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Herr Bahlsen, wie haben Sie es lieber? Süß oder salzig?

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Süßes Erbe, große Visionen: Werner Michael Bahlsen über die Kunst, Tradition mit Innovation zu verbinden, Herausforderungen im internationalen Markt und die Verantwortung, ein Familienunternehmen in die Zukunft zu führen

Herr Bahlsen, wie haben Sie es lieber? Süß oder salzig?

Ich bin der Süße. Und mein Bruder war der Salzige. Das ist jetzt 25 Jahre her, dass wir das Unternehmen so aufgeteilt haben. Es gab diverse Schwierigkeiten mit der Familie, und die einzige vernünftige Lösung war, einen Schnitt zu machen."

Warum haben Sie sich den süßen Teil des Unternehmens genommen?

Mich haben die Produkte und die Marken interessiert. Ich bin halt ein Süßer. Ich habe ja auch eine Lehre als Konditor gemacht.

Wie wichtig ist für Ihr Unternehmen der österreichische Markt?

Das ist ein wichtiger Markt. Wir sind hier sehr gut vertreten. Es ist aber auch ein überschaubarer Markt mit einer ­etwas anderen Konkurrenzsituation. Das macht die Sache spannend.

Schmecken Ihnen Manner-Schnitten?

Ja, aber ich will nicht über die Qualität von anderen Produkten sprechen. Manner ist eine Institution. Wir haben jahrelang immer wieder Gespräche gehabt. Ich kenne die Familie ganz gut.

Wie behauptet man sich als Traditionsunternehmen auf einem internationalen Keks-Markt?

Man darf sich auf Tradition nicht zu viel einbilden. Wir sind über 130 Jahre alt. Zu sagen: „Ich bin traditionell und mache in den nächsten 30 Jahren das, was ich bisher gemacht habe“, das geht nicht.

Woher wissen Sie, was gefragt ist?

Man muss einfach probieren. Nicht alles gelingt. Es gibt einige Produkte, die wir nach ein, zwei Jahren eingestellt haben. Der Leibniz-Keks aber ist seit mehr als 125 Jahren da. Das war einer von drei sogenannten Philosophen-Keksen. Die beiden anderen waren nicht erfolgreich. Der Leibniz-Keks hat überlebt. Sich auf einem Produkt auszuruhen, funktioniert nicht. Aber natürlich: Wenn Sie vorher investiert haben, ist es schlimm, wenn ein Produkt nicht ankommt, weil Sie am Ende relativ viel Geld umsonst investiert haben. Das gehört zum unternehmerischen Risiko dazu.

Wie definieren Sie Erfolg für sich? Und wie unternehmerischen Erfolg?

Erfolg kann man an Zahlen messen. Erfolg ist für mich aber auch eine langfristige Perspektive. Wir denken in Generationen. Erfolg kann sich auch in einem guten Miteinander mit den Mitarbeitern zeigen. Wir haben immer geschaut, dass wir ein soziales Unternehmen sind. Wohl wissend, dass wir Geld verdienen müssen. Erfolg wäre für mich auch eine neue Technologie. Schließlich muss man rechtzeitig merken, was los ist.

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Man muss aufpassen, dass man sich nicht im Kreis dreht und die eigene Sichtweise für die Weisheit der Welt hält

Hat sich Ihre Sichtweise auf Erfolg im Laufe der Jahre geändert?

Rein ökonomisch nicht. Mir war immer wichtig, dass wir ein klares Markenbild haben, weil die Marke das Herz des Unternehmens ist. Als junger Mann habe ich vielleicht eher nur auf die Zahlen geguckt. Aber ich habe schnell gesehen, dass beispielsweise die unterschiedlichen Mentalitäten in einem Unternehmen zum Teil auch erfolgskritisch sind.

Sie haben erwähnt, dass die Auf­teilung des Unternehmens seinerzeit schmerzhaft war. Was haben Sie daraus gelernt?

Rechtzeitig die Erfordernisse und die Nachfolge zu regeln. Das hatte mein Vater nicht gemacht. Und wir Kinder hatten damals erhebliche Kämpfe, die auch zur echten Gefährdung des Unternehmens hätten beitragen können. Deshalb die Trennung in süß, salzig und einen dritten Bereich. Ich bin stolz, dass uns das gelungen ist. Andere Familienunternehmen gehen an solchen Nachfolgefragen zugrunde.

Warum plagt man sich da so?

Ich war der Jüngste. Hinterher habe ich gehört, dass mein Vater mit Externen darüber gesprochen hatte, dass ich die Führung übernehmen sollte. Aber er hat es nicht umgesetzt. Und dann gab es einen Vetter, der 20 Jahre älter war als ich und gemeint hat, er müsste der Chef werden. Das haben wir geregelt, indem wir ihn rausgekauft haben. Dann gab es die Diskussion zwischen meinem Bruder, meiner Schwester und mir – und das war alles andere als schön.

Und bei der Übergabe an Ihre Kinder?

Die haben schon 95 Prozent des Unternehmens. Im Moment sind meine beiden Jungs im Verwaltungsrat, haben aber externe Positionen. Ob einer von ihnen ins Unternehmen kommt, ist zur Zeit offen. Im Rückblick wird man sehen, ob es geklappt hat oder nicht. Was mir wichtig ist: Wir haben 2.500 Mitarbeiter. Mit Familien sind das 10.000 Menschen, die sozusagen vom Unternehmen abhängig sind. Da muss eine professionelle Lösung gefunden werden. Die Verantwortung für ein Unternehmen ist auch eben auch die Verantwortung für die Mitarbeiter.

Wie schwer ist es Ihnen gefallen, loszulassen?

Gar nicht. Ich war selber erstaunt. Als ich aus der Geschäftsführung zurückgetreten bin, hatten wir zuerst einen Engländer als CEO. Das hat nicht funktioniert. Aber seit zwei Jahren haben wir eine exzellente Mannschaft.

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Wie wichtig sind externe Perspektiven für ein Familienunternehmen?

Die sind extrem wichtig. Man muss aufpassen, dass man sich nicht im Kreis dreht und die eigene Sichtweise für die Weisheit der Welt hält. Schon mein Vater hat in den 50er-Jahren einen Beirat eingerichtet. Zum Teil mit sehr prominenten Namen, was nicht immer so ganz gut ist, weil die oft keine Zeit haben. Man braucht Leute, die Expertise mitbringen, aber die auch mal Zeit für eine Sondersitzung haben.

Worauf kommt es bei der Auswahl eines externen Chefs an?

Er sollte unternehmerisch denken und gut kommunizieren. Er muss offen für Kritik sein und eine klare unternehmerische Vision haben. Ich rede mit unserem CEO alle 14 Tage, meistens eine Stunde. Er sagt mir, was er macht – und ich gebe ihm ab und zu einen Kommentar. Oder auch nicht. Er muss das Unternehmen jetzt formen. Wenn man zurücktritt, ist man zurückgetreten. Mein Vater konnte, bis er 80 war, nicht loslassen. Das war für uns Nachfolger schwierig.

Ist es Ihnen wichtig, dass man Sie noch um Rat fragt?

Bei manchen Sachen ja. Vor allem dort, wo ich ein bisschen Herzblut drin habe.

Wo hängt Ihr Herzblut?

Wir müssen auch als traditionelles Unternehmen die Augen offen halten für Brüche in der Entwicklung. Das kann bei uns zum Beispiel das Thema Zucker sein. Es ist mein Ehrgeiz, Entwicklungen nicht zu verpassen und rechtzeitig die Signale erkennen, wenn sich etwas ­ändert: Denn dann haben wir es selber in der Hand. Beim Thema Disruption muss man sehr gut die Antennen ausfahren.

Gab es Fehler, die Sie gemacht haben und von denen Sie im Nachgang profitiert haben?

Ich habe eine ganze Reihe Fehler gemacht. Immer in der Hoffnung, dass die Summe der richtigen Entscheidungen größer ist als die Summe der falschen. Sie kennen unseren Riegel „Pick up“. Den haben wir mit viel Geld und Elan eingeführt, und trotzdem dümpelte er sieben Jahre vor sich hin. Wir haben aus purer Verzweiflung weiter in Werbung investiert. In Summe hat es zehn Jahre gedauert, bis die Rechnung aufgegangen ist. Heute ist das eines unserer wichtigsten Produkte.

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Wie schafft man es, loszulassen?

Indem man sich raushält. Wenn man Verantwortung für mehrere Tausend Menschen hat, kann man nicht nur die eigenen Empfindlichkeiten voranstellen. Das alles fühlt sich gut an. Wenn man 40 Jahre lang im Unternehmen gearbeitet hat, kann man mal woanders hingucken.

Sie sagen, beim Thema Disruption muss man die Antennen ausfahren. In der Automobilbranche ist das schiefgegangen.

Ja. Daimler-Benz war zu 30 Prozent an Tesla beteiligt, hat nach ein paar Jahren die Beteiligung zurückgegeben und sich dafür gefeiert, dass es sein Geld verdreifacht hat. Heute ist Tesla dreimal so viel wert wie die gesamte deutsche Automobilindustrie. Die haben den Schuss der Zeit definitiv nicht gehört. Nehmen Sie das Beispiel Kakao. Wir wissen, dass es beispielsweise schwierig ist, Kinderarbeit unter Kontrolle zu haben. Wenn es also etwas gibt, das Kakao ersetzen könnte, würde das zu massiven Veränderungen führen. Wir können nicht davon ausgehen, dass alles weiter geradeaus geht und der Keks mal rund oder mal eckig ist. Veränderungen haben mit Ernährung zu tun, mit Rohstoffverfügbarkeit. Haben wir eine Möglichkeit, zu kontrollieren, dass nicht mit Kinderarbeit produziert wird? Nur sehr begrenzt. Mit dem Lieferkettengesetz kommen Dinge auf uns zu, die wir gar nicht kontrollieren können. Das heißt nicht, dass wir nichts tun sollen. Aber ob es richtig ist, den Bezug einzustellen, indem wir statt Kakao irgendwas Künstliches hinein tun, um den Gesetz Genüge zu tun? Ich weiß es nicht, ob das wirklich eine gute Lösung ist. Die Menschen in Afrika zahlen die Zeche, ohne dass wir ihnen helfen, ihre Situation zu verbessern.

Spüren Sie den Druck der Konsumenten, Stichwort Palmöl oder ethische Produktionsbedingungen?

Das ist schon auch ein bisschen Geplänkel seitens der Konsumenten. Aber es gibt natürlich Druck. Das ist okay. Sie müssen halt immer gucken, was die Alternativen sind. Nutella hat gar keine Alternative beim Palmöl. Wir haben auch nur zum Teil Alternativen. Als Unternehmen arbeiten wir daran, dass wir graduell dort Verbesserungen machen, wo wir es können.

Welcher Aspekt Ihres Geschäfts bereitet Ihnen Kopfzerbrechen?

Richtig Kopfzerbrechen bereitet mir eigentlich nichts. Wir müssen schauen, dass wir mit Innovationen neue Konsumentenschichten ansprechen. Bahlsen ist eher eine Marke der älteren Generation. Die Jungen gucken jetzt Netflix und nicht mehr Fernsehen. Der Fernsehspot geht an denen völlig vorbei.

Sind Sie zuversichtlich, die Jungen auch zu kriegen?

Unser „Messino“ ist in Österreich in jedem Haushalt. Aber wir können nicht davon ausgehen, dass das bei der nächsten Generation auch so ist. Dafür müssen wir ein bisschen was tun. Da geht es um die Marke, Ansprache, Packungsgröße, das Produkt, um nicht beliebig und altbacken zu werden. Was kann ich ändern, und was sollte ich ändern? Wo muss ich die Linie beibehalten? An der Qualität darf man nicht drehen.

In welchen Momenten haben Sie am meisten über Führung gelernt?

In Krisen. Die muss man durchstehen. Jedenfalls aber selber entscheiden, wann man vom Platz geht. Auch weil andere oft andere Interessen haben. Davon darf man sich nicht beirren lassen.

Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich als Rat mit auf den Weg geben?

Es braucht eine gewisse Demut vor einer Aufgabe. Und es ist wichtig, sich die richtigen Mitstreiter an die Seite zu holen.

Und wenn Sie eine Nachricht an die künftige Generation verfassen sollen, die man in 50 Jahren öffnen würde: Was würde da drinnen stehen?

Genau das Gleiche. Das Wort Demut spielt für mich eine große Rolle. Man sieht so viele Beispiele – auch von Politikern –, wo das nicht passt. Es geht immer um den Respekt vor einer Aufgabe. Und darum, eine Aufgabe beherzt anzunehmen.

Business Class

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