In den letzten neun Jahren festigte Marcello Demner seinen Kurswechsel vom Filmproduzenten zum Werber und Geschäftsführer von DMB. Er setzt auf KI, die Magie von Geschichten und Psychologie.
Wie stark hat sich die Umsetzung dieser Ideen verändert, seit Sie vor neun Jahren ins Unternehmen eingestiegen sind, das Ihr Vater gegründet hat?
Wir arbeiten heute in vielen Bereichen ganz anders. Wir nutzen zum Beispiel KI als Sparring-Partner, um zu testen, wie realistisch eine Idee in der Umsetzung ist und welche Herausforderungen uns dabei begegnen werden.
Können Sie ein Beispiel nennen? Wann und wie hat Ihre Arbeit mit KI zuletzt gut funktioniert?
Zu unserem Jahres-Kick-Off wollte ich ein Gefühl für die Weltlage vermitteln, denn für gute Werbung musst du wissen, wo du die Menschen abholst. Also habe ich die KI nach einem Bild für die Weltlage gefragt. Das Ergebnis war das apokalyptischste Bild, das man sich vorstellen kann, trostlos. Dann habe ich die KI gefragt, was sich die Menschen erhoffen. Dieses Bild war ein Schlaraffenland mit erneuerbaren Energien und ähnlichem. Die KI gab mir die Bestätigung, ob ich mit meinem Gefühl richtig liege. Das ist wichtig, weil Logik in unserer Welt gerade verliert, sei es in der Politik oder generell in der Kommunikation. Mit Logik erreicht man kaum etwas, mit Psychologie sehr viel. Wir können Menschen abholen, wenn wir verstehen, was sie umtreibt.
Für eine Marke eine Film Experience zu erschaffen, ist für mich konzeptiv wie eine ein Jahr andauernde Oper auf vielen Bühnen zu planen


War das in der Werbung nicht immer schon die Basis?
Psychologie war immer wichtig, aber der Stellenwert ist heute ein völlig anderer. Um Menschen von A nach B zu führen, zum Beispiel zum Kauf eines Staubsaugers, hat man sie früher über Fakten informiert, den Preis und die Leistung des Geräts. Heute stehen wir einer unglaublichen Medienvielfalt gegenüber, in die wir unsere Botschaften streuen müssen, und die Aufmerksamkeitsspanne ist in etwa von 15 Sekunden auf 2 Sekunden gesunken. Auf TikTok hast du zwei Sekunden, um deine Botschaft abzusetzen. Das ist absurd kurz und ändert alles.
Was bedeutet dieser neue Fokus auf Psychologie für die tägliche Arbeit?
Es ist viel spannender als früher, auch herausfordender. Früher war Zeit die Währung, die konntest du im TV und Radio buchen. Heute geht es darum, Relevanz zu schaffen. Marktforschung war früher demografisch getrieben. Das funktioniert heute nicht mehr: Ein weißer Brite, geboren 1948, extrem reich, kann heute König Charles meinen, aber genauso Ozzy Osbourne. Hier braucht es die Sinus Milieus, exakte psychologische Cluster, um Relevanz zu schaffen. Du musst heute eine Ecke weiterdenken.
Wann haben Sie dieses Ziel der Relevanz erreicht?
Wenn Menschen über das Produkt sprechen. Der Gründer der legendären Agentur BBH, John Hegarty, sagt: The most valuable piece of real estate is the corner of someone’s mind. Um dort zu bleiben, braucht es Relevanz. Ein Beispiel ist unsere Kampagne für Palmers, „Sexy Not Sorry“, bei der das gesellschaftlich diskutierte Thema des Frauenbilds und die Krönung der Frau als starke Story im Zentrum stand. Die Kampagne hat viel Traffic in die Stores gebracht, leider drücken die Schulden der Vergangenheit auf diesen Erfolg. Ein weiteres Beispiel ist der Hollywood Ausflug der XXXLutz Familie quasi im Netflix Format und vor allem der XXXLutz „Kindergarten-Wahlkampf“, der an Impact alle Wahlwerbungen übertroffen hat, und vor allem an Beliebtheit. Das Ganze ist dazu noch in einem staatspolitisch wichtigen Aufruf zur Wahl zu gehen gemündet.
XXXLutz-Spot von DMB. zur Nationalratswahl 2024
DMB. – eine Kurzbio
DMB. wurde 1969 von Mariusz Jan Demner und Franz Merlicek gegründet, ab 1976 war Harry Bergmann an Bord. Merlicek schied 2015 aus, Bergmann 2018. Die Creative Consultancy „Fly“ wurde 2021 gegründet. Seit 2022 führen Marcello Demner, Moana Merzel und Jürgen Vanicek die Geschäfte der Werbeagentur. Zuletzt holte DMB. beim österreichischen Digital Award „iab webAd“ fünfmal Gold, insgesamt 13 Auszeich- nungen und eine Rekordanzahl von 30 Shortlist-Platzierungen


Wie definieren Sie Erfolg für sich persönlich?
Die Agentur steht für relevante Arbeit nach höchstem Qualitätsstandard, die maßgeblich zum Erfolg der Kunden beiträgt. Diese drei Kernelemente definieren Erfolg, wie er für mich zählt. Ich möchte, dass die besten Köpfe hier glücklich arbeiten können und Kunden sagen: Das hat sich total ausgezahlt!
Sie kommen aus der Filmbranche, haben als Filmproduzent Preise gewonnen. Hilft diese Erfahrung?
Ja, unglaublich. Meine Mutter hat immer gesagt: Studiere was Gescheites! Ich habe zuerst in London Business Management studiert, meine Leidenschaft war aber Film. Ich habe gemerkt, dass es weitaus bessere Regisseure und Drehbuchautoren gibt als mich, dass ich aber ein sehr guter Producer bin. Werbung läuft ähnlich: Du musst eine Idee vom Startpunkt weg mit einer Vielzahl an Akteuren, Inputs und Stakeholdern zur Verwirklichung bringen. Diesen Producer Spirit habe ich heute noch. Für eine Marke im Film Experience zu erschaffen, das ist für mich konzeptiv wie eine ein Jahr andauernde Oper auf vielen Bühnen zu planen.


Marcello Demner
Jahrgang 1990, studierte Business Management am University College London, Filmgeschichte an der I.U.L.M. in Mailand und absolvierte den Master of Fine Arts in Creative Producing an der Columbia University in New York. Sein Filmschaffen wurde u. a. bei der Berlinale und in Cannes mit einer Nominierung zur Palme d‘Or (Kurzfilm) ausgezeichnet. Seit seinem Einstieg bei DMB. 2016 verantwortete er u. a. den Aufbau des Content- Bereichs und gründete die Creative Strategie Beratung „Fly“. Seit 2022 ist er Head of New Business and Development sowie Vorstandsmitglied bei DMB..
Sie haben im vom Vater gegründeten Unternehmen einen massiven Change-Prozess umgesetzt. Was braucht es, damit der gelingt?
Wir hatten dadurch, was Demner, Merlicek und Bergmann aufgebaut haben, ein unglaublich starkes Fundament. Die Energie dieser Werte war für mich immer spürbar hier im Haus. Dazu gab es ein Team von Up-and-coming-Superstars, das etwas weiterbringen wollte. Wir haben uns sehr meritokratisch gefragt: Was ist der Output? Was tun wir konkret? Daraufhin haben wir uns von allem getrennt, das nicht Kern unseres Geschäftsfeldes war, das waren damals Programmierer und Technikexperten. Diese Tätigkeiten beziehen wir heute aus einem Netzwerk von außen. In-House konzentrieren wir uns auf das, was uns ausmacht, Kreativität, Storytelling mit Impact. Das hat uns wieder schnell vorangebracht.
Gibt es eine Eigenschaft oder Routine Ihres Vaters, die sich heute noch im Unternehmen findet?
Es gibt sein unglaubliches Bestreben für die beste Idee, das wohnt hier. Die Wandzeichnung im Stiegenhaus „von der Idee zur guten Idee“ bringt das auf den Punkt.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 11/25 erschienen.