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Lars Feld: "Kein Wohlstand ohne Arbeit"

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Lars Feld

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Ökonom Lars Feld sieht Deutschland auf gefährlichem Kurs: Stagnation, Abwanderung von Unternehmen und Fachkräftemangel bedrohen die Wirtschaft. Ohne radikale Reformen droht Wohlstandsverlust

Herr Feld, wie ist die Stimmung in der größten Volkswirtschaft Europas und wie die Lage?

Wirtschaftlich gesehen sind weder Stimmung noch Lage günstig. Letztes Jahr gab es eine Schrumpfung des BIP um 0,3 Prozent. Die Prognosen zeigen, dass im Jahresverlauf mit ein bisschen mehr Wachstum gerechnet wird, über eine Stagnation kommt Deutschland dieses Jahr aber nicht hinaus. Für das nächste Jahr rechnen die Prognostiker mit einer Eins vor dem Komma. Wo diese Dynamik herkommen soll, kann ich nicht erkennen. Die Erwartung ist, dass wegen der wieder steigenden Realeinkommen mehr konsumiert wird. Ich bin beim privaten Konsum immer vorsichtig. Wenn ich mir den privaten Konsum in Deutschland seit 1949 anschaue, kamen da selten richtige Impulse. Impulse kommen eher vom Außenhandel. Am Arbeitsmarkt – und das ist ein Unterschied zu Österreich – sieht es in Deutschland ein bisschen besser aus. Das hat noch immer viel mit den alten Reformen von vor über 20 Jahren zu tun. Wir sind noch immer nah an der Vollbeschäftigung. Der Arbeitsmarkt in Deutschland hat ein anderes Pro­blem: Arbeitskräftemangel. Die Demografie schlägt ab nächstem Jahr dann richtig zu.

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Lars Feld, 58

Lars Peter Feld ist ein deutscher Ökonom und Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg. Im Februar 2022 wurde er zum persön­lichen Berater des deutschen Finanzministers Christian Lindner für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ernannt. Der 58-Jährige leitet das Walter Eucken Institut und war von 2011 bis 2021 Mitglied sowie Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland.

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Theodor Weimer, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Börse AG, hat mit einer Wutrede für Aufmerksamkeit gesorgt. Grundtenor: In Europa gebe Deutschland mittlerweile weder ökonomisch noch politisch den Ton an. Das Wort Ramschladen ist gefallen. Hat er recht?

Ich versuche das nüchtern zu sehen. Seine Kritik zielt auf die Strukturprobleme ab. Da haben wir ein toxi­sches Gemisch von hohen Kosten für die Unternehmen wie Arbeits- oder Energiekosten. Wir haben den Vorteil des billigen russischen Gases verloren, haben eine hohe Steuerbelastung sowie hohe Regulierungskosten und Berichtspflichten. Das alles fesselt die deutsche Wirtschaft. Und dann gibt es viele ­Beispiele spektakulärer Abwanderungen, also Unternehmen, die Arbeitsplätze in Deutschland abbauen und woanders aufbauen. Meistens sind das Erweiterungsinvestitionen im Ausland. Der Sägen-Hersteller Stihl geht jetzt in die Schweiz, wahrlich kein Land mit Lohn­dumping, aber längeren Arbeitszeiten. Miele baut in Gütersloh mehr als 1.000 Stellen ab – und in Polen auf. Da sind es die Arbeitskosten. Man hat es sich die letzten Jahren so eingerichtet, dass man bloß nicht mit den Gewerkschaften in Konfrontation geht. Das ist ein Fehler.

Wie könnte eine Wende aussehen?

Die Arbeitskosten muss man als Gesamtpaket sehen. Was von den Tarifvertragsparteien ausgehandelt wird, ist das eine. Dazu kommen Lohnzusatzkosten und Fixkosten der Beschäftigung, die stark über die Regulierung bestimmt sind. Man hat im Arbeitsmarkt die Reformen von Gerhard Schröder zurückgedreht – bei Leiharbeit, bei befristeten Arbeitsverträgen. Das waren wichtige Ventile. Auch Reformen, die den ansonsten rigiden Kündigungsschutz ein bisschen gelockert haben, sind zu nennenswerten Teilen zurückgenommen worden. Für die Unternehmen spielt natürlich die Produktivitätsentwicklung eine Rolle. Die ist ähnlich schwach wie in Österreich.

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Wie könnte eine Wende aussehen?

Die Arbeitskosten muss man als Gesamtpaket sehen. Was von den Tarifvertragsparteien ausgehandelt wird, ist das eine. Dazu kommen Lohnzusatzkosten und Fixkosten der Beschäftigung, die stark über die Regulierung bestimmt sind. Man hat im Arbeitsmarkt die Reformen von Gerhard Schröder zurückgedreht – bei Leiharbeit, bei befristeten Arbeitsverträgen. Das waren wichtige Ventile. Auch Reformen, die den ansonsten rigiden Kündigungsschutz ein bisschen gelockert haben, sind zu nennenswerten Teilen zurückgenommen worden. Für die Unternehmen spielt natürlich die Produktivitätsentwicklung eine Rolle. Die ist ähnlich schwach wie in Österreich.

Was macht das mit Europa, wenn Europas größte Volkswirtschaft schwächelt?

Das zieht das Wachstum insgesamt runter. Gerade weil es so enge Verflechtungen mit vielen Ländern gibt. Österreich gehört da sicher dazu. Wir müssen aufpassen, dass in Europa der Rückhalt für die Währung, den Euro, durch ein Land, das eine so niedrige Staatsverschuldung wie Deutschland hat, erhalten bleibt. Dazu gehört aber auch ein ordentliches, nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Was die Finanzierung des Staates angeht, steht Deutschland hingegen besser da als andere. In Frankreich und in Italien sieht es dahingehend anders aus. Ich bin gespannt, wie lange die Finanzmärkte noch ruhig bleiben.

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Wie abhängig ist Österreich von Deutschland? Wirtschaftsminister Kocher meint, nicht so stark.

Ich bin beim Wort Abhängigkeit vorsichtig. Es ist interessant, wenn man Österreich und die Schweiz vergleicht, dass in der Schweiz mehr große multinationale Konzerne existieren als in Österreich. Das macht einen großen Unterschied. Das führt die Schweiz immer als ihre größere Unabhängigkeit ins Feld.

Politiker jonglieren gern mit dem Wohlstandsversprechen. Kann man das angesichts der Lage halten oder muss man Tacheles reden?

Beides. Man kann das Wohlstandsversprechen halten, muss aber klarmachen, dass es den Wohlstand nicht ohne Arbeit gibt. Die Vorstellung, dass wir noch länger im Ruhestand sind, dass sozusagen Lebensarbeitszeitverkürzungen stattfinden können, ist illusorisch. Das gleiche gilt für die Vier-Tage-Woche. Wenn den Menschen das, was dann noch an Geld zur Verfügung steht, reicht, ist das ihre Entscheidung. Aber das auf Kosten der Allgemeinheit tun zu wollen, das ist der falsche Weg. Also ja, man kann den Wohlstand halten oder steigern. Nur dazu muss man arbeiten bzw. zur Arbeit bereit sein. Griechenland macht uns vor, dass das auch in eine andere Richtung gehen kann.

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Sie beraten Finanzminister Christian Lindner, den Verfechter der Schuldenbremse. Warum ist sie gut?

Die Schuldenbremse wurde eingeführt, weil man die Schuldendynamik brechen wollte. Es sollte sichergestellt werden, dass die Schuldenquote nennenswert zurückgeht und nicht nur irgendwie stabilisiert wird. Und sie sollte dafür sorgen, dass die Refinanzierungsbedingungen günstig bleiben. Beides hat die Schuldenbremse geschafft. Wir sind nach der Schweiz das zweitgünstigste Land. Das hat immer positive Effekte für die Wirtschaftsentwicklung. Ist die Kritik, die an der Schuldenbremse kommt, berechtigt? Ich finde nicht. Die Behauptungen, sie wirke sich ungünstig auf die öffentlichen Investitionen aus, lassen sich empirisch bislang nicht bestätigen. Der Niedergang bei öffentlichen Investitionen hat vorher und vor allem auf der Gemeindeebene stattgefunden. Gemeinden können sich weiter in Höhe ihrer Investitionen verschulden. Sie unterliegen nicht der Schuldenbremse.

Martin Kocher hat in deutschen Medien das österreichische Pensionssystem als sehr flexibel und sehr sicher angepriesen. Als IHS-Chef hat er das anders ge­sehen. Wie sehen Sie das?

Ich bin gespannt, was er als Gouverneur der Österreichischen Nationalbank dazu sagt. Meine ­Prognose: Er wird zur IHS-Position zurückkommen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 39/2024 erschienen.

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