Das Problem kennen viele: Überforderung oder Unterforderung bei der Arbeit, ein launischer Chef, fiese Kollegen und das Gefühl, nicht das zu tun, was man gerne möchte. Wer mehrmals in der Woche schon beim Aufstehen denkt, dass er lieber nicht in die Arbeit ginge, fragt sich mitunter: "Kann ich lernen, meinen Job zu lieben?" Oder: "Muss ich das überhaupt?"
Besser wäre es, sagt Isabelle Kürschner. Sie berät Unternehmen und deren Mitarbeiter in Sachen Arbeitszufriedenheit und hat ihre Erfahrungen soeben in dem Buch "New Work"* zusammengefasst. "Wir verbringen zu viel Zeit bei der Arbeit. Wenn sie meine Zufriedenheit beeinträchtigt und ich dauernd nur an den nächsten Urlaub denke, dann sollte ich anfangen, ernsthaft nach einer Alternative zu suchen. Denn: Wenn ich unzufrieden bin, dann mache ich auch keinen guten Job."
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Was nervt mich eigentlich?
Kürschner empfiehlt, das Problem schrittweise zu analysieren. "Was gefällt mir an meiner Arbeit nicht? Sind es die Aufgaben oder die Kollegen, ist es der Chef oder die ganze Philosophie des Unternehmens?" Nerven die Aufgaben, rät Kürschner dazu, sich neue Projekte in der Firma zu suchen. Quälen einen auch die Kollegen, könnte ein Abteilungswechsel helfen. "Gefällt einem das ganze Unternehmen nicht, ist es Zeit, zu überlegen, ob man sich umorientiert, woanders bewirbt oder überhaupt die Branche wechselt. Die schlechteste Lösung wäre jedenfalls, sich zurückzulehnen und zu warten, was passiert."
30 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sind mit dem Führungsstil ihrer Chefs unzufrieden, 18 Prozent davon wollen deswegen sogar den Job wechseln, ergab der Arbeitsklima-Index der oberösterreichischen Arbeiterkammer. Nur 20 Prozent können sich an ihrem Arbeitsplatz verwirklichen, 13 Prozent sind gefrustet, sagt eine im Auftrag von Immobilienscout24 erstellte Umfrage.
Eine Xing-Studie aus dem Jahr 2020 zeigt: Jeder Vierte ist mit seinem aktuellen Beruf unzufrieden. Nur knapp die Hälfte der Befragten gab an, dass ihnen ein respektvoller Umgang im Job widerfährt, 46 Prozent fühlen sich wertgeschätzt, rund die Hälfte hat Spaß bei der Arbeit und 42 Prozent haben das Gefühl, im Job eine Rolle spielen zu müssen - was den meisten allerdings widerstrebt.
Es liegt auch an uns selbst
Die Arbeitspsychologin Natalia Ölsböck sagt: "Es liegt auch an uns selbst, die Arbeit positiv zu sehen. Ich bin immer wieder in Unternehmen, in denen eine Kultur des Nörgelns und Lästerns vorherrscht. Da sollte man einfach nicht mitmachen. Denn diese negative Stimmung bedeutet Dauerstress. Viel wichtiger ist es, sich selbst bewusst zu machen: Was mache ich gerne in diesem Job? Was ist positiv?" Man sollte sich jedenfalls bewusst sein, dass es keinen Job gibt, in dem man alles gerne macht. Und überlegen, was man an seinem Job vermissen würde. Kommt man zum Schluss, dass man eine neue Arbeit braucht, sollte man zunächst "emotional aufräumen", rät Ölsböck. "Nachdenken, was schiefgelaufen ist und was man dazu beitragen kann, dass das beim nächsten Mal nicht wieder passiert."
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Für junge Menschen ist es abschreckend zu sehen, wie ihre Eltern von der Arbeit gestresst und frustriert sind. Wie soll man sich da selbst für den richtigen Weg entscheiden? Der Wirtschaftspsychologe Alfred Lackner rät: "Um den optimalen Beruf zu finden, ist es wichtig, in jungen Jahren viel auszuprobieren. Das, was viele Betriebe derzeit betreiben, ist aus psychologischer Sicht sehr ungesund. Sie suchen High Potentials, die mit 24 fließend mehrere Sprachen sprechen und eine Eliteuni abgeschlossen haben. Dabei übersehen sie, dass diese Menschen keine Zeit hatten, eine Persönlichkeit zu entwickeln. Viel besser wäre es, jedem so viel Zeit zu geben, wie er braucht. Spätestens mit 30 Jahren sollte dann eigentlich jeder wissen, in welche berufliche Richtung es gehen soll."
Etwa drei Jahre dauere es, bis man im Beruf wirklich ankommt und beurteilen kann, ob er das Richtige ist. "Wenn man dann draufkommt, dass das nicht der Fall ist, sollte man weiterziehen", sagt Lackner.
Die Bergwerksstrategie
Es fällt auf, dass viele dieser Ratschläge fast wie Beziehungstipps klingen. Aber: Man muss seinen Beruf nicht lieben, meint Christine Bauer-Jelinek, die als Wirtschaftscoach von ihrer Arbeit frustrierte Menschen berät. "Das ist eine Retrovorstellung aus den 90er-Jahren. Heute ist das Ziel eines Coachings, die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu verarbeiten." Heißt: Wenn man den Job schon nicht liebt, sollte man wenigstens pragmatisch, mit einem neutralen Gefühl zur Arbeit gehen können. "Heute kann man nicht mehr so einfach den Job wechseln. Wer Geld verdienen will, muss sich anpassen", sagt Bauer-Jelinek und empfiehlt drei Schritte.
Erstens: "Verfolgen Sie die 'Bergwerksstrategie'. Sie fahren in der Früh hinein und klopfen Steine, am Abend fahren Sie wieder raus und nehmen die Lohntüte in Empfang. Verausgaben Sie sich dabei nicht. Nach der Arbeit machen Sie dann, was Ihnen wirklich Sinn gibt." Sich ehrenamtlich betätigen, zum Beispiel.
Zweiter Schritt: "Überprüfen Sie Ihre Erwartungen. Der Chef muss Sie nicht glücklich machen. Die Kollegen müssen Sie nicht mögen. Man muss mit seinen Befindlichkeiten selbst fertigwerden."
Dritter Schritt: "Kommunizieren Sie ergebnisorientiert. Überlegen Sie, was Sie wirklich wollen, bevor Sie in der Firma ein Gespräch haben. Bereiten Sie sich strategisch darauf vor. Es wird viel zu viel herumgequatscht, und nachher ist man frustriert. Wenn man sich ein Ziel gesetzt und dieses erreicht hat, fühlt man sich schon besser."
Frustrierten gibt Bauer-Jelinek noch eine Warnung mit auf den Weg: "In der nächsten Firma wird es nicht anders. Man kommt vom Regen in die Traufe, wenn man in der gleichen Kategorie wechselt. Aber es kostet viel Energie und auch Geld, weil die Gehälter heute nicht mehr so gut sind." Wer jedoch die Welt und seine Kollegen verbessern will, "der sollte sich selbständig machen".
Dieser Beitrag erschien ursprünglich im News 42/2015.