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Die KI-Revolution

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Unternehmer und Start-ups aus Österreich zeigen, wie der Einsatz künstlicher Intelligenz zu revolutionären Ideen und neuen Geschäftsmodellen führt – und weshalb KI die Wirtschaft von Grund auf verändern wird.

In 20 Sekunden ist das Gericht fertig, der Mitarbeiter hat in Rekordzeit aus frischen Zutaten eine neue "Poke Bowl" zusammengestellt. Und das Beste: Dieser Mitarbeiter wird niemals müde, beklagt sich nicht und braucht keine Mittagspause. Denn das Essen wird von einer Maschine produziert, die dank künstlicher Intelligenz (KI) die Wünsche der Gäste punktgenau und ordentlich erfüllt. Es ist aber kein Roboter in menschenähnlicher Form, der in einem kleinen Lokal in London vorzeigt, was KI schon jetzt ermöglicht und welche Änderungen auf Wirtschaft und Gesellschaft zukommen könnten. Vielmehr handelt es sich um ein Gerät, das auf recht unspektakuläre Weise die (nach wie vor unverzichtbare) menschliche Arbeit ergänzt.

Revolution der Gastronomie

Common Room, so der Name des Restaurants in der Nähe von Kings Cross in der britischen Hauptstadt, ist das Vorzeigeprojekt von Josef Chen, einem der Gründer des Gastro-Start-ups Kaikaku – der Firmenname leitet sich von einem japanischen Begriff ab, der die Änderung von Geschäftsprozessen beschreibt. Wobei Änderung in diesem Fall untertrieben ist: Der gebürtige Linzer Chen will nichts weniger als die weltweite Gastronomie revolutionieren. Dabei klingt es vergleichsweise simpel, wenn er es beschreibt: "Wir bauen intelligente Maschinen für Restaurants." Die Idee dahinter: Ein Restaurant gleicht ja einer Fabrik, bei der laufend bestimmte Aufgaben zu einer bestimmten Zeit zu erfüllen sind. Und oft sind es immer die gleichen Aufgaben. Das Ziel von Chen: Lösungen für die Gastronomie anbieten, mit denen diese Aufgaben automatisiert und damit günstiger werden. In dem Bowl-Lokal wird die KI-Technologie von Kaikaku gleich mal in der Praxis ausprobiert. "Wir haben in dem Lokal die Kosten eines Cafés, aber den Umsatz eines Restaurants", erklärt Chen im Gespräch mit News. Eventuell wird Kaikaku, das vor einem Jahr ins Leben gerufen wurde und bereits 40 Mitarbeiter hat, aber weitere Restaurants selbst betreiben – die ersten Erfahrungen waren durchaus positiv.

Nicht nur die Zubereitung von Gerichten, auch die Kontrolle der Lebensmittel sowie die Überwachung einzelner (menschlicher) Arbeitsschritte kann die KI übernehmen. Eine Idee, die so wie viele andere Entwicklungen durch KI durchaus zu grundsätzlichen Fragen führt: Werden Menschen sukzessive aus Gastrojobs gedrängt? Wird es in Zukunft nur noch Maschinen in Küchen, Restaurants und Kaffeehäusern geben? Josef Chen, dessen Eltern in Linz ein Restaurant betreiben, stellt klar: "Wir wollen nicht alles automatisieren, die Mitarbeiter sollen aber in Zukunft nicht hinter der Theke stehen, sondern davor." Auch bei der nötigen Bürokratie – Stichwort Überwachung der Kühlung – könne die KI helfen, die Mitarbeiter zu entlasten und die ständig gleichen Aufgaben abzuwickeln. Aber Chen weiß zugleich, dass der Trend eindeutig in Richtung KI-Robotik geht und nicht aufzuhalten sein wird. Bei Gästen gab es bereits gemischte Reaktionen, nicht alle sind überzeugt vom Einsatz nichtmenschlicher Arbeitskräfte. "Es wird sicher auch Widerstand der Kunden geben."

Was kann die KI?

Künstliche Intelligenz hat längst unseren Alltag durchdrungen – Assistenten wie Alexa, Übersetzungsdienste, personalisierte Empfehlungen auf Netflix und Amazon, Fitness-Apps, Chatbots auf Webseiten, Bildbearbeitung, E-Learning: Überall ist maschinelle Intelligenz im Einsatz. Das wirft auch ethische und rechtliche Fragen auf, etwa Datenschutz, Persönlichkeitsrechte, Machtgewinn von Großkonzernen und radikale Änderungen am Arbeitsmarkt (mit entsprechenden Folgen für Staatsfinanzen). Davon abgesehen hat künstliche Intelligenz objektiv gesehen das Potenzial, den menschlichen Alltag zu erleichtern. Wie das schon heute möglich ist, zeigt Francis Rafal, Chef des Start-ups Totoy.

Der Wiener wurde von seinen Eltern, die von den Philippinen nach Österreich kamen, immer wieder um Hilfe beim Ausfüllen behördlicher Dokumente gefragt. "Funktionaler Analphabetismus ist ein Problem", sagt Rafal. Viele Migranten der ersten Generation würden das Behördendeutsch nicht verstehen. Hilfe bietet der KI-Assistent von Totoy, mit dem Dokumente in die Muttersprache der Anwender übersetzt werden können und das Ausfüllen vereinfacht wird. Mithilfe der App, die für iPhones und Android-Geräte verfügbar ist, werden die Texte in den Dokumenten gefiltert und übersetzt, die Anwender können in weiterer Folge auch Fragen stellen. Es gab per Anfang Mai mehr als 17.000 Downloads der App, drei Viertel der Nutzer fühlten sich laut Unternehmen dadurch sicherer im Umgang mit den Dokumenten.

Das Geschäftsmodell von Totoy war ursprünglich darauf ausgelegt, neben einer kostenlosen Grundversion eine kostenpflichtige Premium-Variante (beispielsweise für zusätzliche Seiten) anzubieten. "Wir arbeiten nun aber an einer White-Label-Lösung, die wir Behörden zur Verfügung stellen", erklärt Rafal. Das fünfköpfige Totoy-Gründerteam hat sich bei der Programmierschule 42 Vienna kennengelernt, im Jänner dieses Jahres wurde die Firma offiziell gegründet, von der Wirtschaftsagentur Wien gab es eine Förderung. Auf Basis verfügbarer KI-Modelle hat das Totoy-Team seine eigene Anwendung entwickelt. Dabei wird an einer ständigen Weiterentwicklung gewerkt. "Es muss viel Forschung betrieben werden", erläutert Rafal. Die künstliche Intelligenz insgesamt wird ja laufend weiterentwickelt, zum Teil in Open-Source-Projekten, die also frei zugänglich sind und von Unternehmen genutzt werden können. Für Rafal steht jedenfalls fest: "Wir sind in Wien zu Hause und bleiben auch in Wien."

Dritte Dimension

In Wien gegründet wurde auch das Start-up Nuvo, das mithilfe der KI aus Text oder Bildern hochwertige 3D-Modelle generiert, die dann unter anderem für Spiele, Filme und Produktpräsentationen verwendet werden können. "Traditionelles 3D-Scanning funktioniert beispielsweise für die Visualisierung von Produkten nicht, weil alle Bereiche, die spiegeln oder transparent sind, nicht gut eingefangen werden können", sagt Cristian Duguet. Die Nuvo-Lösung ist schneller und günstiger als spezialisierte Agenturen. "Bisher war nach dem Scannen eine aufwendige manuelle Verbesserung nötig." Mit der Software von Nuvo ist das nicht mehr nötig. Dabei ist auch hier die ständige Weiterentwicklung unverzichtbar: "Wir trainieren die KI für neue Modelle, auch aufbauend auf semantischen Angaben."

Nuvo wurde in Wien gegründet, ist heute aber in England angesiedelt, Duguet selbst lebt weiterhin in Wien. "Mein Mitgründer ist Brite, und wegen der Investoren haben wir uns entschlossen, die Firma dort anzusiedeln." Derzeit wird eine Fundraising-Runde abgeschlossen, danach soll die Technologie weiter verfeinert und skaliert werden. In Österreich sei das Umfeld für KI-Unternehmen prinzipiell gut, doch es würde an Privatinvestments mangeln. "Es hat einfach keine Tradition, privates Geld in Start-ups zu stecken." Das sei etwa im Vereinigten Königreich ganz anders.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 36/2024 erschienen.

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