerker vom Gerüst fällt, wird er kaum berichten können, wie es tatsächlich passiert ist.
Pfusch: Keine Rechnung, keine Garantie
Ein weiterer Punkt ist die Sicherheit, dass die Arbeit ordentlich verrichtet wurde. „Bei Arbeiten im Pfusch entfällt die Gewährleistung, daher kommt das für heikle Arbeiten wie eine Errichtung einer Photovoltaikanlage nicht infrage“, sagt Schneider. Es gehört indes zur gelebten Praxis in Österreich, dass so mancher Handwerker einen Teil der Projekte schwarz durchführt – und in diesem Fall ebenso auf Qualität achten muss: Wer schlampig pfuscht, bekommt auch keine offiziellen Aufträge.
Was soll und kann überhaupt getan werden, um den Pfusch einzudämmen? Der Staat akzeptiere das stillschweigend, meint Schneider. „Manchmal gibt es Aktionen wie einen anreizorientierten Handwerkerbonus oder die Abschaffung der kalten Progression, aber im Großen und Ganzen wird es hingenommen.“ Es ist ohnehin ein aussichtsloser Kampf: Seit 2019 nimmt der Pfusch in Österreich zu, was unter anderem daran liegt, dass in den vergangenen Jahren wegen der wirtschaftlichen Schieflage die Einkommen nicht in einem entsprechenden Ausmaß gestiegen sind. Und 2024 wird mehr gepfuscht als im Vorjahr: Die Schattenwirtschaft wird laut Prognose um 1,25 Milliarden auf insgesamt 34,52 Milliarden Euro steigen.
Über den Experten
Friedrich Schneider
Der Volkswirt lehrt an der Johannes-Kepler-Uni in Linz und an der Internationalen Anti-Korruptionsakademie. Forschungsschwerpunkte sind Schattenwirtschaft, Steuerhinterziehung und organisierte Kriminalität.