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Herr Gölles, kann man Qualität schmecken oder nur glauben?

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12 min

David und Alois Gölles

©Manufaktur Gölles

Alois (65) und David (37) Gölles setzen auf Handwerk statt Hype. Ihr Familienbetrieb stellt edle Essige und Destillate her, die oft jahrelang reifen. Warum sie Geduld für wichtig halten und wie sie den Betrieb weiterentwickeln, ohne ihre Wurzeln zu vergessen, erzählen sie im Interview – kurz vor der gut geplanten Betriebsübergabe vom Vater an den Sohn.

Warum kaufen Leute Premium-Produkte wie einen jahrelang gelagerten Essig? Ist es das Handwerk oder der Hype?

Alois Gölles: Ganz klar Handwerk. Es ist wie ein Puzzle – je mehr Teile man richtig setzt, desto vollständiger wird das Bild. Zwischen 200 und 1.000 Teilen liegen Know-how, Erfahrung und Handwerk. Dieses Handwerk lassen wir uns nicht durch Leute in Abrede stellen, die nur mit Marketing reüssieren.

David Gölles: Wir befinden uns in einer Zeit, in der sehr schnell irgendwas gehypt wird und dann auch sehr schnell wieder weg ist. Unser Ziel war es nie, ein Produkt zu haben, das alle kaufen müssen – so wie gerade die gehypte Dubai-Schokolade, über die drei Wochen später keiner mehr redet. Das geht schon alleine deswegen nicht, weil unsere Produkte eine sehr lange Entstehungsdauer haben. Unsere Essige sind bis zu 20 Jahre gelagert, unsere Destillate sind über Jahre entstanden.

Was machen Sie heute anders als noch vor 40 Jahren?

Alois Gölles: In der Produktion hat sich das Unternehmen nur marginal verändert. Wir brauchen gutes Obst, das muss man anbauen. Man probiert aus, ob es besser ist, das Obst knackiger, reifer oder überreif zu ernten. Destilliert wird es immer noch in einem Kupferkessel, diesen können wir aber heute konstant heizen. Es sind nur die letzten drei bis fünf Prozent, an denen man an den Rädchen dreht. Am Ende muss ich das Produkt schmecken und riechen und sagen: Das ist gut oder das ist nicht gut.

David Gölles: Man darf nicht gierig sein, wenn man höchste Qualität produzieren will und eben nicht sagen: Na ja, der Liter, der geht schon noch.

Das muss man sich leisten können …

David Gölles: Ja, sicher. In den 80er-Jahren hat man das gute Obst gegessen und die zweite Qualitätsstufe zu Saft verarbeitet. Was übrig geblieben ist, wurde destilliert. Heute steht man im Abseits, wenn man nicht auf Qualität setzt.

Was ist das Erfolgsgeheimnis des Familienbetriebs Gölles?

Alois Gölles: Erfolg ist zu zehn Prozent Inspiration und zu 90 Prozent Transpiration. Man braucht eine gute Idee, aber die muss man auch konsequent umsetzen. Das, was wir hatten, haben wir immer reinvestiert. Wir haben keine Yacht gekauft, sondern einen neuen Brennkessel. Es ist wichtig, hellhörig und wachsam zu sein und die besten Produkte der Welt zu kennen. Und es braucht Neugier und Experimentierfreude. Wenn es beispielsweise die geniale Idee gibt, aus Spargel einen Essig zu machen, sind nur zehn Prozent die Idee – und 90 Prozent akribische Arbeit. Du kannst den Spargel nicht zerkleinern, weil er langfaserig ist und du musst daran arbeiten, dass er sofort zu gären beginnt. Das ist die Arbeit und das ist die Grundlage des Erfolgs.

Im Mai steht die Übergabe an. War immer klar, dass das so passiert?

David Gölles: Für mich war lange klar, dass ich auf jeden Fall im Betrieb dabei sein werde und will. Ich habe zwei jüngere Brüder, bei denen es die Idee auch gab, aber die sind beide in eine andere Richtung gegangen.

Was bedeutet Familie in einem Familienunternehmen? Ist das am Ende des Tages nur ein Begriff oder auch eine Philosophie?

Alois Gölles: Wir versuchen bei der Betriebsübergabe auf die gesamte Familie zu schauen. Also das auch für die Geschwister etwas übrig bleibt und nicht nur einer was hat. Wir wollten das im Vorfeld immer so gut regeln, dass wir den Familienstreit vermeiden. Das hat mein Vater schon so gehandhabt. Es ist viel besser, die Familie versteht sich, als dass irgendwer versucht, den letzten Cent rauszuquetschen.

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Essigkunst. Über 1.500 Eichenfässer lagern im größten Essigfasskeller Österreichs in Riegersburg in der Südoststeiermark. Die Manufaktur kann besichtigt werden

 © Manufaktur Gölles

Inwieweit kann man sich auf der Tradition ausruhen?

Alois Gölles: Wir müssen schauen, dass unsere Produkte in Österreich und im nahen Umfeld stark sind. Für uns als kleinen Familienbetrieb reicht das. Die ganz große Internationalisierung werden wir nicht schaffen und streben wir auch nicht an, weil es uns nichts bringt, gegen die Konsumgewohnheiten eines anderen Landes zu kämpfen.

David Gölles: Es ist nicht unser Bestreben, dass man uns kaufen muss, weil wir eine lange Tradition haben. Das ist nicht so wichtig. Konsumenten sollen uns kaufen, weil wir die besten Produkte machen.

Alois Gölles: Für uns ist jedes Jahr Weltmeisterschaft, Olympische Spiele, was auch immer. Es gibt nur einen Grund, da anzutreten: Erster zu werden. Das gelingt uns natürlich nicht immer. Aber der Ansporn ist da – und dafür muss man sich immer wieder hinterfragen. Tradition hin oder her.

Der Apfel-Balsam-Essig war das große Ding vor 40 Jahren. Kommt da nochmal was? Strebt man das an?

Alois Gölles: Der „1.000-Gulden-Schuss“, dass du erstmals weltweit einen Apfelbalsamessig produzierst, der über die Jahrzehnte reüssiert, das hat sich so ergeben. Anstreben kann man das nicht. Es ist immer die wertvolle Ergänzung unseres Portfolios, die wir anstreben. Den Tomatenessig haben wir vor 15 Jahren erfunden. Vor fünf Jahren war es die Zitronenwürze.

Gab es rückblickend auch Fehler? Entscheidende Fehler?

David Gölles: Kein Fehler, aber rein wirtschaftlich war es wohl die Tatsache, dass wir 20 Jahre lang Essig produziert haben, ohne dass ihn wirklich wer gekauft hat. Als dann endlich die Leute verstanden haben, dass guter Essig das Essen besser macht, hatten wir Balsamessig über zehn Jahre gereift.

Alois Gölles: Wir waren immer vorsichtig beim Investieren und beim Ausbauen. Wir haben immer in dem Bewusstsein agiert: Das ist machbar, finanzierbar und leistbar. Das waren vorsichtige Schritte, ja. Aber über Jahrzehnte betrachtet, goldrichtige Schritte.

Was braucht es, um ein erfolgreicher Unternehmer zu sein? Welche Rolle spielen Mut oder Unerschrockenheit? Welchen Stellenwert hat das Bauchgefühl?

Alois Gölles: Vor allem gehört eine Portion betriebswirtschaftliches Know-how dazu. Ich kann nicht nur blauäugig losrennen und nicht wissen, wie ich am Ende alles bezahle. Ich muss als Unternehmer sehr vielfältig Bescheid wissen. Wenn nur der Steuerberater mir vorrechnen kann, welchen Preis ich für das Produkt nehmen soll, dann bin ich fehl am Platz. Natürlich sind es oft Bauch­entscheidungen. Die ersten Flaschen vom Apfel-Balsamessig hatten wir noch ohne Etiketten abgefüllt. Es waren die ersten Verkoster da und die wollten wissen, was eine Flasche kostet. Also habe ich gesagt: 125 Schilling. Zwei Wochen später kommen die Etiketten, wir picken sie drauf und ich habe das Preisschild weggeschmissen und 150 Schilling draufgeschrieben. Jetzt sind die Flaschen schön. Jetzt ist ein neuer Preis angemessen.

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Wie alles begann …

Ende der 1950er-Jahre legte Alois Gölles senior den Grundstein für die heutige Manufaktur, indem er als einer der ersten Südoststeirer mit der Kultivierung von Apfelbäumen begann. Ende März erfolgte die Übergabe des Familienbetriebs von Alois (Foto) an David Gölles

 © Manufaktur Gölles

David Gölles: Es sind viele Bauchentscheidungen dabei, weil jeden Tag Hunderte Mikroentscheidungen zu treffen sind. Wenn du jede Entscheidung nur rational durchdenken willst, geht sich das einfach nicht aus.

Gibt es so etwas wie Angst, was den Betrieb betrifft?

Alois Gölles: Angst wäre der falsche Begriff. Mit Angst begegnet man keinen Herausforderungen. Aber wenn die Ansprüche hoch sind, dann hast du natürlich auch die Sorge, schaffe ich das? Schaffen wir es nächstes Jahr wieder?

Angenommen, Gölles müsste morgen etwas völlig anderes produzieren. Was wäre das?

David Gölles: Für mich müsste es irgendwas mit Essen und Trinken zu tun haben, weil das nicht nur mein Beruf, sondern auch mein liebstes Hobby ist.

Alois Gölles: Wir haben immer schon auch ein bisschen was ausprobiert und beispielsweise 1991 schwarze Nüsse eingelegt. Ja, die hätte man uns wohl abgenommen, weil sie gut geschmeckt haben. Aber das sind wieder eigene Vertriebskanäle, eigene Wege in der Produktion. Da muss man wieder kiefeln und andere Maschinen kaufen. Also haben wir gesagt, das lassen wir lieber. Ganz davon abgesehen: Wo sollst du dich noch hinbewegen bei dieser Vielfalt in den Supermärkten? Es gibt in nahezu allen Bereichen schon besonders gute Anbieter. Soll ich jetzt Marmelade machen, wenn der Staud die beste Marmelade hat?

Das heißt aber nicht, dass man sich auf Erfolgen ausruht, oder?

David Gölles: Ich habe viel mehr gute Ideen, als ich Zeit habe, sie umzusetzen. Ich weiß jetzt schon, dass mein berufliches Leben für viele Jahre ausgefüllt sein wird.

Alois Gölles: Wir als Gesellschaft müssen uns überlegen, wie wir mit dem, das schon im Überfluss vorhanden ist, möglichst gut und ressourcenschonend umgehen. Das impliziert, dass man nicht jedes Jahr etwas Neues erfindet, sondern dass man vielleicht an den kleinen Rädchen dreht, indem Dinge feiner, edler oder sonst wie wertvoller gemacht werden. Wir hätten schon viele Schnapsbrennereien kaufen können, um zu wachsen. Aber was tue ich mit dem akquisitionsbedingten Wachstum? Wir müssen unser Wachstum in die Qualität stecken. Das ist kein sichtbares Wachstum und wir werden auch nicht größer werden, aber wir werden sicher nicht stehen bleiben.

Wenn Sie eine Nachricht an die zukünftige Generation schreiben, die erst in 50 Jahren geöffnet werden würde. Was würde da drinstehen?

David Gölles: Iss was Gescheites!

Alois Gölles: Achtet auf Qualität. Und macht nur das Beste vom Besten.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 14/2025 erschienen.

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